Wirtschafts- und Europapolitische Positionen der IHK-Organisation 2024

Europäische Flaggen wehen in Brüssel (Symbolbild).
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Europäische Flaggen wehen in Brüssel (Symbolbild).

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und die Industrie- und Handelskammern (IHKs) positionieren sich zu wirtschaftspolitischen Herausforderungen und nehmen zu Gesetzesentwürfen Stellung. Das Gesamtinteresse der IHK-Mitglieder zu vertreten und die regionale Wirtschaft zu fördern, gehört zu ihrem gesetzlichen Auftrag. Denn Politik und Verwaltung müssen die Bedarfe der Wirtschaft kennen, um umsetzbare Gesetze zu entwickeln. 

Die Wirtschaftspolitischen Positionen – auch WiPos genannt – bilden die Legitimationsgrundlage, sich zu einem Thema überhaupt äußern zu können: Die IHKs befragen daher ihre Unternehmen, um Meinungsbilder zu verschiedenen Themen einzuholen, auf deren Basis sie sich dann äußern können.

Es sind die großen wirtschaftspolitischen Themenbereiche, zu denen sich die IHK-Organisation in ihren "WiPos" positioniert. Die Fachkräftesicherung und Fragen der Aus- und Weiterbildung ist dabei ein zentrales Thema und Alleinstellungsmerkmal der IHK-Organisation, außerdem aktuell ein wichtiges Thema für die Unternehmen deutschlandweit. Entsprechend wird es in den Wirtschaftspolitischen Positionen intensiv beleuchtet.

Alle fünf Jahre unterziehen wir die WiPos einer kritischen Prüfung und verpassen Ihr ein Update. Dazu brauchen wir Ihre Hinweise! Gibt es Aspekte, die wir übersehen haben oder wollen Sie uns noch gute Argumente für Positionen mitgeben? Wir danken Ihnen für Ihr Feedback!

Übersicht:

Wirtschaftsrecht: Regulierung zielorientiert und verhältnismäßig einsetzen

Unscharfe Regulierung und sachfremde Details resultieren in Rechtsunsicherheit und vermeidbarem, teilweise erheblichem Beratungsaufwand. Unverhältnismäßige Regelungen tragen zur Belastung der Unternehmen bei. Eine Fokussierung der EU auf der Grundlage der Verträge mit den klaren Zielvorgaben der Grundfreiheiten, der prioritären Herstellung des Binnenmarktes und einer klaren und eindeutigen Rechtssprache wären wichtig, um ein Wirtschaftsumfeld zu schaffen, in dem sich die Betriebe wieder verstärkt auf die Umsetzung und Weiterentwicklung ihrer Unternehmensziele und damit zugleich der gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsförderung fokussieren können. Europäischer und nationale Gesetzgeber sollten mit dem Ziel der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit agieren und sowohl den Wettbewerb als auch Vermeidung unnötiger bürokratischer Belastungen im Blick haben.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Recht als Standortfaktor stärken (DE)

Angesichts der globalen Ausrichtung der deutschen Wirtschaft ist es wichtig, dass Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung den Unternehmen auch bei internationalen Sachverhalten effektive Lösungen bieten. Die mit der Einführung von Commercial Courts verfolgte Zielsetzung, den Gerichtsstandort Deutschland für nationale und internationale Wirtschaftsstreitigkeiten zu stärken und im internationalen Vergleich aufzuwerten ist deshalb ein positives Signal für den Rechtsstandort Deutschlands. Allerdings setzt sich die Justiz dem Vorwurf einer „Zweiklassen-Justiz“ aus, wenn moderne, schnelle und vor besonders kompetenten Kammern durchzuführende Verfahren nur für hohe Streitwerte angeboten werden sollen, während die grundsätzliche Ertüchtigung und Digitalisierung bei der Justiz weiterhin nur überaus schleppend vorangeht und sowohl die Verfahrensdauer als auch die Qualität vielfach kritisch ist. Angesichts zurückgehender Fallzahlen der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist für die Akzeptanz wesentlich, dass Unternehmen in ihren Anliegen von in den konkreten Fallumständen kompetenten Gerichten gehört werden. Neben einer leistungsfähigen Justiz bedarf es zudem attraktiver alternativer Streitbeilegungsmechanismen. Aus diesem Grund hat die DIHK einen Schiedsgerichtshof nach § 10a Abs. 4 Nr. 3 IHKG gegründet, der alle Formen der alternativen Konfliktlösung, darunter Mediation, Schlich-tung, Schiedsgutachten für Unternehmen im In- und Ausland fördert und dabei IHKs und AHKs einbezieht. Die Vorhaben zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts sind ein weiterer richtiger Schritt für den Streitbeilegungsstandort Deutschland.

Ausweitung von Auskunfts-, Informations-, und Dokumentationspflichten kritisch hinterfragen; Aufwand-Nutzen- Relation und Verhältnismäßigkeit dabei stets im Blick behalten (DE+EU)

Viele EU-Vorschläge sehen komplexe und aufwendige Informationspflichten für Unter-nehmen vor. So werden Betriebe z. B. beim Datenschutz, im Fernabsatz und auf Plattformen sowie beim Verkauf von Lebensmitteln verpflichtet, Verbraucher über vielfältige Ein-zelheiten zu unterrichten. Wichtige Hinweise gehen in dieser Informationsflut jedoch oftmals unter. Gleichzeitig binden Berichts- und Dokumentationspflichten wertvolle Ressourcen in den Unternehmen und belasten diese, ohne dem Verbraucher tatsächlich zu nutzen. Darüber hinaus versucht die EU-Kommission, die Unternehmen verpflichtend in die Informationsbeschaffung zur allgemeinen Marktüberwachung und zur Kontrolle der korrekten Umsetzung des Unionsrechts einzubinden. Dies tut sie etwa durch umfangreiche und bußgeldbewehrte Auskunftsersuchen über Marktdaten. Damit konterkariert die EU nicht nur das Ziel, Bürokratie abzubauen. Sie setzt auch ein Element staatlicher Marktkontrolle ein, für das besonders starke Gründe streiten müssen (vgl. Leitlinie „Eingriffsbefugnisse überprüfen“: Beispiel EIOPA)

Eingriffsbefugnisse überprüfen

Insbesondere im Finanzbereich zeigt sich eine rasch zunehmende gesetzliche Dichte und Intensität der Regulierung der Aufsicht über Versicherungs-, Finanzanlagen- und Immobiliardarlehensvermittler. Diese wird von der EU-Kommission forciert und von der Bundesregierung bislang nicht effektiv eingehegt. Die IHK-Organisation hat über viele Jahre eine effektive und verhältnismäßige Aufsicht sichergestellt. Die nun praktizierte Handhabung durch die europäische Aufsicht EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) ist demgegenüber wiederholt unangemessen. Dies geht bis hin zum Aufbau Pflichten der Aufsicht im Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr, ohne dass damit ein nennenswerter Zugewinn für die Regulierungsziele, darunter der IT-Sicherheit, verbunden ist. Die erhebliche Ausweitung der Befugnisse der EIOPA und deren Eingriffsoptionen bei rein nationalen Sachverhalten sind auch verfassungsrechtlich bedenklich und werden von den betroffenen Vermittlern abgelehnt. Kritische Eingriffsbefugnisse der europäischen Aufsicht betreffen z. B. ihr gegenüber bestehende „Meldepflichten“ auch in jedem Einzelfall bei abgelehnten oder aufgehobenen Gewerbezulassungen, den Zwang zu möglichen „Prangerregistern“ sowie die Befugnis von EIOPA zur unumschränkten Da-tenerhebung aufgrund einer Generalklausel. Damit widersprechen die Regulierungen vor allem dem Prinzip der Subsidiarität.

Aufwand-Nutzen-Relation von Informations- und Dokumentationsvorgaben berücksichtigen

Transparenz wird von den Unternehmen grundsätzlich befürwortet – muss aber zielgerichtet sein und sich auch an einer Aufwand-Nutzen-Relation messen lassen: Zu viele Informationen und immer umfangreichere Berichte erreichen nach Erfahrung der Wirtschaft die eigentlichen Adressaten nicht. Für abgrenzbare Unternehmensbranchen werden hierdurch zwar neue Geschäfts- und Analysefelder eröffnet und folglich von einzelnen Unternehmen unterstützt. Auch fordern manche Unternehmen z. B. die Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung (vgl. Kapitel „Corporate Social Responsibility“ und „Sustainable Finance“). Allerdings steigt der Aufwand vieler anderer Unternehmen überproportional, der individuelle Nutzen ist oftmals gering und der übergeordnete europäische Mehrwert im Ergebnis daher fraglich. Die Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird daher mehrheitlich abgelehnt.

Gleiches gilt für die Kleinanlegerschutzstrategie. Die hier enthaltene Pflicht zur Aufzeichnung und Aufbewahrung von Telefongesprächen sollte gestrichen werden. Denn der Aufwand für den Gewerbetreibenden und Nutzen für die anlegende Person stehen hier in keinem Verhältnis. Dem Anlegerschutz wird bereits durch die umfangreichen Dokumentations- und Beratungspflichten ausreichend Rechnung getragen. Allgemein ist auch hier fraglich, ob die in dem Richtlinienvorschlag der Kleinanlegerschutzstrategie enthaltenen verschiedenen umfangreichen Informations- und Dokumentationspflichten im Hinblick auf Verbraucherschutz und zur Vermeidung unnötiger Bürokratie erforderlich oder möglicherweise sogar kontraproduktiv und nachteilig sind. Denn ein „zu viel“ an Information z. B. in einer umfangreichen analogen oder digitalen Broschüre kann dazu führen, dass diese Informationen überhaupt nicht mehr gelesen werden.

Die allgemeine Tendenz zur Ausweitung der zur Verfügung zu stellenden Informationen durch Unternehmen oder zur Einführung neuer Offenlegungspflichten ist daher kritisch zu überprüfen. Bestehende Pflichten sollten mit Blick auf ihre tatsächliche Nutzung durch und ihren tatsächlichen Nutzen für die Adressaten überprüft und ggf. reduziert oder gestrichen werden. Unternehmen dürfen überdies nicht dazu verpflichtet werden, Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren, auch nicht durch Auskunftsersuchen der EU-Kommission oder EIOPA gegenüber dem Gewerbetreibenden und/oder der nationalen Aufsicht. Eine individuelle Auskunftspflicht muss auf das Notwendige reduziert werden. Informationen über die Unternehmenspraxis und Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns vor Ort, z. B. auch über Marktdaten, kann die Kommission effektiv etwa über Institution wie Kammern erhalten. Dies muss aber auf freiwilliger Basis der Unternehmen geschehen.

Sind Informations- und Offenlegungspflichten tatsächlich erforderlich, so sollten Unternehmen nur verpflichtet sein, wesentliche Informationen offenzulegen. Manche Unternehmen befürworten allerdings möglichst umfangreiche Informationspflichten. In jedem Fall sollten Regeln für die Offenlegung, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), klar und einfach umzusetzen sein.

Differenzierung nach Unternehmensgröße und Kapitalmarktorientierung

Im Rahmen der Angemessenheit ist auch aus überwiegender Sicht eine Differenzierung der Anforderungen nach Kapitalmarktorien-tierung und Unternehmensgröße erforderlich (vgl. Kapitel „Sustainable Finance“ und „Mittelstand stärken“.) Wenn an größere Unternehmen zusätzliche, da gerechtfertigte und verhältnismäßige, Anforderungen als an KMU gestellt werden, muss sichergestellt werden, dass kleinere und mittlere Zulieferbetriebe nicht mittelbar doch betroffen werden. Sind mehrere Aufsichten zuständig, so sollten Informationen nur über eine Aufsicht abgefragt werden.

Europäisches Wirtschaftsgesetzbuch (nur) mit dem Ziel der Reduzierung der Komplexität des Wirtschaftsrechts (EU)

Ein Europäisches Wirtschaftsgesetzbuch, ergänzt um ein sog. „28. Regime“ im Gesell-schaftsrecht ist für die Unternehmen von Interesse, soweit es nicht nur die vielen bestehenden Regelungen konsolidiert, sondern auch zu einer inhaltlichen und systematischen Überarbeitung des bestehenden Regelungskonvoluts führt. Einfachere, klare Regelungen, Reduzierung auf das Notwendige, eine strenge Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit sowie die Einbindung der Instrumente der Selbstverpflichtung, des „Comply-or-Explain“-Prinzips sowie des Wettbewerbs sind gefragt. Sie können die teilweise handlungshemmende Komplexität des bestehenden europäischen Wirtschaftsrechts verringern. Die Komplexität des Umgangs mit einem 28. Regime neben dem bestehenden harmonisierten europäischen und nationalen Recht ist groß. Vor allem dürfen an den Schnittstellen zum nationalen Recht die gewachsenen Regelungssystematiken der Mitgliedstaaten nicht gefährdet werden. Die Nutzung eines solchen 28. Regime im Gesellschaftsrecht muss auch grundsätzlich für alle Unternehmen, auch für KMU, möglich sein. Die Wahl nationaler Rechtsformen sollte sich auch nicht indirekt nachteilig auswirken, z. B. indem bestimmte Entlastungen nur europäischen Rechts- oder Handlungsformen zugebilligt werden.

Überarbeitung des internationalen Gesellschaftsrechts genau prüfen (DE+EU)

Das Kollisionsrecht ist anspruchsvoll und mit großen Auswirkungen für die Unternehmen verbunden. Eine Harmonisierung sollte kritisch auf Rechtssicherheit, Kosten und Nutzen für die gewerbliche Wirtschaft geprüft werden. Der internationale Wettbewerb der Rechtsordnungen ist gut – er zwingt aber auch dazu, den Unternehmen in Deutschland und Europa optimale rechtliche Wettbewerbsbedingungen zur Verfügung zu stellen.

Flexibilität bei internationaler Vertragsgestaltung erhöhen (DE)

Viele Unternehmen empfinden das AGB-Recht, besonders im internationalen Kontext und bei grenzüberschreitenden Verträgen, als zu starr. Der Anwendungsbereich des AGB-Rechts ist derzeit so umfassend, dass es in der Praxis nahezu unmöglich ist, individuelle Vereinbarungen zu treffen. Dies führt bspw. dazu, dass eine vertragliche Haftungsbegrenzung de facto in vielen Fällen ausgeschlossen ist. Daher weichen Unternehmen bei grenzüberschreitenden Verträgen häufig auf ausländische Rechtsordnungen aus, für den Rechtsstandort und für die mögliche Wahl des deutschen Rechts als Grundlage für den Vertrag gilt aktuell als zentraler Nachteil. Auf der anderen Seite erfüllt das AGB-Recht einen wichtigen Schutzzweck und bietet vielen Unternehmen Schutz vor marktmächtigeren Lieferanten oder Abnehmern. Deshalb ist eine Lösung erforderlich, die einerseits den berechtigten Schutzbedarf gerade auch kleiner und mittlerer Unternehmen und andererseits den ebenso berechtigten Wunsch großer und international tätiger Unternehmen nach ausreichender Flexibilität bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt. Die Privatautonomie sollte Leitbild bleiben und nur in typisierbaren, zwingenden Fällen eingeschränkt werden. Im grenzüberschreitenden Bereich sollten Unternehmen außerdem die Möglichkeit haben, das AGB-Recht abzuwählen, während das deutsche Recht beibehalten wird, da in solchen Fällen der Schutz des AGB-Rechts ohnehin entfällt, wenn das Recht eines anderen Landes vollständig vereinbart wird. Diese Anpassungen an die unternehmerische Realität im internationalen Handel würde auch die weiteren Bemühungen des Gesetzgebers zur Stärkung des Rechtsstandorts Deutschland, z. B. durch die Einführung von Commercial Courts, sinnvoll flankieren.

Gewerbefreiheit stärken (DE+EU)

Soziale Marktwirtschaft kann nur gelingen, wenn die Unternehmen im eigenen Land und in der EU leistungsfähig bleiben und sich im Rahmen eines fairen und freien Wettbewerbs behaupten können. Auch aus der harmonisierten Unionsrechtsetzung stark wachsende regulative Vorgaben der Berufsausübung sollten diesem Leitbild folgen. Europäische Richtlinien, Verordnungen und Technische Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standard - RTS) haben in diesem Zusammenhang bereits zu immer komplizierteren Re-gelwerken geführt. Die Gewerbefreiheit darf dadurch aber nicht ihre leitende Funktion im Wirtschaftsleben verlieren und staatlichen Eingriffen Platz machen. Die Gewerbefreiheit , eingehegt einerseits durch die Vorgaben des Wettbewerbsrechts, andererseits durch zwingend begründete Harmonisierung zur Herstellung des Marktes und Absicherung berechtigter Schutzinteressen, sollte auch in der EU das Leitprinzip bleiben.

Insofern liegt aus Sicht der Wirtschaft der Gedanke nahe, die Einführung einer Europäischen Gewerbeordnung mit dem alleinigen Ziel der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Vorschriften zu prüfen.

Neue oder erweiterte Berufszugangs- und Berufsausübungsregeln z. B. für Finanzdienstleister und Kreditvermittler, engen die Gewerbefreiheit teilweise zu stark ein. Das gilt insbesondere für neue und übermäßig detaillierte Erlaubnis-, Register- und Qualifikations- sowie zahlreiche Informationspflichten. Eine strenge Handhabung der Verhältnismäßigkeit der Normierung in Bezug auf das Regulierungsziel ist wichtig. Begründet werden die Regulierungen stattdessen häufig allgemein mit dem Schutz des Gemeinwohls. Die Einschränkungen nutzen aktuell jedoch vielfach nur einzelnen Betroffenen oder kleineren Gruppen. In der Folge können Unternehmen nur mit höheren Kosten gegründet oder weitergeführt werden.

Anerkennung von Personengesellschaften im Gewerberecht (DE)

Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) wurde u. a. die Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft ausdrücklich im Zivilrecht geregelt. Im Gewerberecht dagegen werden rechtsfähige Personengesellschaften nach wie vor nicht als Gewerbetreibende anerkannt, so dass es weiterhin zu Inkompatibilitäten zwischen Zivil- und Gewerberecht kommt. Insofern ist es jetzt erforderlich, die Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften auch im Gewerberecht gesetzlich zu verankern. Dabei sollten jedoch unbedingt ausreichende Übergangs- und Überleitungsbestimmungen vorgesehen werden.

Abbildung von nachhaltiger Wertschöpfung in bestehenden Rechtsformen prüfen; Verantwortliche Unternehmensführung im Sinne einer nachhaltigen Wertschöpfung rechtlich erleichtern (DE)

Das Unternehmenskapital vorrangig an den Unternehmenszweck zu binden und die Verantwortung unabhängig von Erbfolgen zu gestalten – dies sichern Unternehmen über Stiftungen bzw. Doppelstiftungen oder kombinierte Stiftungs- und Unternehmensmodelle ab. Sie trennen Vermögen und Stimmrechte mit entsprechender Gestaltung der Satzungen, Geschäftsordnungen und Geschäftsführungsverträgen. Diese Modelle sind jedoch mit gewisser Komplexität und daraus resultierenden Kosten verbunden; Rechtsunsicherheit besteht, ob der Erhalt eines Unternehmens den Stiftungszweck erfüllt.

Nachhaltige Bedürfnisse der Wirtschaft sollten auch rechtlich abgebildet werden können. Die Diskussion über moderne rechtliche Formen unternehmerischer Tätigkeit ist daher sinnvoll, ihre Ergebnisse müssen sich allerdings in einem freien und fairen Wettbewerb auch der Rechtsformen durchsetzen.

Entsprechende Unternehmensmodelle sollten dabei auch kleineren und mittleren Unternehmen zur Verfügung stehen. Von einigen Unternehmen und zwei IHKs wird ein Bedarf für eine eigenständige Rechtsform formuliert; aus Sicht der Wirtschaft insgesamt kann mit den bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten den Bedürfnissen bislang grundsätzlich entsprochen werden. Soweit den Bedürfnissen nach dauerhafter Trennung von Vermögen und Unternehmensführung hierdurch nicht mehr entsprochen werden sollte, sind gesetzliche Änderungen der bestehenden Rechtsformen zu prüfen.

Diese, aber auch etwaige neue Rechtskonstruktionen sind praktikabel und wettbewerbsneutral auch in Bezug auf deren Bezeichnung zu gestalten. Eine Vermögensbindung muss, wenn diese Alleinstellungsmerkmal sein soll, rechtlich und praktisch gesichert werden können. Zudem weisen einige Stimmen darauf hin, dass ein ausgewogenes Verhältnis von Risiko und Haftung der Gesellschafter ebenso wie der Schutz der Gläubiger zu berücksichtigen ist. Gerade im Hinblick auf kleine und mittelständische Unternehmen sollte deshalb über die weitere Flexibilisierung und Vereinfachung des Stiftungsrechts nachgedacht werden und dem Stifter ein befristetes Recht eingeräumt werden, die Stiftungssatzung zu ändern. Schließlich sollte geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Fortführung eines Unternehmens ein zulässiger Stiftungszweck ist. Eine Entkoppelung von Eigentum bedürfte aus überwiegender Sicht einer Aufsicht – denn es besteht ein Interesse daran, dass das Unternehmen grundsätzlich im Sinne der oder des Gründungswilligen oder der oder des „Einlegers“, der auf Gewinnausschüttung und Liquidationserlös verzichtet, fortgeführt wird.

Die digitale Unternehmensgründung zur attraktiven Option ausgestalten (DE+EU)

Unternehmensgründungen sowie Beglaubigungen von Registeranmeldungen unabhängig vom Aufenthaltsort erleichtern als zusätzliche Option nicht nur grenzüberschreitende Aktivitäten. Die Möglichkeit der Beurkundung per Videokommunikation sollte grundsätzlich alle Rechtsformen gleich behandeln und rechtsformunabhängig auf die Gründung sowie dieser nachfolgenden Beurkundungen, z. B. zur Satzungsänderung oder zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen, von Vollmachten auch im Zusammenhang der Beurkundung von Gesellschafterbeschlüssen etc. ausgeweitet werden. Die Registerbeglaubigungen sollten ebenfalls rechtsformunabhängig in einem Online-Verfahren angeboten werden. Dabei darf die Vertrauenswürdigkeit der Daten im Handelsregister, aber auch in den weiteren Registern nicht verwässert werden – es bedarf eines harmonisierten europäischen Standards. Eine möglichst flexible Wahl des Notars kann den praktischen Bedarfen von Gesellschaftern und Geschäftsführern entsprechen. Die sichere, aber praktikable Identifizierung der Personen und Authentizität der Dokumente sind für den Geschäftsverkehr weiterhin von Bedeutung. Sichere digitale Übertragungskanäle zwischen den Registern der Mitgliedstaaten sowie die Anerkennung elektronischer beglaubigter Kopien könnten grenzüberschreitende Unternehmensvorgänge erleichtern.

Bisher erforderliche Beglaubigungen von Unterlagen von Unternehmen aus EU-Staaten oder das zeitaufwendige Einholen von Apostillen wären somit nicht mehr erforderlich. Die Register in anderen EU-Staaten könnten sich auf die Eintragungen der Hauptnieder-lassung z. B. bei der Anmeldung von Zweigniederlassungen verlassen, das „Once-Only“-Prinzip könnte so zur Entlastung der Unternehmen angewendet werden.

Digitale Optionen, einfach anwendbar und sicher ausgestaltet, können den organisatorischen Aufwand und die Kosten für die Unternehmen erheblich verringern. Dabei ist das Verfahren nutzerfreundlich zu gestalten, ohne dass Gründer, Gesellschafter oder Ge-schäftsführer sich besondere kostenpflichtige Software oder Signaturen anschaffen müssen.

Praxiskonforme Mustersatzungen für die verschiedenen Rechtsformen können Gründer maßgeblich unterstützen und sollten vom Gesetzgeber auch im Sinne der Rechtssicherheit zur Verfügung gestellt werden.

Bei dem Modell einer „virtuell registrierten Niederlassung“ könnten Unternehmen auf physische Niederlassungen verzichten, Komplexitäten, die in grenzüberschreitenden Vorgängen innewohnen, könnten vermieden werden. Es müssten jedoch zusätzliche Regu-lierungs- und Registrierungsvorgaben eingeführt werden, um u. a. auch die Wettbewerbsneutralität zu sichern. Anknüpfungspunkte, z. B. für den Gerichtsstand und das geltende Recht müssten entwickelt werden. Aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft ist die Ermöglichung virtueller Niederlassungen (aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive) vor diesem Hintergrund nicht erforderlich.

Europäische Gesellschaft für KMU einführen – zusätzliche Angabepflichten vermeiden (EU)

KMU gründen oftmals Gesellschaften nach nationalem Recht in verschiedenen Mitgliedstaaten. Zeit-, Beratungs- und damit Kostenaufwand sind erheblich. Eine praktikable supranationale Rechtsform, auch mit mehreren Gesellschaftern und Geschäftsführern, könnte insbesondere KMU bei ihren Aktivitäten in Europa unterstützen. Der von der Kommission zurückgezogene Vorschlag einer Europa-GmbH (Europäische Privatgesellschaft) war bereits eine gute Basis und sollte aus Sicht der Betriebe wieder aufgegriffen werden.

Produkthaftungsrecht mit Augenmaß modernisieren (DE+EU)

Das bislang austarierte Gleichgewicht zwischen Verbrauchern und Unternehmen auf dem Gebiet der Produkthaftung hat sich bewährt. Jede einseitige Verschiebung der Haftungsrisiken ohne belastbare Begründung zu Lasten der Unternehmen gefährdet die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Europa. Die Wirtschaft lehnt die Übernahme US-amerikanischer Modelle des Prozessrechts etwa mit einem sog. „Discovery-Verfahren ab“, wie es von Seiten der EU wiederholt angestrebt wird (z. B. der Entwurf einer neuen Produkthaftungsrichtlinie). Diese widersprechen nicht nur den kontinentaleuropäischen Rechtstraditionen, sondern gefährden die prozessuale Fairness. Auch eine erleichterte Durchsetzung von Ansprüchen durch Beweisregeln, der Entfall von Selbstbehalten und Höchstgrenzen sowie die Ausweitung der Haftung auf die Zulieferer von Komponenten, besonders Bevollmächtigte, Fulfillment-Dienstleister und ggf. auch Händler verschieben das Gleichgewicht der Parteien. Sie lassen zudem eine Verteuerung der Produkte zulasten des Industriestandorts Europa befürchten. Für digitale Produkte bedarf die Produkthaftungsrichtlinie lediglich einer punktuellen Anpassung.

Einfluss im IASB erhöhen und Rechnungslegung entschlacken (DE+EU)

Unternehmen, die nach internationaler Rechnungslegung (IFRS/IAS) bilanzieren müssen oder dies freiwillig tun, brauchen eine gute Vertretung ihrer Interessen im International Accounting Standards Board (IASB). KMU sind dagegen in der Regel auf die Rechnungslegung nach HGB ausgerichtet und wollen mehrheitlich auch in Zukunft nach HGB bilanzieren.

Bei der Standardsetzung sollten die Interessen aller bilanzierenden Unternehmen berücksichtigt werden. Auf europäischer Ebene sollte sich die EU-Kommission in den internationalen Gremien daher stärker bei der Erstellung der Standards einschalten. Für bör-sennotierte KMU, die zur Bilanzierung nach IFRS verpflichtet sind, kann eine vereinfachte Fassung dieses Standards sinnvoll und entlastend sein. Sachfremde Berichtspflichten blähen die handelsrechtlichen Berichtspflichten unnötig auf und erhöhen die Kosten für Erstellung und Prüfung. Für nicht kapitalmarktorientierte KMU sollte die HGB-Rechnungslegung weiterhin mittelstandsfreundlich und ohne Bezugnahme auf die IFRS bestehen bleiben. Ein vollständiger eigenständiger europäischer Rechnungslegungsstandard für KMU ist aktuell nicht erforderlich.

Ansprechpartner/-innen in der DIHK:

Annika Böhm (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Dr. Christian Groß (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Dr. Mona Moraht (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Kei-Lin Ting-Winarto (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Wettbewerbsrecht: Marktwirtschaft stärken, Fairness fördern, Vergaberecht vereinfachen

Faire Wettbewerbsbedingungen ermöglichen es den Unternehmen, durch Investitionen und Innovationen von Produkten und Prozessen am Markt erfolgreich zu sein. Sie müssen rechtssicher beurteilen können, was sie im Wettbewerb tun dürfen und was nicht. Es gilt den Wettbewerb zu stärken und Verzerrungen zu verhindern. Dafür ist das Wettbewerbsrecht der Rahmen.

Für fairen Wettbewerb ist zudem eine effektive Rechtsdurchsetzung notwendig. Die gut funktionierende zivilrechtliche Durchsetzung auch von Verbraucherschutzgesetzen, soweit neben den Wettbewerbern auch Verbraucher geschützt werden, darf nicht durch die Einführung einer behördlichen Rechtsdurchsetzung gefährdet werden.

Auch bei öffentlichen Aufträgen ist Wettbewerb wichtig – dieser sollte durch ein einfacheres Vergaberecht sichergestellt werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Einhaltung des Wettbewerbsrechts durchsetzen, Verteidigungsmöglichkeit von Unternehmen sicherstellen (EU)

Verstoßen Unternehmen gegen das EU-Wettbewerbsrecht, wird dies zu Recht geahndet. Die Verfahren im EU-Wettbewerbsrecht sind jedoch häufig intransparent und in ihren wirtschaftspolitischen Folgen teilweise schwer vorhersehbar. Die Bußgeldhöhe bei Kartellfällen ist unverhältnismäßig hoch, für einige Unternehmen existenzbedrohend. Dies verursacht vielfach Druck, Vergleichsvereinbarungen zu treffen. Diskutiert wird sogar die Einführung von strafrechtlichen Sanktionen gegen einzelne Entscheidungsträger in Unternehmen. Alle nationalen, wie internationalen Kartellverfahren müssen im Hinblick auf die bestehenden Ermessens- und Entscheidungsspielräume der Behörden überprüft werden. Die Behörden treten als Ermittler, Ankläger und zunächst als Richter auf. Es gilt die Verteidigungsrechte ausnahmslos zu wahren und gerichtlich vollständig überprüft zu machen. Dies gilt auch für Verhandlungen zur Verfahrenseinstellung: Wettbewerbsrecht darf nicht zum politischen Instrument der Verwaltung werden. Entscheidungen, auch im Ermittlungsverfahren, müssen gerichtlich vollständig überprüfbar sein.

Forum shopping in Europa vermeiden (EU)

EU-Entscheidungen zur kartellrechtlichen Sanktionierung sind für Gerichte der Mitgliedstaaten bindend und dienen als Grundlage für private Schadenersatzklagen. Der EU obliegt damit eine besonders hohe Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Verfahren, die bereits vor gerichtlicher Überprüfung eine Vielzahl an Konsequenzen mit sich bringen. So wird die private Durchsetzung des Kartellrechts zunehmend gestärkt, indem z. B. Schäden nicht mehr bewiesen werden müssen, sondern vermutet werden können. Dadurch entsteht für betroffene Unternehmen ein hoher Druck zu kostspieligen Vergleichsvereinbarungen, allein um Rechtsfrieden zu erreichen. Zusätzlichen Druck erzeugt die Möglichkeit der Prozesspartei (Klägerin), sich im Kartellrecht den günstigsten Ort für eine Klage zu suchen (sog. „forum shopping“), etwa Gerichte mit den höchsten Schadenersatzansprüchen, einem klägerfreundlichen Prozessrecht (z. B. durch Dokumentenvorlagepflichten), vielen Beweiserleichterungen, oder der Möglichkeit zur Drittfinanzierung der Verfahren, ohne dass das nationale Recht Transparenzvorschriften kennt. Die Urteile sind gleichwohl EU-weit vollstreckbar. Der Wettbewerb der Gerichtsstandorte darf aber nicht auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen werden. Die Haftung und der Schadenersatz für tatsächliche Rechtsverstöße sind für die Wirtschaft selbstverständlich. Aber hier gilt es, Regeln zu finden, die die Verteidigungsmöglichkeit von Unternehmen hinreichend sicherstellen. Private Schadenersatzklagen sollten allein der Entschädigung dienen.

Green Deal und Wettbewerbsrecht: Kooperationen erleichtern, mehr Rechtssicherheit für Unternehmen schaffen (DE+EU)

Im Rahmen des Green Deal sind Kooperationen zwischen Unternehmen – auch auf horizontaler Ebene – besonders bedeutsam, da viele Innovationen für mehr Nachhaltigkeit einer Zusammenarbeit bzgl. Know-how, Finanzkraft und Wettbewerbsfähigkeit bedürfen und anderenfalls Ressourcen nicht nachhaltig eingesetzt werden. Es sollte daher sichergestellt werden, dass Unternehmen nicht aus rechtlicher Unsicherheit – etwa wegen möglicher wettbewerbsrechtlicher Sanktionierung – von derartigen Kooperationen absehen. Hierfür ist es erforderlich, dass Unternehmen Rechtssicherheit erhalten, z. B. in Form von Kommissions- bzw. Kartellamtsschreiben, wonach die geplante Kooperation auf keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken stößt.

Strukturelle Abhilfemaßnahmen ohne Fehlverhalten eines Unternehmens auf den Prüfstand stellen, kein Muster für neue EU-Competition Tools (DE+EU)

Durch die elfte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (11. GWB-Novelle) hat das Bundeskartellamt 2023 sehr weitgehende Eingriffsinstrumente erhalten, mit denen es - im Anschluss an Sektoruntersuchungen - gegen „Störungen des Wettbewerbs“ vorgehen kann. Diese Störungen des Wettbewerbs sind jedoch nicht definiert. Die Anordnung struktureller Abhilfemaßnahmen durch das Bundeskartellamts kann sich damit nunmehr auch gegen Unternehmen richten, denen kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist und die durchgehend rechtmäßig gehandelt haben. Mögliche behördliche Maßnahmen – wie etwa die Vorgabe konkreter Preis- und Vertragsgestaltung bis hin zur Entflechtung von Unternehmen – können dabei sehr stark in die unternehmerische Freiheit der Unternehmer eingreifen. Es gibt deutliche Zweifel an der Verfassungs- und Europarechtskonformität des Gesetzes. Die gesetzgeberische Entscheidung, durch eine Behörde und nicht durch den Gesetzgeber in die unternehmerische Freiheit rechtmäßig handelnder Unternehmen einzugreifen, sollte daher auf den Prüfstand gestellt werden.

Keinesfalls sollten diese Fehlentwicklungen des deutschen GWB auf die EU-Ebene übertragen werden – gerade, weil es noch keine Erfahrung und Evaluierung der gerade erst in Kraft getretenen deutschen Regelung gibt. Die EU hatte sich erst kürzlich bewusst gegen ein vergleichbares New Competition Tool (NCT) entschieden und stattdessen den Digital Markets Act (DMA) verabschiedet. Diese Entscheidung gegen das New Competition Tool sollte nicht ohne Faktengrundlage und ohne nachgewiesene tatsächliche Notwendigkeit revidiert werden; auch nicht für einzelne Sektoren.

Gleichbehandlung bei der Erbringung von Daseinsvorsorge herstellen - Wettbewerb vor Rekommunalisierung (DE)

Vor allem in den Bereichen Energieversorgung, Telekommunikation und Abfallwirtschaft erfolgten in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreiche Liberalisierungsschritte. Immer wieder wird regional jedoch eine Rekommunalisierung diskutiert. Dabei muss beachtet werden, dass das Steuerrecht Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten privater Unternehmen verursachen kann, wenn öffentliche Unternehmen im Gegensatz zu privaten Wettbewerbern Leistungen zum Teil umsatzsteuerfrei anbieten können.

Leistungen der Daseinsvorsorge können häufig auch private Unternehmen anbieten. Entscheidend ist, dass die Leistungen der Daseinsvorsorge bestmöglich erbracht werden. Dabei spielen neben der konkreten Betrauung z. B. ein flächendeckendes Angebot, aber auch der Wettbewerb um Kosten, Qualität und die nachhaltige Erbringung der Leistungen eine große Rolle. Sind öffentliche und private Unternehmen auf demselben Markt tätig, sollte der Wettbewerb fair sein, und alle Unternehmen sollten sowohl steuerrechtlich wie kartellrechtlich gleichbehandelt werden.

Öffentliches Auftragswesen schlank gestalten - nur ein bieterfreundliches Vergaberecht dient dem Wettbewerb (DE+EU)

Das Vergaberecht wird sowohl von öffentlichen Auftraggebern als auch von Unternehmen als Bietern häufig als schwerfällig, bürokratisch und rechtlich zersplittert empfunden. Die Zahlen der Bieter bei Vergabeverfahren gehen dramatisch zurück. Bei Überlegungen zur Vereinfachung und Beschleunigung wird vielfach ausschließlich die Erhöhung der Schwellenwerte als Lösung vorgeschlagen. Dies greift aus Sicht der Wirtschaft zu kurz und konterkariert teilweise die grundlegenden Ziele des Vergaberechts. Diese sind: wirtschaftliche Beschaffung unter den Rahmenbedingungen von Transparenz, Wettbewerb und Korruptionsprävention. Mehr Wettbewerb durch mehr Angebote von Bietern erreicht man nur, wenn die Vergabeverfahren insgesamt bieterfreundlicher gestaltet werden.

Eine wettbewerbsförderliche Ausgestaltung beginnt bei gezielter Vereinheitlichung auf den unterschiedlichen gesetzlichen Ebenen und mehr Professionalisierung und Know-how bei den öffentlichen Auftraggebern. Fast jedes Bundesland hat eigene Vorschriften, welche Kriterien zusätzlich zu Preis und Qualität bei der Beschaffung zu berücksichtigen ist. Zudem unterscheiden sich die Wertgrenzen, ab denen öffentlich, beschränkt oder überhaupt ausgeschrieben wird.

Klare, nachvollziehbare und unter den Bundesländern abgestimmte Regeln und Verfahren helfen den Unternehmen und letztlich den öffentlichen Auftraggebern.

Der Wettbewerb der Unternehmen würde durch ein bundesweites, verpflichtendes Veröffentlichungsmedium für öffentliche Aufträge – auch unterhalb der EU-Schwelle – gestärkt. International sollte auf Reziprozität hingewirkt werden, dass also deutschen Unternehmen bei ausländischen Ausschreibungen die gleichen Chancen eingeräumt werden wie ausländischen Unternehmen bei deutschen Ausschreibungen.

Öffentliches Auftragswesen nicht durch strategische Ziele überfrachten (DE+EU)

Öffentliche Auftragsvergabe wird zunehmend an politisch erwünschtes Wirtschaften der Auftraggeber geknüpft, sei es durch zusätzliche gesetzliche Auflagen in Bezug auf soziale, ökologische, sei es bezogen auf Tariftreue oder Menschenrechts-Aspekte. Schon jetzt ist es so, dass durch das Ziel sog. „strategischer Beschaffung“ (u. a. Nachhaltigkeit, Innovation, Menschenrechte) die Anforderungen in Ausschreibungen häufig so umfangreich und detailliert gefasst sind, dass sie für sehr viele Betriebe in der Praxis nicht erfüllbar sind. Das gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Gesetzliche Vorgaben sind überflüssig, da die Berücksichtigung solcher Aspekte schon auf Basis des bisherigen Rechts möglich ist. Strategische Vorgaben bei öffentlichen Aufträgen sollten nicht zwingend vorgeschrieben werden. Sie sind nach Ansicht der Mehrheit der Unternehmen zudem nur dann mit Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb vereinbar, wenn sie auftragsbezogen sind und wenn sie vom öffentlichen Auftraggeber auch kontrolliert werden können. Weder das bietende Unternehmen noch die einzelne Vergabestelle wird in der Regel die Einhaltung umfassender Bedingungen an den Produktionsprozess und die Zulieferkette bei globalen Wertschöpfungsketten ausreichend kontrollieren können. Dementsprechend sollten solche umfassenden Bedingungen in Ausschreibungen auch nicht gefordert werden. Dabei dürfen nach dem sog. „think small first“-Prinzip der EU strategische Ziele nicht dazu führen, KMU praktisch von vielen Vergabeverfahren auszuschließen.

Regelungen zu nachhaltigen Produkten angemessen gestalten (DE+EU)

Nachhaltige Produkte sollen nach Willen der EU zur Norm, politisch unerwünschte Produktgestaltungen verhindert werden. Richtig wäre aus Sicht der Wirtschaft, Verbraucher und Kunden besser über die Nachhaltigkeit von Produkten zu informieren und so vor un-zuverlässigen oder falschen Umweltaussagen zu schützen. Denn für Unternehmen sind Transparenz und Wahrheit mit Blick auf nachhaltige Produkte als Grundgedanken wichtig.– Regelungen hierfür gibt es aber größtenteils schon. Dennoch hat die EU überaus detaillierte Regelungen auf den Weg gebracht. Hier sollten einerseits die Anforderungen an die Informationspflichten nicht unangemessen ausgeweitet werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Nutzen der jeweiligen Information für den Verbraucher gering bis verwirrend, aber die Belastung der Unternehmen hoch ist. Andererseits sollte auch bei nachhaltigen Produkten der bewährte Maßstab unzulässiger Irreführung nicht einseitig zu Lasten der Unternehmen verändert werden.

Es droht eine Überregulierung für Werbung mit Umweltaussagen durch per-se-Verbote und eine Pflicht zur vorherigen Genehmigung von Werbeaussagen durch eine Behörde. Per-se-Verbote sind auf ihre Notwendigkeit zu prüfen. Vorab-Genehmigungsverfahren für solche Werbung mit Umweltaussagen werden seitens der Wirtschaft vollständig abgelehnt. Aufwand-Nutzen-Relation und die Verhältnismäßigkeit müssen im Blick behalten werden. Werbemöglichkeiten mit Green Claims müssen auch für KMU möglich sein und dürfen nicht an finanziell kostspieligen bis prohibitiven Zulassungsverfahren scheitern. Eine Überforderung der Unternehmen führt erwartbar zu sog. „Greenhushing“, dem gänzlichen Verzicht auf Werbung mit Nachhaltigkeit. Wenn für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen nicht mehr geworben werden kann, dann wird dies auch Auswirkungen auf Innovationen in diesem Bereich haben und wird die erwünschte Wirkung verfehlt.

Für legale Produkte muss legal geworben werden können (DE+EU)

Tabak, Alkohol oder „ungesunde“ Lebensmittel: In der Diskussion wird schnell der Ruf nach Werbeverboten laut. Solange aber Produkte nicht gesetzlich verboten sind, müssen Unternehmer für diese legalen Produkte legal werben können. Der Staat sollte am Leitbild des mündigen und informierten Verbrauchers festhalten. Bei vulnerablen Gruppen ist es zwar wichtig, zielgerichtete und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, diese dürfen aber nicht zu unangemessenen Schäden bei Unternehmen führen, die über das eigentlich Schutzziel hinausgehen. Diese Maßgaben gelten auch bezüglich des sog. „nudging“, da legale unternehmerische Verhaltensweisen auch nicht indirekt von staatlicher Seite als illegitim behandelt und gesteuert werden sollten. Soweit sog. dark patterns“, d.h. Design, das darauf ausgelegt ist, den Benutzer zu Handlungen zu verleiten, die dessen Interessen entgegenlaufen, gesetzlich geregelt werden sollen, ist zu prüfen, ob und inwieweit es einer Regelung bedarf. Meist sind solche manipulativen Gestaltungen bereits mit den bestehenden Regelungen unvereinbar.

Verbraucherschutzdurchsetzung zivilrechtlich belassen (DE+EU)

In vielen Bereichen des Wirtschaftsrechts hat sich in Deutschland die private Rechtsdurchsetzung („private enforcement“) als effizient und erfolgreich erwiesen. Im Zusammenhang mit der bisher in Deutschland zivilrechtlich erfolgenden Rechtsdurchsetzung von Ver-braucherschutzrecht, z. B. dem Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb oder Unterlassungsklagengesetz, wird dennoch vermehrt über zusätzliche behördliche Durchsetzung („public enforcement“) diskutiert. Erfasst werden vielfältige Bereiche des Zivilrechts, bis hin zur Vertragsgestaltung (Zahlungsverzugverordnung).

So unternimmt die EU-Kommission seit vielen Jahren in verschiedenen verbraucher-schützenden Regelungen immer wieder Schritte, Details der Sanktionierung in Form von behördlichen Bußgeldern europaweit vorzuschreiben. Für den Binnenmarkt ist es aber ausreichend, dass das Recht durchgesetzt wird und dass es effektive Sanktionen gibt – woran es vor allem bei der Kommission in Bezug auf die Vertragsverletzungsverfahren mangelt (vgl. Kapitel „Binnenmarkt“).

Die zivilrechtliche Durchsetzung durch Wettbewerbsvereine, IHKs, Verbraucherschutzvereine und Wettbewerber insbesondere im Wettbewerbsrecht (UWG) funktioniert effektiv, schnell und kostengünstig. Missstände, die eine Verbraucherschutzbehörde sowohl grenzüberschreitend als auch national besser bewältigen könnte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr droht mit einer Verbraucherschutzbehörde ein weiteres Nadelöhr mit Abgrenzungsproblemen und politischen Prioritäten, so dass Wettbewerbsverstöße weniger zügig als bisher sanktioniert würden – zum Nachteil auch von Wettbewerbern.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Hildegard Reppelmund (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Binnenmarkt: Europas Herzstück verwirklichen, offene Grenzen bewahren

Der Europäische Binnenmarkt ist Herzstück und Antrieb für die europäische Wirtschaft. Als größter Binnenmarkt der Welt bietet er ein beispielloses Potenzial. Er fördert die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Wohlstand im Inneren der EU und stärkt ihre Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit nach außen.

Aus Sicht der deutschen gewerblichen Wirtschaft ist der EU-Binnenmarkt jedoch noch immer nicht vollendet, sondern an vielen Stellen weiterhin fragmentiert. Damit der freie grenzüberschreitende Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital auch zwischen den Mitgliedstaaten in der Praxis gut funktioniert, gilt es noch immer vielfältige verbleibende Barrieren und Hindernisse abzubauen. Der Binnenmarkt als freier und integrierter gemeinsamer Markt ist für sich ein ausdrückliches Ziel der Union und sollte nicht zur Erreichung von sonstigen Zielen der EU instrumentalisiert oder beschränkt werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Den Binnenmarkt als freien Markt erhalten (EU)

Das volle Potenzial des EU-Binnenmarkt kann sich dann entfalten, wenn die EU und die Mitgliedstaaten sich wieder auf den dem Binnenmarkt zugrundeliegenden Kerngedanken besinnen – einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb. Damit unvereinbar sind alle Instrumente einer regulierten Wirtschaft, bspw. die Bildung strategischer Reserven im Zugriff der EU, die Erstellung von Verzeichnissen der wichtigsten Wirtschaftsteilnehmer, die Pflicht zur Annahme prioritärer Aufträge und an Unternehmen gerichtete verpflichtende Auskunfts- und Informationsersuchen. Diese Tendenzen werden von vielen Unternehmen kritisch gesehen. Auch und gerade in potenziell bevorstehenden Krisenzeiten gilt es so weit wie möglich auf Freiwilligkeit zu setzen. Instrumente zur Bewältigung von zukünftigen Krisen müssen effektiv und verhältnismäßig gestaltet sowie umgesetzt werden.

Offene Grenzen wahren und Einschränkungen des Binnenmarktes minimieren (EU)

Offene Grenzen innerhalb der Europäischen Union bleiben wichtigste Voraussetzung für die Vollendung des Binnenmarkts. Aus-nahmsweise notwendige Grenzkontrollen, etwa im Schenge-Raum, sollten den grenz-überschreitenden Verkehr von Unternehmen möglichst wenig einschränken. Eine komplette Grenzschließung, wie zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020, darf sich nicht wiederholen. Gemeinsames Ziel von Union und Mitgliedstaaten sollte es sein, Diskriminierungen und Beschränkungen für den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr abzubauen. Die hierfür eingesetzte „Single Market Enforcement Taskforce“ (SMET) sollte ergebnisorientiert, transparent und unter enger Einbindung von Stakeholdern aus der Wirtschaft arbeiten.

Außergerichtliche Streitbeilegung ermöglichen (DE+EU)

Der Wettbewerb gilt auch für die komplementären Optionen der Streitbeilegung: Neben der durch das Rechtsstaatsprinzip sichergestellten staatlichen Gerichtsbarkeit sollten Verbrauchern und Unternehmen auch alternative Formen der Streitbeilegung als Option zur Verfügung gestellt werden, wobei auch hier der Zugang zum EuGH möglich sein sollte. Die Reform der ADR-Richtlinie über „Alternative Dispute Resolution“ verfolgt diese Ziele bereits teilweise. Das Prinzip der Freiwilligkeit gilt es aber auch auf dem Gebiet der alternativen Streitbeilegung zu erhalten. Obligatorische Schlichtungsverfahren sind hiermit z. B. ebenso unvereinbar wie einseitige Kostentragungspflichten.

Binnenmarkt nicht mit politischen Zielen überfrachten (EU)

Die EU ist eine Rechtsunion – der Binnenmarkt kann sich nur durch klare rechtliche Maßgaben entfalten. Die Überfrachtung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten mit gesellschaftlichen oder sich wandelnden politischen Zielen wird in der Wirtschaft ganz überwiegend sehr kritisch gesehen.

Binnenmarktpolitik sollte sich auf den Kern des Marktes konzentrieren. Beispielhaft dagegen steht die Regulierung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette., Diese solle der EU zufolge allein den Binnenmarkt verwirklichen soll (vgl. Kapitel „Corporate Social Responsibility“). Daher wurde die Binnenmarktnorm des Artikel 114 AEUV als Rechtsgrundlage gewählt und nicht die Normen des Außenhandels, obwohl nahezu ausschließlich internationale Handlungen betroffen sind. Insbesondere der zu erwartende hohe bürokratische Aufwand die aufgeworfenen Haftungsfragen und absehbaren Prozesse werden vom Großteil der Wirtschaft als ernstzunehmende Probleme wahrgenommen.

Besorgniserregend ist insbesondere, dass der Binnenmarkt von der EU selbst nicht mehr als Ort rechtmäßigen Handelns angesehen wird, sondern sich die Sorgfaltspflichten auch auf jeden Handel in der EU beziehen und „Safe-Harbour“-Regelungen abgelehnt werden. Hier gilt es mindestens zeitnah nachzubessern und eine praktisch handhabbare Lösung zu finden.

Konzeptideen, die sich auf den Kern des Binnenmarktes auswirken, wie die einer weiteren, „5. Grundfreiheit“ für den Binnenmarkt, z. B. für Daten oder allgemeiner „Wissen“, sind mit großen rechtlichen Unsicherheiten verbunden und sollten nicht zu einer noch stärkeren Politisierung des EU-Binnenmarktes führen. Der Binnenmarkt ist primär als freier Markt zu bewahren und fortzuentwickeln.

Sicherung der Subsidiarität auch bei den Handlungsformen (EU)

Noch immer sind grenzüberschreitend tätige Unternehmen zahlreichen Barrieren und Hindernissen ausgesetzt ( Siehe DIHK-Umfrage zu Binnenmarkthindernissen 2024). Auch braucht die EU bei vielen neuen Entwicklungen gemeinsame Regeln, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle sicherzustellen. Die Harmonisie-rung von nationalen Regelungen und die Angleichung technischer Standards kann zur Herstellung eine „level playing fields“ beitragen.

Harmonisierung darf dabei jedoch nicht zum Selbstzweck werden. Sie fördert dann den Binnenmarkt, wenn der wirtschaftliche Nutzen neuer einheitlicher EU-Regelungen höher ist als die damit entstehenden Kosten und Pflichten. Dies gilt z. B. auch für das In-solvenzrecht, mit dessen angestrebter vollständiger Harmonisierung letztlich eigenständige Politikziele verfolgt werden, die allenfalls einen untergeordneten Bezug zum Funktionieren des Binnenmarkts aufweisen. Notwendig ist, soweit erforderlich, immer eine gezielte sektorspezifische Harmonisierung. Dabei sind mitgliedstaatliche Handlungsräume schützenswert – vielfach bedarf es nur besserer und einheitlicher Umsetzung z. B. von Richtlinien, nicht jedoch unmittelbar anwendbarer und zwingender europäischer Normierung und damit verbundener behördlicher, vielfach europäischer Kontrolle.

Der kumulative Effekt einzelner Regelungen, die für sich genommen gute Ziele verfolgen mögen, erdrückt die Unternehmen zunehmend– insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeit und im Zusammenhang mit Berichtspflichten. Auch müssen Gesetzgebungsvorhaben besser auf ihre Kohärenz mit bestehenden und geplanten Initiativen untersucht werden (vgl. Kapitel „Bürokratieabbau und Besseres Recht“).

Das Subsidiaritätsprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stärken (EU)

Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten allein begründen keine europäischen Eingriffe in die nationalen Rechts- und Wirtschaftssysteme.

Die Binnenmarktnorm des Artikel 114 AEUV darf nicht zur Generalklausel werden, mit der die EU jeden Wirtschaftsbereich, auch soweit sie nur Koordinierungskompetenz wie etwa im Gesundheits- und Bildungssektor besitzt, detailliert regulieren könnte. Aus Sicht der Wirtschaft ist es zur Planung und Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen wichtig, die von den EU-Verträgen vorgesehene Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten zu wahren. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit führen dazu, dass es keinen grundsätzlichen Vorrang von Verordnungen gegenüber Richtlinien gibt, sondern die Regulierung des Themas auf EU-Ebene ebenso wie Wahl des rechtlichen Instruments im Einzelfall begründet werden müssen.

Aus diesem Grund sind auch keine Regulierungen angezeigt, mit denen die EU ergebnisorientiert und punktuell in die in nationaler Kompetenz liegenden Zivilrechtsordnungen eingreift („discovery“, Strafschadenersatz, Beweislastumkehr).

Neue behördliche Strukturen und staatliche Eingriffe in das Zivilrecht lehnt die Wirtschaft strikt ab. Die Privatrechtsgesellschaft ist ebenso wie die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu achten.

Auf dem Weg zur Vollendung des EU-Binnenmarktes ist neben der Harmonisierung das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung bei gleichzeitiger Achtung der nationalen bzw. der regionalen Identität wichtiges Instrument.

Den freien Wettbewerb besser schützen (EU)

Zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen bedarf es einer gleichermaßen konsequenten Umsetzung des Rechts sowohl auf der Ebene aller EU-Mitgliedstaten durch die nationalen Behörden und Gerichte als auch der unpolitischen Kontrolle durch die EU-Kommission. Ein besserer, weil effizienter Gebrauch des Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission könnte hier eine wichtige Rolle spielen. Bei der Entscheidung über die Einleitung und des Durchlaufens des Vertragsverletzungsverfahrens, welches im Ermessen der Kommission steht, sollte sich diese ausschließlich als Hüterin der Verträge verstehen und sich an rechtlichen Erwägungen orientieren. Es könnte so zu der für Unternehmen wichtigen Rechtssicherheit und vor allem Einheitlichkeit des Binnenmarktes im Sinne eines „level playing fields“ in der gesamten EU beitragen. Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit im Binnenmarkt, darin enthalten die verlässliche Durchsetzung des Rechts, sind zentrale Standortfaktoren für grenzüberschreitende Investitionen innerhalb der EU.

Die Umsetzung von europäischem Recht rechtssicher und verhältnismäßig gestalten (DE+EU)

Bei der Umsetzung europäischer Normen ist es wichtig, dass sie hinreichend rechtssicher und klar sind. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die unklaren Kriterien des Digital Services Act (DSA) zu beanstanden, z. B. der Verweis auf „illegale“ Inhalte, die aber nach Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Diese Unsicherheiten belasten Unternehmen, zumal bei Rechtsirrtümern erhebliche Sanktionen drohen.

Bürokratieabbau und Harmonisierung technischer Standards für einen Dienstleistungs- und Warenverkehr ohne Beschränkungen vorantreiben (EU)

Der wachsende Umfang an Anzeige-, Melde, Statistik-, Nachweis- und Informationspflichten kann den Warenverkehr stark einschränken. Vorgaben für Dienstleistungser-bringer, z. B. in Bezug auf Sprachkenntnisse, sollten wo möglich reduziert werden. Administrative Anforderungen bei der Arbeitnehmerentsendung sollten abgebaut und innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht werden. Auch die A1-Bescheinigung, welche bei den Mitgliedstaaten unterschiedliche, vielfach überflüssige bürokratische Anforderungen und Prozesse aufstellt, wird überaus häufig von den Unternehmen als Beispiel für unverhältnismäßige Bürokratie und großes Hemmnis genannt (vgl. Kapitel „Bürokratie-abbau und Besseres Rechts“).

Zur Förderung des freien Warenverkehrs sollten (u. a. technische) Standards möglichst EU-weit harmonisiert und kostengünstig zugänglich werden. Um den grenzüberschreitenden Versandhandel nicht zu hemmen, müssen europäische Verpackungsvorschriften im B2C– Bereich durch die Mitgliedstaaten einheitlich umgesetzt werden. Die Belastung von Unternehmen durch immer neue nationale Registrierungsvorschriften und Pflichten zur Benennung von Bevollmächtigten sollten minimiert werden. Informationen und Verwaltungsverfahren müssen zukünftig in allen Mitgliedstaaten online und neben der jeweiligen Landessprache zumindest auch in englischer Sprache zur Verfügung gestellt werden.

Die digitale Verknüpfung von Verwaltungsverfahren vorantreiben (DE+EU)

Der sog. „Einheitliche Ansprechpartner“ sollte europaweit möglichst gleich ausgestaltet und beworben werden. Außerdem muss er rechtlich so ausgestattet sein, dass er alle unternehmensrelevanten Prozesse anstoßen und begleiten kann. Das „Single Digital Gateway“ ist ein Anfang. In der Zukunft sollten möglichst alle Verwaltungsverfahren, die beim grenzüberschreitenden Wirtschaften relevant sind, online durchgeführt werden können. Voraussetzung hierfür ist eine verlässliche, datenschutzkonforme und den Persönlichkeitsschutz wahrende digitale Identität für natürliche Personen und für Unternehmen.

Hierzu sind konsequentes Denken in End-to-End-Prozessen sowie Softwarearchitekturen entsprechend SaaS (Software as a Service) notwendig. Jeder Service muss konsequent auf Automatisierungspotenziale untersucht werden. Diese Vorgaben sollte der Gesetzgeber für die öffentlichen Verwaltung formulieren. Neben digitalen Lösungen sollte für Unternehmen überdies möglichst auch zu-sätzlich eine schriftliche, telefonische oder persönliche Verfahrensabwicklung zur Verfügung stehen.

Effektiver Investitionsschutz stärkt den Binnenmarkt und nutzt der Nachhaltigkeit (EU)

De facto ist der Binnenmarkt aus Sicht der Wirtschaft erst vollendet, wenn Geschäfte mit Kunden in anderen EU-Mitgliedsstaaten so einfach sind, wie mit Kunden innerhalb des eigenen Mitgliedstaates. Immer noch sind einzelne Unternehmen durch Eingriffe u. a. in ihren Eigentumsrechten oder der Berufsausübung betroffen – ohne hinreichenden nationalen Rechtsschutz. Dies betrifft besonders die Rechtssicherheit von Investitionen in innovative, langfristige und mit hohen Risiken behaftete Projekte, etwa auch bei regenerativen Energien.

2020 wurden auf Initiative der EU alle bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten (Intra-EU-BITS) beendet. Grenzüberschreitend investierende Unternehmen haben seitdem keine Möglichkeiten mehr, Rechtsstreitigkeiten mit dem fremden Staat im Kontext der Investition vor einem unabhängigen Schiedsgericht auszutragen, sondern werden zwingend an die staatlichen Justizsysteme verwiesen. Die EU versucht zudem, europäischen Unternehmen die Nutzung von völkerrechtlichen internationalen Investitionsschutzverfahren, z. B. im Rahmen der Weltbank (ICSID) zu erschweren, z. B. indem sie darauf hinarbeitet, aus völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen auszutreten sowie auch extraterritorial in Investitionsschutzverfahren gegen europäische Unternehmen auftritt.

In vielen Mitgliedstaaten, aber auch international dauern Gerichtsverfahren lange und finden in politisierten Kontexten etwa im Energierecht statt.

Zusätzlich attestiert die EU-Kommission sogar selbst in ihrem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht und insbesondere dem zugehörigen Justice-Scoreboard diversen mitgliedstaatlichen Justizsystemen erhebliche Defizite. Der Verweis auf nationalen Rechtsschutz bei dessen gleichzeitiger Einordnung als ungenügend wird von Unternehmen als Signal gegen die Investitionssicherheit am Rechtsstandort EU gewertet. Einerseits müssen diese Defizite konsequent behoben werden, begleitet durch eine Neubewertung des völkerrechtlichen Schutzes, der europäischen Besonderheiten vorgeht. Andererseits braucht es zusätzlich konkrete – und auch für KMU zugängliche – Nachfolgemechanismen im Bereich des Investitionsschutz. Viele Vorschläge, darunter ein multilaterales Investitionsgericht, werden von Unternehmen aufmerksam begleitet, sind aber nur langfristig realisierbar. Andere wie eine Investitionsschutzverordnung könnten zeitnah Rechtsschutz vermitteln. Soweit sich europarechtliche Fragestellungen ergeben, sollten auch für Schiedsgerichte Wege gefunden werden, den Europäischen Gerichtshof einzuschalten. Eine Investitionszurückhaltung würde demgegenüber auch für den europäischen Green Deal wichtige Projekte gefährden.

Ansprechpartner/-innen in der DIHK:

Dr. Julia Schmidt (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Isabel Blume (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Dr. Christian Groß (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Mittelstand stärken: Unternehmertum nachhaltig unterstützen

Der Mittelstand ist eine starke Säule der deutschen und europäischen Wirtschaft. Kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) stellen in Deutschland und der EU mehr als 99 Prozent aller Unternehmen und deutlich mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft.

Die Wirtschaft in der Breite braucht wachstums- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen. Zwar ist eine zunehmende Zahl von mittelständischen Unternehmen grenzüberschreitend aktiv. Oftmals können diese Unternehmen aber Standortnachteile nicht oder nur mit höheren relativen Kosten durch einen Auf- oder Ausbau von Standorten im Ausland kompensieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Belastungen etwa durch Bürokratie treffen den Mittelstand besonders. Angesichts der aktuellen großen Herausforderungen wie des starken Fachkräftemangels, der geopolitischen Spannungen, des energie- und klimapolitischen Transformationsprozesses und einer hohen Bürokratiebelastung benötigen die Unternehmen mehr unternehmerische Freiheiten und einen größeren Spielraum. mit einem breiten technologieoffenen wirtschaftspolitischen Ansatz als vordringlich an. Die Unternehmensbefragungen der IHK-Organisation zeigen, dass aus Sicht der Unternehmen weniger die selektiven und oft auch bürokratischen (Förder-)Maßnahmen von hohem Interesse sind, sondern eher klare, marktorientierte Rah-menbedingungen. Das gilt auch für die Sicherung der immer schwieriger werdenden Suche nach einer geeigneten Unternehmensnachfolge.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Dem Mittelstand wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen bieten (DE+EU)

Der Mittelstand braucht in erster Linie wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, die den kleinen und mittelgroßen Unternehmen ermöglichen, in hart umkämpften Märkten erfolgreich zu sein. Kern des Unternehmertums ist dabei: in die Zukunft investieren und dabei erhebliche Risiken eingehen. Dies prägt vor allem die eigentümer- und familiengeführten Unternehmen.

Wenn es um konkrete Forderungen an die Politik geht, steht der Abbau unnötiger Bürokratiebelastung regelmäßig an erster Stelle der Agenda. Das gilt insbesondere auch für Pflichten, die aus dem jüngst in Brüssel verabschiedeten EU-Lieferkettengesetz und der nationalen Umsetzung der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung folgen (vgl. Kapitel „Bürokratieabbau“,„Sustainable Finance“ und „Binnenmarkt“). Die im internationalen Vergleich hohe Steuerbelastung der Unternehmen ist ein weiterer wesentlicher Hemmfaktor für den Mittelstand. Positive Anreize könnte die Politik hier setzen, wenn die steuerliche Begünstigung bei den im Betrieb einbehaltenen und reinvestierten Gewinne verbessert würde und so die steuerliche Behandlung von Eigenkapital Personen-unternehmen und Kapitalgesellschaften angeglichen würde (vgl. Kapitel „Steuerpolitik“).

Wertschätzung für Unternehmertum erhöhen (DE)

Das Verständnis für unternehmerisches Handeln sollte durch einen intensiveren und stetigen Dialog zwischen Unternehmen, Medien, Regierungen, Parlamenten, Finanzierungspartnern und Verwaltungen verbessert werden. Das stärkt Gründungen, innovative Start-ups sowie mittelständische Unternehmen und erhöht die Wertschätzung für das Unternehmertum. Vor allem im Kontext der Digitalisierung ist ein besseres Verständnis für sich wandelnde Geschäftsmodelle und veränderte Finanzierungserfordernisse und -möglichkeiten bei allen gründungsrelevanten Akteuren erforderlich. Programme zur Hospitation von Politikern bei Unternehmen könnten hierzu beitragen.

Wirtschaftskompetenz und Unternehmertum fördern (DE)

Denn mit „Wirtschaft“ und „Unternehmertum“ kommen sie aus Sicht der Wirtschaft auf ihrem Bildungsweg noch zu wenig in Kontakt. Diese Themen sollten mit Blick auf die Ausbildungsstartkompetenz bundesweit in der Bildung mehr Beachtung finden. So sollten Voraussetzungen geschaffen werden, um ein wirtschaftliches Grundverständnis und unternehmerisches Denken und Handeln zu vermitteln. Betriebe plädieren für mehr Angebote im schulischen Kontext zur Förderung von Unternehmertum, z. B. durch Schülerfirmen und Gründungswettbewerbe. Ein frühzeitiges Verständnis für wirtschaftliche Themen und unternehmerische Bildung ist mit Blick auf die Fachkräftesicherung ein wichtiger Baustein, auch im Bereich Unternehmertum, Gründung und Unternehmensnachfolge. Know-how und Interesse am Unternehmertum erhöhen Gründungschancen. Die Wissensvermittlung und Motivation zur Unternehmensgründung und -nachfolge sollten intensiviert und vorhandene Initiativen vernetzt werden. Die stärkere Vermittlung von wirtschaftlichen Zusammenhängen dürfte zu einem realistischeren Unternehmerbild beitragen und damit das Klima für Unternehmertum insgesamt verbessern. (vgl. Kapitel „Fachkräftesicherung - Berufliche Bildung stärken - Potenziale heben“). Hochschulen sollten viel häufiger Ausgründungen begleiten - auch mit Partnern aus der Wirtschaft. IHKs könnten hierbei als Mittler auftreten.

Unternehmensübergaben und -übernahmen erleichtern (DE)

Die Zahl von „Altinhabenden“ auf Nachfolgesuche, die sich von ihrer IHK unterstützen lassen, bewegt sich auf Rekordniveau. Die Zahl der Unternehmensangebote übersteigt die Zahl der Nachfragen im IHK-Bereich um ein Mehrfaches. Eine zunehmende Zahl von Nachfolgesuchenden bleibt nichts anderes übrig als ihr Unternehmen zu schließen. Die Politik sollte deshalb das Interesse an Unternehmensnachfolgen stärken und die Rahmenbedingungen für Unternehmen attraktiver gestalten. Insbesondere sollte die Erbschafts- und Schenkungsteuer eine belastungsfreie Übertragung des Betriebsvermögens auf die nächste Generation sicherstellen (vgl. Kapitel „Steuerpolitik“).

Mittelstandspolitik auch EU-seitig hohe Priorität einräumen (EU)

Die Europäische Union braucht eine dezidierte KMU-Politik, die von allen Teilen der Kommission beachtet, umgesetzt und verbessert wird.

Dazu zählt eine konsequente Beachtung des “Think Small First”-Prinzips beim Entwerfen von EU-Gesetzen. Auch sollte der “KMU-Test” in sämtlichen Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission verbindlich angewendet werden, um unnötige Belastungen durch EU-Regularien für Unternehmen bereits im Gesetzgebungsprozess zu identifizieren und zu vermeiden. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass Bürokratielasten bei KMU überproportionale Kosten verursachen, das sie nur über geringere Verwaltungsressourcen verfügen als größere Unternehmen, oft müssen die Inhaber den „Papierkram“ selbst erledigen. Entscheidend ist auch eine frühzeitige Einbindung von KMU-Vertretern in den Gesetzgebungsprozess, in Experten- und Beratergremien der EU-Institutionen, um die Erfahrungen und Belange von KMU bei der Politikgestaltung angemessen zu berücksichtigen. Gleichzeitig sind konkrete Maßnahmen zum Abbau aktuell bestehender Belastungen notwendig, im Unternehmensalltag schnell spürbar werden. Ein Beispiel ist hier die Evaluierung regulatorischer Vorgaben und der Abbau unverhältnismäßiger Berichtspflichten (vgl. Kapitel „Bürokratieabbau und Besseres Recht“).

Eine wichtige Funktion könnte die Position des KMU-Beauftragten der EU-Kommission übernehmen. Diese Position sollte so in der „Governance-Struktur“ der Kommission eingebunden werden, dass Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Mittelstands über die verschiedenen Generaldirektionen der EU-Kommission hinweg durchgesetzt werden kann.

Wachstumschancen und größeren Mittelstand (Mid Caps) stärker in den Blick nehmen (EU)

Wachsen KMU in die Kategorie ab 250 Mitarbeitern herein, haben sie eine gute Chance, in größeren Schritten weitere Wachstumspotenziale zu realisieren. Die EU-Kommission sollte die aus dem Jahr 2003 stammenden Schwellenwerte, bis zu denen ein Unternehmen als „KMU“ gilt – Jahresumsatz bis 50 Mio. Euro und Jahresbilanzsumme bis 43 Mio. Euro – deutlich anheben. Die Grenze für die Mitarbeiterzahl sollte die Kommission nach Einschätzung der Mehrheit der Unternehmen auf mindestens 500 anheben. Zumindest sollte für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten eine „Mid Cap“-Kategorie geschaffen werden, um einen vereinfachten Zugang zu Innovations-Programmen der Europäischen Union zu ermöglichen. Die EU-Kommission sollte ihre Programme zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation mittelstandsfreundlich weiterent-wickeln (vgl. Kapitel „Forschung und Innovation“). Verbundene Unternehmen sollten nur dann in die Berechnung des KMU-Status einbezogen werden, wenn sie tatsächlich auch von der konkreten Sonderregelung profitieren. Es sollte ein klares Regel-Ausnahme-Verhältnis geschaffen werden.

Schwellenwerte in der EU-Rechnungslegungsrichtlinie anpassen (EU)

Die Schwellenwerte für die Unternehmensgrößen sollten auch in der EU-Rechnungsl-gungsrichtlinie 2013/34/EU angepasst wer-den. Die finanziellen Schwellenwerte wurden bereits unter Berücksichtigung der Inflationsraten angehoben. Bei den monetären wie nicht-monetären Schwellenwerten der EU-Rechnungslegungsrichtlinie sollten die bisher als „groß“ definierten Unternehmen aus deutscher Perspektive aber als mittelständische Unternehmen eingestuft werden. Der Schwellenwert „Anzahl der Mitarbeitenden“ zur Kennzeichnung großer. Unternehmen sollte nach Einschätzung der Mehrheit der Unternehmen auf mindestens 500 angehoben werden.

Ansprechpartner in der DIHK:

Dr. Marc Evers (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Bürokratieabbau und Besseres Recht: Wirtschaft und Verwaltung von unnötiger Bürokratie befreien – Standort für die Zukunft gut aufstellen

Das Ausmaß an Bürokratie ist zu einem enormen Belastungsfaktor für den Wirtschafts-standort Deutschland und Europa geworden. Hiesige Unternehmen sind mit einer Reihe von Berichts-, Nachweis- und Dokumentationspflichten konfrontiert – und die Zahl der Anforderungen steigt stetig weiter. Nicht nur die Anzahl der Regelungen, auch der Detaillierungsgrad und die Anwendungsbereiche von europäischen Richtlinien und Verordnungen sowie nationalen Regelungen überschneiden sich häufig. In der Wahrnehmung der Unternehmen entfernt sich die Regulierung immer mehr von ihrem Ziel, ein einheitliches, kohärentes und praktikables System zu schaffen.

Im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft und zu den verfügbaren Ressourcen ist die Belastung durch Bürokratie für KMU tendenziell stärker als für größere Unternehmen. In den Umfragen der IHK-Organisation steht die Bürokratiebelastung daher regelmäßig an erster Stelle der Agenda, die die Unternehmen in der Breite an die Politik adressieren. Unternehmen wünschen sich einen spürbaren Abbau von unnötiger Bürokratie. Um Bürokratie spürbar abzubauen, braucht es wirksame Bürokratiebremsen. Zudem sollten bestehende Regelungen bspw. anhand von bewährten Formaten wie den Praxis-Checks evaluiert werden. So könnten auch Verwaltungen, die die Regelungen umsetzen oder kontrollieren müssen, entlastet werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Regulatorische Vorgaben evaluieren und doppelte Informations- und Berichtspflichten abbauen (DE+EU)

Die Wirtschaft benötigt von der Politik einen Befreiungsschlag von der anhaltend hohen Bürokratiebelastung und wieder mehr Vertrauen in die Unternehmen. Angesichts des anhaltenden Trends zu mehr und immer detaillierteren Regelungen sind Initiativen und Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene immer nur ein Schritt. Bürokratieabbau ist jedoch eine Daueraufgabe. Auf nationaler Ebene sollten noch stärker systematische Ansätze zum Bürokratieabbau auf allen staatlichen Ebenen etabliert und stärker ge-nutzt werden. Auf europäischer Ebene sollte eine Bestandsaufnahme der bestehenden Gesetze und den daraus erfolgenden Berichtspflichten durchgeführt werden, um dann Dopplungen abzuschaffen und diese zukünftig zu vermeiden. Darüber hinaus sollte sich die EU-Kommission zu messbaren Bürokratieabbauzielen verpflichten und Bürokratieabbauinitiativen mit einer konkreten Zeitschiene versehen, um Verbindlichkeit und Rechtssicherheit für die Unternehmen sicherzustellen.

Ein Abbau von unnötiger Bürokratie beinhaltet u. a. den Abbau doppelter und unverhält-nismäßiger Berichts- und Informationspflichten, die vollständige Automatisierung von (statistischen) Meldepflichten und schnelle, verbindliche sowie digitale Verwaltungs- bzw. Antragsverfahren.

Aufgrund einer fast nicht mehr zu überschauenden Vielzahl von Informationspflichten, sind z. B. für KMUs Geschäftsabschlüsse insbesondere im grenzüberschreitenden Onlinehandel ohne eine aufwändige Rechtsberatung kaum noch rechtssicher möglich. Der Vereinfachungsbedarf könnte bspw. über einheitliche „Muster“-Formulierungen oder Checklisten der EU-Kommission gedeckt werden. Die unverbindlichen „Muster-Formulierungen“ bzw. „Muster-Formulare“ sollten mit der Maßgabe verbunden werden, dass die Verwendung solcher Musterformulare den gesetzlichen Informations- und Belehrungsanforderungen genügt.

Grundsätzlich sollten Harmonisierungsbestrebungen in der Gesetzgebung einen funktionierenden Binnenmarkt unterstützen (vgl. Kapitel „Binnenmarkt“).

Durch Praxis-, Digital- und KMU-Checks frühzeitig Bürokratie vermeiden (DE+EU)

Gute Rechtssetzung mit klaren und von sich aus verständlichen Regelungen trägt zur Minimierung von Bürokratiekosten bei. Das beginnt schon im Konsultationsverfahren. Die Wirtschaftsakteure sollten daher in Gesetzgebungsprozessen so früh wie möglich über einen „ex-ante Praxis-Check“ eingebunden werden. Dabei brauchen Unternehmen ausreichend Zeit, um Gesetze analysieren und in Stellungnahmen bewerten zu können. Zu kurz bemessene Konsultationszeiten erschweren eine Einbindung der Praxis erheblich. Konsultationen sollten nutzerfreundlicher gestaltet werden. Das betrifft vor allem eine zeitnahe Veröffentlichung der Gesetzes-vorschläge auf EU-Ebene zumindest in den Arbeitssprachen der EU. Die Auswertung sollte ebenfalls transparent gestaltet werden.

Checks bereits bestehender Regelungen („ex-post Praxis-Checks“) sind ein themenspezifisch angewandtes Instrument, um unnötige Bürokratielasten in bestimmten Bereichen zu identifizieren und abzubauen. Dieses Format sollte von allen Bundesministerien eingesetzt und auf die EU-Ebene übertragen werden. Seit 2023 werden in Deutschland Gesetze in ihrem Entwurfsstadium einer Überprüfung auf Digitaltauglichkeit unterzogen und vom Nationalen Normenkontrollrat geprüft (sog. „Digital-Check“). Dieses Konzept sollte das „Regulatory Scrutiny Board“ auf die europäische Ebene übertragen.

Bereits im Vorbereitungsstadium von EU-Gesetzesvorschlägen sollten Möglichkeiten zur Entlastung der Wirtschaft und KMU gesucht und auf eine kohärentere Anwendung des KMU-Tests geachtet werden (vgl. Kapitel zu „Mittelstand stärken“). Im weiteren Gesetz-gebungsprozess sollten bei substanziellen Änderungen durch Rat und Parlament die bisher nur diskutierten „dynamic impact as-sessments“ endlich etabliert werden. Zentral sollte dabei die erneute Prüfung auf KMU-Tauglichkeit sein. Zentral sollte dabei die eine erneute Prüfung auf Mittelstandstauglichkeit KMU-Tauglichkeit sein mithilfe eines weitreichenden KMU-Tests durchgeführt werden (z. B. die sog. „Dynamic Impact Assessment“).

Wirkungen von neuen Regelungen realistischer schätzen – Impact Assessments bei allen wirtschaftsrelevanten Gesetzen durchführen (EU)

Der Anpassungs- und Umstellungsaufwand von bestehenden auf neue Rechtsakte sollte für die Unternehmen minimal gehalten werden. Im Ergebnis sollten Neuregelungen möglichst weniger Bürokratie und Kosten für sie bedeuten. Folgenabschätzungen sollten vor Erlass eines Rechtsakts alle Handlungsoptionen darstellen. Andernfalls sollte der Vorschlag der EU-Kommission für ein Gesetzgebungsvorhaben nicht an das EU-Parlament weitergeleitet werden dürfen.

Sollten im Gesetzgebungsverfahren zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft entstehen, müssen diese im jährlichen Aufwandsbericht der EU-Kommission (sog. „Annual Burden Survey“) stehen. Zusatzbelastungen sollten spätestens am Ende des Folgejahres über ein anderes Gesetzgebungsvorhaben ausgeglichen werden.

Für eine realistische Abschätzung der Bürokratiekosten sollte sowohl die absolute Höhe der Bürokratiekosten als auch ein Bürokratiekostenindex erstellt, veröffentlicht und stets aktualisiert werden. Sowohl der deutsche als auch europäische Index sollten aber nicht nur die Kosten für das Stellen von Anträgen, Durchführen von Kennzeichnungen oder Meldungen zu Statistiken beinhalten, sondern auch Anpassungen von internen Prozessabläufen und Beschaffungen von Waren- und Sachleistungen. Auf EU-Ebene sollte zudem die in den Mitgliedstaaten entstehenden Erfüllungsaufwände angegeben werden.

Bürokratiebremsen wirksam werden lassen (DE+EU)

Sowohl Deutschland als auch die EU-Kommission haben eine sog. „one-in-one-out“-Regelung als Bürokratiebremse eingeführt. Die Wirkung der Bremsen ist bisher allerdings begrenzt. Beide Regelungen sollten wirksamer ausgestaltet und künftig konsequent eingehalten werden.

Von der deutschen „one-in-one-out"-Regel sind umzusetzende EU-Regelungen und Einmalaufwände bislang ausgenommen. Von Ausnahmen sollte abgesehen werden. Die Bundesregierung sollte die Regel ausnahmslos auf alle umzusetzenden europäischen Rechtsakte anwenden.

Auch die EU-Kommission sollte zukünftig bei allen Rechtsakten, die bürokratische Belastungen zur Folge haben, die „one-in-one-out“-Regel anwenden. Die Berechnungen von Be- und Entlastungen sollten anhand eines Scoreboards ausgewiesen werden. Maßnahmen, die mit einer Belastung von Null in die „Annual Burden Survey“ aufgenommen werden, sollten nachvollziehbar begründet werden und eine Ausnahme sein. Sowohl die deutsche als auch die europäische „one-in-one-out“-Regelung sollten in eine „one-in-two-out"-Regel weiterentwickelt werden.

Verständliche, verlässliche und praxisnahe „bessere Rechtsetzung“ (DE+EU)

Gute Gesetze sollten unternehmerische Tätigkeit ermöglichen und sie nicht verhindern. Gesetze sollten verständlich formuliert werden, in der Praxis ohne unnötig hohe Kosten fristgerecht umgesetzt und befolgt werden können. Sie sollten zudem den Rechtsrahmen klarer und verlässlicher machen. Häufige und kleinteilige Änderung von Gesetzen sollte vermieden werden. Dies gilt für alle staatlichen Ebenen. Sowohl in Deutschland als auch in Europa sollten sich Ministerien bzw. Generaldirektionen bei ihren Initiativen im Vorhinein abstimmen, um Überschneidungen zu vermeiden.

Gesetzgeber sollten Gesetze bspw. über Reallabore („Sandboxes“) auf Aktualität und Relevanz prüfen. Das kann u. a. die Aktualität von Schwellenwerten umfassen. Unnötige bürokratische Belastungen könnten so vermieden werden. Mit Auslaufklauseln („Sunset Clauses“) könnte sichergestellt werden, dass Regelungen regelmäßig überprüft werden.

Werden im Vollzug einer Norm von den Betroffenen Defizite ausgemacht, sollte vor dem Beschluss zusätzlicher Regelungen die verbesserte Anwendung bestehender Gesetze stehen. Insbesondere sollten konsequentere, einheitliche und praxisnahe Verfahren ange-wendet werden. Unübersichtlichkeit durch unterschiedliches Landesrecht und uneinheitliche Umsetzung in den Kommunen sollte vermieden werden. Davon würden vor allem bundesweit tätige Unternehmen profitieren.

Außerdem ist eine zeitnahe Anpassung von Gesetzen an die Rechtsprechung wichtig, um Rechtsunsicherheiten für Unternehmen zu vermeiden. Dies gilt besonders dann, wenn Regelungen durch Gerichte als rechtswidrig erklärt werden.

Die einheitliche Umsetzung von Richtlinien und Verordnungen in den Mitgliedstaaten besser kontrollieren und „gold-plating“ vermeiden (DE+EU)

Die Mitgliedstaaten sind zu einer effektiven und transparenten Umsetzung des EU-Rechts verpflichtet. Die Umsetzung sollte von der Kommission als Hüterin der Verträge kontrolliert werden, auch im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens (vgl. Kapitel „Binnenmarkt“). Die Kommission sollte diese Verfahren im Sinne eines fairen Wettbewerbs allein rechtlich bewerten. Eine konsequente und einheitliche Durchsetzung des EU-Rechts in den Mitgliedstaaten stärkt den Binnenmarkt, sie sorgt für fairere Wettbewerbsbedingungen und mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen.

EU-Vorschriften sollte der deutsche Gesetzgeber ohne Zusätze oder Verschärfungen („gold-plating“) umsetzen, um Wettbewerbsnachteile für die hiesigen Unternehmen zu verhindern. Damit dies gewährleistet wird, sollte der Aufgabenbereich des Nationalen Normenkontrollrats um einen „gold-pla-ting“-Check ergänzt werden. Über diesen Check sollten die Bundesministerien festhalten, wenn und wieso sie bei der Umsetzung von EU-Recht über die Anforderungen hinausgehen.

Ansprechpartner/-in in der DIHK:

Benjamin Baykal (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Sandra Zwick (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Unternehmensfinanzierung: Neue Möglichkeiten erschließen, bewährte Wege bewahren

Mit dem Ende der Niedrigzinsphase sind die Kosten der Unternehmensfinanzierung deutlich gestiegen. Gleichzeitig steigt die Notwendigkeit für Unternehmen in Innovationen, ihre Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu investieren. Vor diesem Hintergrund sollten die Strukturen und Regulierungen im Finanzsystem so ausgerichtet werden, dass die für die Investitionen notwendige Finanzierung zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung steht.

Die Kapitalmarktunion in Europa kann dafür neue Möglichkeiten erschließen. Gleichzeitig werden die Bedingungen für die dominante Finanzierungquelle, die Bankkredite, regulatorisch kontinuierlich verschlechtert. Es gilt deshalb, einen Ausgleich zwischen Kapital-markt und Bankenkredit, Finanzstabilität und Investitionen sowie großen und kleinen sowie mittleren Unternehmen im Sinne eines investitionsfreundlicheren Umfeldes zu erreichen. Dazu sollten auch neue technische Möglichkeiten erschlossen und administrative Hürden gesenkt werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Ausgleich zwischen Finanzstabilität und Finanzierung von Investitionen verbessern (DE+EU)

Die Regulierung seit der Finanzkrise 2008 hat die Finanzstabilität in Europa deutlich erhöht. Diese Stabilität ist eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung. Gleichzeitig wird die Finanzierung durch die Basel-Ill-Finalisierung / „Basel IV" und weitere Vorhaben weiter erschwert. Das wird vor allem die Mittelstandsfinanzierung und Finanzierung der kleineren Unternehmen einschränken, denn die Kreditvergabe wird für die Kreditinstitute teurer und weniger attraktiv. Bestimmte Geschäfte wie die Start Up-Finanzierung sind für überwachte Banken unter diesen Bedingungen kaum noch möglich und wandern zu weniger überwachten Schattenbanken ab. Diese Entwicklung sollte aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft geändert werden. Die Auswirkungen der re-gulatorischen Anforderungen auf die Unternehmensfinanzierung sollten laufend evaluiert und bei Bedarf mit Blick auf die notwendigen Investitionen und Finanzierungsspielräume der Unternehmen angepasst werden.

Proportionalität der Regulierung wieder herstellen (DE+EU)

Das Ausmaß der Finanzmarktregulierung sollte der Komplexität und dem Risikogehalt der betriebenen Geschäfte stärker Rechnung tragen (Proportionalitätsprinzip). Regionale Kreditinstitute benötigen nicht die gleiche, komplexe Regulierung wie international agierende Häuser. Eine komplexe Regulierung gefährdet die langfristige Investitions-, ebenso wie die laufende Betriebsmittelfinanzierung insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Deshalb sollte bei der aufsichtsrechtlichen Praxis der Finanzmarktregulierung die Größe und die Ausrichtung von Instituten stärker berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Vorgaben für die realwirtschaftlichen Unternehmen, insbesondere im Bereich der Offenlegung von finanziellen und nicht-finanziellen Kennzahlen. Auch hier sollte die Größe und Wesentlichkeit der Unternehmen stärker berücksichtigt werden und eine strenge Fokussierung auf risikorelevante Sachverhalte vorgenommen werden.

Einen europäischen Kapitalmarkt schaffen, ohne die Subsidiarität zu beeinträchtigen (DE+EU)

Eine europaweite Spar- und Investitionsunion, die Banken- und Kapitalmarktfinanzierung leichter zugänglich macht, kann den Unternehmen in Deutschland helfen. Eine Kapitalmarktunion könnte insbesondere die Finanzierung von Gründungen, Unterneh-mensnachfolgen und Restrukturierungen stärken. Gerade für die Start Up-Finanzierung kann der Kapitalmarkt eine wichtigere Rolle in Deutschland spielen. Dadurch würden weitere Optionen für die Finanzierung der Realwirtschaft erschlossen. Die Herausforderungen liegen vor allem in der Schaffung möglichst einfacher, einheitlicher und standardisierter Regeln. Diese Regeln sollten die Attraktivität für Investoren erhöhen, aber auch für die Unternehmen kosteneffizient umsetzbar sein.

Zudem sollte die Subsidiarität beachtet werden: Nur dort vereinheitlichen, wo dadurch auch die Situation verbessert werden kann. So sollte die Aufsicht nur für jene Akteure vereinheitlicht werden, die auch europaweit geschäftlich aktiv sind. Eine europäische Ein-lagensicherung darf nicht zu Fehlanreizen führen. Dafür sind einheitliche, etablierte und überwachte Standards in der Bankenaufsicht eine Voraussetzung. Zentralisierungen, z. B. in der Marktinfrastruktur, sollten nicht zu einer Verdrängung von privaten Lösungen führen. Freiwillige Wahlmöglichkeiten bei europäischen Standards, z. B. in der Rechnungslegung, können Unternehmen zusätzliche Optionen schaffen.

Trotz der Förderung der kapitalmarktbasierten Unternehmensfinanzierung darf die überwiegend bankbasierte Finanzierung der KMU nicht geschwächt werden. Angesichts dieser divergierenden Interessen sollten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Nutzung des Kapitalmarkts unterschiedliche Lösungen gefunden werden, die auch mittelbare Auswirkungen auf nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen beschränkt. So darf z. B. eine Ausweitung der Verbriefungen nicht dazu führen, dass die Offenlegungspflichten von KMU in der Kreditbeziehung erhöht werden.

Administrative Hürden in der Finanzierung abbauen (DE+EU)

Durch die Zunahme der Regulierung sind auch die administrativen Anforderungen gestiegen. Das betrifft nicht nur die immer komplexer werdende Bankenregulierung im engeren Sinne, sondern auch die Bürokratisierung der Beratung. Dazu kommen Kosten für steuerliche oder sanktionsbedingte Prüfungen. Auch durch die gesamte Sustainable Finance-Regulierung (vgl. Kapitel „Sustainable Finance“) hat sich der Aufwand für alle Seiten beträchtlich erhöht. Manche Pläne im Rahmen der Kapitalmarktunion, die eine europaweite Vereinheitlichung und Offenlegung der Daten für potenzielle Investoren vorsehen, könnten mit Umstellungskosten, aber auch laufenden Kosten zu weiteren Belastungen führen. Diese Hürden in der Finanzierung gilt es abzubauen und zu vermeiden, in dem die administrativen Anforderungen zielgenauer auf die betroffenen Unternehmen beschränkt und technologische Vereinfachungen angestrebt werden.

Die technologischen Chancen eines Digitalen Euros nutzen (DE+EU)

Die neuen und vielseitigen Möglichkeiten digitaler Finanzdienstleistungen können für Unternehmen neue Chancen eröffnen. Gerade die sog. „Distributed Ledger Technologie“ – auch als „Blockchain“ bekannt – bietet viele Möglichkeiten, die sich aber bisher nur schwer etablieren konnten. Die Europäische Zentralbank sollte in Kooperation mit der Privatwirtschaft die Einführung eines Digitalen Euros dazu nutzen, um mit dieser Technologie Innovationen und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Daher sollte zunächst nicht die potenziell die Intermediationsfähigkeit der Geschäftsbanken einschränkende Retail-Version, sondern eine auf die technischen Chancen ausgerichtete Wholesale- und B2B-Version eingeführt werden, die auch im internationalen Wettbewerb Europas Position stärkt.

Ansprechpartner in der DIHK:

Jan Greitens (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Außenwirtschaft: Bürokratie abbauen, Förderung verbessern

Mit seiner hohen Außenhandelsquote ist Deutschland die offenste Volkswirtschaft der G7-Staaten. Deutschland behauptet sich mit qualitativ hochwertigen Produkten und Dienstleistungen seit langem in der Spitzengruppe der Exportnationen. Jeder vierte Arbeitsplatz hängt, direkt oder indirekt, vom Exportgeschäft ab, in der Industrie jeder zweite. Geopolitische Veränderungen, zunehmende Handelsbarrieren und bürokratische Hürden stellen das Auslandsgeschäft der Unternehmen vor immer größere Herausforderungen. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Unternehmen ist deshalb eine effektive Unterstützung in Deutschland und rund um den Globus: praxisnah und bürokratiearm.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Finanzierung – Garantieinstrumente zukunftsfähig aufstellen (DE)

Die deutsche Wirtschaft kann sich grundsätzlich auf ein solides Angebot von Garantieinstrumenten des Bundes verlassen. Um den globalen Verflechtungen der deutschen Wirtschaft Rechnung zu tragen, sollte der zugelassene Anteil an ausländischer Wertschöpfung für Projekte und Produkte flexibler gestaltet werden. Durch einen Paradigmenwechsel des Ansatzes „Produziert in Deutschland“ (national content) hin zu „Produziert für Deutschland“ (national interest) können die Interessen der gewerblichen Wirtschaft besser berücksichtigt werden. Ungebundene Finanzkredite sichern die Versorgung mit notwendigen Rohstoffen und Zugang zu Vorprodukten für emissionsarme Technologien ab. Um die Diversifizierung der deutschen Wirtschaft zu unterstützen, sollte das Instrument flexibler eingesetzt werden – auch für andere kritische Vorprodukte und mit weniger strengen Kriterien zur Förderwürdigkeit. Gerade bei internationalen Geschäften in Drittländern konkurrieren deutsche Unternehmen zunehmend mit Finanzierungspraktiken anderer Staaten, die den Wettbewerb zu verzerren drohen. Internationale Standards, z. B. der OECD, für öffentlich unterstützte Exportkredite werden oftmals nicht eingehalten. Die Bundesregierung sollte konsequent gegen wettbewerbsverzerrende Maßnahmen vorgehen und sich für die Nutzung sowie Einhaltung von internationalen Standards und Regelwerken einsetzen.

Exportkontrolle harmonisieren und entbürokratisieren (DE+EU)

Im Bereich der Güter mit doppeltem Verwendungszweck (sog. „Dual-Use-Güter“) sind Umsetzungsniveau und Bearbeitungsfristen für Genehmigungen innerhalb der EU unterschiedlich. In Deutschland häufen sich die Beschwerden der Unternehmen darüber, dass Entscheidungen über Genehmigungen auf ministerieller Ebene monatelang andauern. Bei Anträgen auf exportkontrollrechtliche Bescheide und, generell, bei der Gestaltung des Exportkontrollrechts sowie dessen Anwendung in Deutschland sind EU-weit gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen erforderlich, ansonsten bestehen Nachteile auf den Weltmärkten. Zudem müssen die zuständigen Institutionen Anträge zügiger und transparenter bearbeiten, insbesondere, wenn Bundesministerien in Einzelentscheidungen einbezogen sind. Es braucht Instrumente, die es Unternehmen erlauben, sich in der Fülle an Vorschriften zurechtzufinden und Unsicherheiten, bereits im Vorfeld, weitestgehend zu beseitigen. Die Bundesregierung und die EU sollten am wichtigen „Wassenaar-Abkommen“ und dessen Fortentwicklung festhalten sowie weitere internationale Exportkontrollregime in möglichst breiter internationaler Gemeinschaft vorantreiben.

Investitionsprüfungen bedürfen guter Begründung (DE+EU)

Globale Investitionsströme sind entscheidend für die international eng vernetzte deutsche Wirtschaft. Staatliche Eingriffe in die Kapitalverkehrsfreiheit und das Grundrecht auf Eigentum finden daher in einem wirtschaftspolitischen Spannungsfeld statt. In Fragen der nationalen Sicherheit gilt dabei das Primat der Politik. Überregulierung und lange Entscheidungsprozesse bedrohen jedoch Investitionen und damit Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Staatliche Beschränkungen, Unternehmen im Ganzen oder in Teilen an ausländische Investoren zu veräußern, sollten sehr gut begründet und gerichtlich überprüfbar sein. Sie müssen vorrangig dazu dienen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Einführung von staatlichen Prüfungen von Auslandsinvestitionen (sog. „Outbound In-vestment Screening“) wäre - aus Sicht des Großteils der Unternehmen - ein zu starker Eingriff in die unternehmerische Handlungsfreiheit und wird daher abgelehnt.

EU-Zollrecht zeitnah entbürokratisieren und Reform praxisnah umsetzen (DE+EU)

Die Umsetzung wichtiger Ziele des 2016 in Kraft getretenen Unionszollkodex (UZK) wurde bisher nur unzureichend verwirklicht. Gerade im Hinblick auf die im Mai 2023 vor-geschlagene erneute Reform des EU-Zoll-rechts ist die zeitnahe Umsetzung bereits an-gekündigter UZK-Erleichterungen sowie die überfällige Reduzierung der Zollbürokratie, nach dem Trade Facilitation Agreement, besonders wichtig.

Die im Rahmen des Vorschlags zur Reform des EU-Zollrechts aus dem Jahre 2023 neu entstehende EU-Zollbehörde sowie der EU-Customs-Data-Hub müssen praxisnah an den Anforderungen der Unternehmen und den Erfordernissen des Warenverkehrs orientiert sein. Es muss sich das Risikomanagement im Hinblick auf Verbote und Beschränkungen essenziell zugunsten der konformen Markteilnehmer verbessern und dabei dürfen keine zusätzliche Bürokratie und Belastungen geschaffen werden. Nicht EU-konforme Waren und Marktteilnehmer müssen deshalb – durch ein verbessertes Zusammenspiel von Behörden und Technik im Rahmen bereits existierender Daten – effektiv beschränkt werden.

Im Rahmen der EU-Zollreform muss die lange überfällige Vereinfachung des EU-Zolltarifs dringend für alle Warengruppen und Unternehmen erfolgen um Markteilnehmer und Zollbehörden gleichermaßen zu entlasten.

Besonders mit Blick auf strategische Abhängigkeiten der EU ist eine Modernisierung des EU-Mechanismus zur Aussetzung wirtschaftsschädlicher Zollhürden etwa im Rohstoffbereich nötig. Auch die Digitalisierung von Zollverfahren und Dokumenten sollte nach Ansicht der betroffenen Unternehmen stärker vorangetrieben werden. Schlussendlich würde eine konsequente Optimierung vorhandener Prozesse und Ressourcen den Unternehmen ebenfalls große Erleichterungen bringen.

Internationale Abstimmung bei Sanktionen (DE+EU)

In internationalen politischen Konflikten und Kriegen sind Sanktionen Teil des außenpolitischen Instrumentariums der EU. Hier gilt für die deutsche Wirtschaft das Primat der Politik. EU-Verordnungen und das deutsche Außenwirtschaftsrecht legen den gesetzlichen Rahmen fest. Die Zahl der weltweit bestehenden Wirtschaftssanktionen hat in den vergangenen Jahren jedoch zugenommen. Dabei laufen Sanktionen international häufig nicht im Gleichklang. Besonders schwierig ist es, wenn Drittstaaten ihre Sanktionsregime mit extraterritorial wirkenden Elementen versehen. Bevor es zu legislativen Maßnahmen wie dem Rückgriff auf Sanktionen kommt, sollten bei der Entscheidungsfindung explizit die Folgen für die deutsche Wirtschaft berücksichtigt werden. Die Regelungen selbst sollten zudem ausgewogen, präzise formuliert und, für die zuständigen Behörden wie auch für die Unternehmen, praktisch umsetzbar sein. Weiterhin sollten die von der EU verhängten Sanktionen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit, aber auch auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Auf internationaler Ebene sollten sich die EU und die Bundesregierung um eine enge Abstimmung in Foren wie der UN sowie mit wichtigen Partnern, wie z.B. den USA, bemühen und sich zudem verstärkt gegen extraterritorial wirkende Sanktionsmaßnahmen einsetzen. Eine unterschiedliche Auslegung von EU- Sanktionen durch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten darf nicht zu Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Wirtschaft führen. Für Exporte und Importe, die nach deutschem und europäischem Recht weiterhin erlaubt sind, muss insbesondere die Abwick-lung der Beförderung, des Zahlungsverkehrs und anderer Dienstleistungen nicht nur möglich, sondern auch praktikabel bleiben.

Visavergabe optimieren (DE)

Zu den bürokratischen Hürden im Auslandsgeschäft gehört seit Jahren die Vergabe von Visa für Geschäftsreisende und Touristen nach Deutschland. Das Antragsanmeldeverfahren durch AHKs und private Dienstleister hat die Praxis der Visaerteilung an ausgewählten Standorten bereits verbessert. Der Weg sollte fortgesetzt werden. Dennoch gibt es weiterhin Klagen deutscher Firmen und ihrer ausländischen Geschäftskontakte über praxisferne und langwierige Verfahren. Die Bundesregierung sollte sich für einen möglichst reibungslosen internationalen Geschäftsreiseverkehr einsetzen.

Doppelstrukturen in der Außenwirtschaftsförderung meiden (DE+EU)

Das Netzwerk der Auslandshandelskammern mit 150 Standorten in 93 Ländern weltweit sowie die regional verankerten 79 Industrie- und Handelskammern in Deutschland schaffen internationale Verbindungen und sind kompetente Anknüpfungspunkte für die Wirtschaft vor Ort. Dabei unterstützen die DIHK und das Bundeswirtschaftsministerium die AHKs und die Unternehmen, ergänzt durch eine Vielzahl von Initiativen verschiedener Bundes- und Landesministerien (z. B. Exportinitiative Energie, Exportinitiative Um-weltschutz). Neue Initiativen von Kommunen, Bundesländern und Bundesministerien sowie neue EU-Strukturen und Instrumente zur Unterstützung von KMU bei der Internationalisierung, wie European Chambers of Commerce, müssen eine sinnvolle Ergänzung zu den erprobten Instrumenten und Institutionen der nationalen Außenwirtschaftsförderung sein. Es sollten keine Parallelstrukturen aufgebaut, sondern Synergien genutzt und Angebote transparent dargestellt werden. Vielmehr sollten die Institutionen bei ihren Engagements auf die bewährten Strukturen der deutschen Außenwirtschaftsförderung, insbesondere IHKs, AHKs, Germany Trade and Invest (GTAI), und die Instrumente der Bundesländer zurückgreifen. Europäische Wirtschaftsdiplomatie kann zur weltweiten Durchsetzung europäischer Wirtschaftsinteressen einen wichtigen Beitrag leisten. Generell gilt: Die EU-Kommission muss das Subsidiaritätsprinzip wahren und die nationalen Institutionen der Außenwirtschaftsförderung frühzeitig und transparent in ihre Vorhaben, wie Global Gateway, einbinden. Insbesondere neue Projekte der EU sollten bestehende Strukturen ergänzen und ggf. erweitern, nicht jedoch duplizieren.

Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam mit der Wirtschaft gestalten (DE+EU)

Durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft können entwicklungspolitische Maßnahmen in etlichen Bereichen dauerhaft erfolgreich sein. Noch setzen die deutsche sowie die europäische Entwicklungszusammenarbeit zu wenig nachhaltige Projekte zur Unterstützung der Wirtschaft in den Entwicklungs- und Schwellenländern um. Der Aufbau der Privatwirtschaft in Entwicklungsländern – in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen – sollte mehr in den Mittelpunkt der nationalen und der europäischen Entwicklungszusammenarbeit rücken.

Zudem könnte es Investitionen vor Ort fördern, wenn die Rechtssicherheit und die Rechtsschutzsysteme für Unternehmen vor Ort verbessert würden. Die Bundesregierung sollte die deutsche Wirtschaft noch intensiver in Projekte der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit einbinden, gleiches gilt für den Einbezug des Privatsektors bei europäischen EZ-Initiativen.

Initiativen und geförderte Projekte in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, wie bspw. die EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway, sollten für Unternehmen, insbesondere KMUs, einfacher zu finden und zu nutzen sein. Ein strukturierter Informationsfluss sowie eine effektive Vermarktung sind ausschlaggebend für den Erfolg der Strategie und eine bessere Positionierung der europäschen Wirtschaft in der Welt.

Dazu ist eine stärkere Zusammenarbeit mit den vor Ort ansässigen AHKs, Delegationen und Repräsentanzen hilfreich. Internationale Ausschreibungen haben eine große Bedeutung. Der Zugang sollte für alle, auch deutsche Unternehmen, offen sein. Dies gilt auch für Ausschreibungen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Dabei sollte Deutschland, wie andere OECD-Länder auch, alle Spielräume für „tied aid“ – die Bindung der Entwicklungszusammenarbeit an die Herkunft von Investitionen - nutzen.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Olga van Zijverden (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Internationaler Handel: Märkte öffnen, Barrieren abbauen, Lieferketten absichern

Offene Märkte und regelbasierter internationaler Handel sind Motoren für Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland, Europa und in der Welt. Die international eng vernetzte deutsche Wirtschaft ist auf stabile Lieferketten und faire Handelsregeln angewiesen. Geopolitische und technologische Veränderungen, Nachhaltigkeitsanforderungen, zunehmender Protektionismus und die Erosion multilateraler Regelwerke ändern die internationale Arbeitsteilung von Grund auf. Die EU hat mit der Ausgestaltung ihrer Handelspolitik entscheidenden Einfluss auf die Lieferketten und Investitionen international tätiger deutscher Unternehmen. Sie sollte diese daher beim Ausbau ihrer Wettbewerbsposition auf den Weltmärkten unterstützen, Protektionismus entgegentreten, Lieferketten durch möglichst multilaterale Regeln absichern und EU-Wirtschaftsinteressen in einer sich zunehmend entkoppelnden Weltwirtschaft souveräner verteidigen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Protektionismus entgegentreten, Handelshemmnisse abbauen (DE+EU)

Die hoch internationalisierte deutsche Wirtschaft ist angewiesen auf ein wirtschaftlich souveränes Europa, das international für offene Märkte sowie in der Praxis umsetzbare Regeln für Handel und Investitionen eintritt und den eigenen Markt offenhält. Die Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU zur Abwehr wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen anderer Länder sollte nach Ansicht der Mehrzahl der Betriebe vorangetrieben werden. Eine Abschottung der EU und ihrer Handelspartner sowie eine globale wirtschaftliche Entkopplung schränken den deutschen Außenhandel und damit die Geschäftsmöglichkeiten der Unternehmen hingegen ein. Dazu ist es aus Sicht der großen Mehrheit der Wirtschaft essenziell, protektionistischen Tendenzen entschlossen entgegenzutreten. Bei Handelsschutzmaßnahmen gilt es, das Interesse der Wirtschaftszweige, die von den importierten Waren abhängen, mit dem berechtigten Schutzinteresse gegen wettbewerbswidrige Praktiken internationaler Handelspartner, die EU-Herstellern schaden, abzuwägen. Grundsätzlich sollten Schutzmaßnahmen daher mit Augenmaß angewandt werden. Wichtig ist bei allen Maßnahmen eine frühzeitige und umfassende Einbeziehung der Wirtschaft. Zudem sollte die EU-Marktzugangsstrategie, also die Minderung der Handelshemmnisse bei Handelspartnern, eine Priorität in der EU-Wirtschaftspolitik erfahren. Dies sollte aus Sicht der Betriebe auch insbesondere nicht tarifäre Handelshemmnisse wie etwa Local-Content-Vorgaben, Bevorzugung in der staatlichen Auftragsvergabe, bürokratische Zulassungsverfahren oder technische Normen umfassen.

Wirtschaftssicherheit ohne staatlich gelenkten Außenhandel (DE+EU)

Die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben die Anfälligkeit von Lieferketten für externe Schocks verdeutlicht und unterstreichen den Bedarf, strategische Abhängigkeiten stärker zu analysieren und, wo möglich, abzubauen. Auch die Unternehmerschaft ist sich der geopolitischen Risiken durch strategische Abhängigkeiten von einzelnen Ländern, wie z.B. von China, stärker als bisher bewusst. Gleichzeitig sollte der wirtschaftlichen Entkopplung von einzelnen Ländern politisch kein Vorschub geleistet werden. Die Unternehmen sind dabei auf eine EU angewiesen, die international mit einer Stimme spricht, um europäische Wirtschaftsinteressen zu vertreten. Ziele einer EU-Strategie für wirtschaftliche Sicherheit müssen die Diversifizierung und das zielgenaue Derisking sowie die Öffnung neuer Märkte für resiliente und nachhaltige Lieferketten sein. Änderungen von Lieferketten sollten generell unternehmerische Entscheidungen bleiben. Maßnahmen, die in Richtung „Managed Trade“ gehen – also staatlich gelenkten Handel – sind aus Sicht der deutschen Wirtschaft sehr kritisch zu bewerten (vgl. Leitlinie „Lieferketten resilient und nachhaltig gestalten“). Mit Blick auf zukünftige geoökonomische Herausforderun-gen in kritischen Sektoren sollten zudem die digitale Souveränität der EU und deren Weltraumkapazitäten, die zentral für Zukunftsbereiche der Wirtschaft wie das autonome Fah-ren sind, gestärkt werden.

Globale Handelsregeln gestalten und stärken (DE+EU)

Über die Hälfte der außereuropäischen Exporte deutscher Unternehmen beruhen einzig auf WTO-Regeln. Die EU sollte sich daher gegen die Erosion der WTO stellen. Hierfür ist die rasche Neubesetzung des Beru-fungsgremiums der WTO-Streitbeilegung und eine WTO-Modernisierung für zeitgemäße und, aus Sicht vieler Betriebe, faire Subventionsregeln (z. B. klarere Regeln zu Industriesubventionen und Subventionen für fossile Energieträger) nötig. Ebenfalls rasch sollte ein WTO-Abkommen zur Beseitigung von Hemmnissen für den Gesundheitsgüterhandel vereinbart werden, um zukünftige Gesundheitskrisen global zu bewältigen. Auch eine WTO-Mittelstandsagenda und Abkommen zu E-Commerce, Investitionserleichterungen und Umweltgütern sowie die Ausweitung der Abkommen zur Öffentlichen Beschaffung und Informationstechnologie können den Außenhandel deutscher Unter-nehmen erleichtern. Das WTO-Verbot von Zöllen auf internationale Datentransfers sollte aus Sicht des Großteils der Unternehmen über 2026 hinaus verlängert werden.

Märkte durch EU-Abkommen öffnen und absichern (DE+EU)

Zur Diversifizierung und Absicherung der Lieferketten der deutschen Wirtschaft sollten aus Sicht vieler Unternehmen neue Handelsabkommen weltweit angestrebt werden, die Abkommen mit Mercosur und Mexiko baldmöglichst ratifiziert und mit Indonesien und Indien rasch fertig verhandelt werden. Auch weitere Abkommen mit Staaten in Südostasien, Lateinamerika, im arabischen Raum und Afrika bieten für viele Unternehmen bedeutende Geschäftschancen. Angesichts der gesteigerten Bedeutung des Indopazifiks für die Diversifizierung des deutschen Außenhandels ist ein handelspolitisches Engagement in dieser wirtschaftlich starken Region entscheidend. Anstatt Abkommen wie der Transpazifischen Partnerschaft (CPTPP) oder der Regionalen Umfassenden Partnerschaft (RCEP) beizutreten und damit Standards konkurrierender Wirtschaftsräume zu übernehmen, sollte die EU durch eigene Abkommen die Beziehungen zu den beteiligten Staaten vertiefen und die Bedeutung europä-ischer Standards vor Ort stärken.

Der Transatlantische Handels- und Technolo-gierat TTC der EU mit den USA kann globale Zukunftsstandards setzen. Auch darüber hinaus sollten aus Sicht der Mehrheit der Wirtschaft transatlantische Handelshemmnisse wie Zölle oder verbleibende Handelsstreitig-keiten abgebaut werden. Ebenso sollte protektionistischen Maßnahmen und Lokalisierungsanforderungen, die europäische Unternehmen diskriminieren und eine Herausforderung für den Industriestandort Deutschland darstellen, entgegengewirkt werden. Auch sollte sich die EU gegenüber einem der wichtigsten Handelspartner von Deutschland – China - weiterhin für mehr Reziprozität in den Handelsbeziehungen einsetzen, um für die Wirtschaft nötige Fortschritte beim Marktzugang und insbesondere im Bereich unfairer Industriesubventionen zu erzielen.

EU-Nachbarschaftsbeziehungen stärken (DE+EU)

In einer zunehmend entkoppelten Weltwirtschaft werden die unmittelbaren Nachbarländer der Europäischen Union wichtiger. Die EU sollte sich daher für möglichst enge institutionelle Beziehungen mit ihrer Nachbarschaft einsetzen, um die Resilienz, Souveränität und Attraktivität des europäischen Binnenmarktes zu stärken. Es ist wichtig, gerade mit dem Vereinigten Königreich (UK) und der Schweiz wieder engere Beziehungen zu verankern und weitere regulatorische Divergenz zu verhindern. Der Brexit bleibt ein wirt-schaftliches Fiasko für beide Seiten des Kanals und hat auch den Warenaustausch mit Deutschland erschwert. Die 2026 anstehende Überprüfung des EU-UK-Handelsabkommens sollte die Vertiefung der institutionellen Beziehungen in den Bereichen Außenpolitik und Dienstleistungen anstreben, um Handel und Investitionen wieder zu erleichtern.

Auch in den 2024 gestarteten Verhandlungen mit der Schweiz gilt es, eine engere institutionelle Kooperation voranzutreiben. Die Schweiz sollte wieder den europäischen Programmen Horizon Europe und Erasmus+ beitreten sowie die Mitarbeiterentsendung er-leichtern. Erforderlich ist auch eine neue institutionelle Einigung, in deren Zentrum verbindliche Streitbeilegung und eine dynamische Rechtsanpassung an EU-Regelungen stehen sollten. Grundsätzlich sollten so viele Staaten wie möglich eng an den europäischen Binnenmarkt herangeführt werden. Hierbei geht aus Sicht der deutschen Unternehmen Qualität vor Geschwindigkeit. Wichtig ist dabei eine enge Einbindung der Wirtschaft im Zuge der Beitrittsverhandlungen. Aus Unternehmenssicht ist das umfassende Erfüllen aller Beitrittskriterien – insbesondere des Rechtsstaatsprinzips – unerlässlich, um Rechtssicherheit bei Handel und Investitionen zu garantieren. Gleichzeitig sind Reformen innerhalb der EU mit Blick auf deren Politik, Institutionen und den Haushalt nötig, damit die EU auch nach einer Erweiterung um neue Mitgliedsstaaten wirtschaftlich stabil und handlungsfähig zu bleibt.

Handelsabkommen mittelstandsfreundlich umsetzen (DE+EU)

Handelsabkommen müssen grundsätzlich mittelstandsfreundlich - etwa mit KMU-Kapitel - und damit einfach für alle Unternehmen ausgestaltet sein. Hierzu gehören einfache und in allen Abkommen gleichlautende Ursprungsregeln und Vorgaben zur Wahlfreiheit beim Nachweis des Präferenzursprungs durch eine Warenverkehrsbescheinigung oder den Erwerb eines Zollstatus („REX“ o. ä.). Abkommen sollten zudem mit tragfähigen Vereinbarungen zu Themen wie Visaerleichterungen ergänzt werden. Viele Unternehmen sehen ansonsten sehr große bürokratische Hindernisse beim Nutzen der Zollvorteile. Damit Handelsabkommen erfolgreich sind, muss die Umsetzung in den jeweiligen Ländern und der EU gelingen. Klare Implementierungszeitpläne aller Seiten unter Einbindung von KMU-Vertretern wie dem Kammernetzwerk sind nötig. Ziel sollte eine Nutzungsrate der Freihandelsabkommen von mindestens 85 % sein. Der EU-Ursprungsrechner (ROSA) sollte weiter ausgebaut werden, gerade um kleine und mittelständische Unternehmen bei der Berechnung des präferenziellen Ursprungs zu unterstützen.

Lieferketten resilient und nachhaltig gestalten (DE+EU)

Für die deutsche Wirtschaft ist es wichtiger denn je, dass europäische Ambitionen im Nachhaltigkeitsbereich nicht zum internati-onalen Wettbewerbsnachteil werden. Die EU-Handelspolitik sollte insofern ihre Schlagkraft für bilaterale Abkommen erhöhen und Überfrachtungen mit handelsfernen Themen vermeiden. Der Fokus sollte darauf liegen, international vereinbarte Standards in Handelsabkommen zu verankern. Regelungen in den Bereichen Menschenrechte, Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz sollte die EU daher verstärkt international vorantreiben (WTO, OECD, G20, G7 etc.). Insbesondere sollte eine Vereinheitlichung oder zumindest Kompatibilität der Nachhaltig-keitsvorgaben sichergestellt werden.

EU-Vorgaben zu Sorgfaltspflichten in Lieferketten sollten so bürokratiearm und praxistauglich wie möglich umgesetzt werden. Aufgrund von Haftungsrisiken drohen Beeinträchtigungen bei der notwendigen Diversifizierung von Lieferketten und der Rückzug aus bestimmten Ländern.

Bei der Umsetzung anderer Due-Diligence-Gesetze, wie der EU-Verordnung zum Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit oder der EU-Entwaldungsverordnung, sollte berücksichtigt werden, mit welchem Belastungskontext sich Unternehmen vor dem Hintergrund der Vielzahl an Sorgfaltspflichten und Dokumentationsanforderungen konfrontiert sehen. Deutschland und die EU sollten gerade mit Entwicklungs- und Schwellenländern konstruktiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um einen höheren Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu erreichen.

Zur wichtigen Frage der wirksamen Eindämmung des Klimawandels bedarf es globaler Lösungsansätze und eines koordinierten Handelns aller relevanten CO2-emittieren-den Länder. Die Unternehmen sind gleichzeitig auf einen wirksamen und effizienten Schutz vor Carbon Leakage angewiesen. Der internationale Klimaclub, eine Handelsvereinbarung mit Mindeststandards zur Einhaltung von Klimazielen, sollte daher rasch mit wichtigen Handelspartnern in verbindlicher Form umgesetzt werden, um Handelskonflikte und Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Bei der Umsetzung von CBAM muss insbesondere die Exportseite klar vor Standortnachteilen bewahrt werden und der Bürokratieaufwand etwa durch ein EU CBAM Self-Assessment Tool, Bagatellregelungen und Standartwerte reduziert werden.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Olga van Zijverden (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Steuerpolitik: Steuerliche Rahmenbedingungen verbessern und Investitionen fördern

Die Steuerbelastung von Unternehmen gehört zu den maßgeblichen Elementen der wirtschaftlichen Standortbedingungen. Die hiesigen Unternehmen werden steuerlich deutlich stärker belastet als ihre Wettbewerber in vergleichbaren Industriestaaten. In vielen EU-Ländern sind sowohl die relevanten nominalen Steuersätze als auch die effektiven Belastungen für die Wirtschaft niedriger als in Deutschland. Dabei steht gerade die deutsche Wirtschaft mit seiner hohen Exportquote wie kaum ein anderes Land im Wettbewerb mit anderen Industrienationen. Der hohe Wohlstand hierzulande fußt zu einem großen Teil auf der internationalen Verflechtung der deutschen Wirtschaft (vgl. Kapitel „Außenwirtschaft“). Wettbewerbsfähige steuerliche Rahmenbedingungen sorgen für ein stabiles Wirt-schaftswachstum, für Beschäftigung und für Wohlstand. Beeinflusst werden diese Rahmenbedingungen durch nationale und internationale Vorgaben. Bei den für Unternehmen relevanten Ertragsteuern sind es nationale Regierungen, die die Belastungen definieren, zunehmend aber auch die EU-Ebene in Brüssel und die OECD in Paris. Eine große Rolle spielt mittlerweile die Komplexität der Besteuerungsverfahren und der damit verbundene hohe Aufwand für Steuerpflichtige und Finanzverwaltungen. Deshalb sollten Steuerverfahren konsequent vereinfacht und schneller digitalisiert werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

International wettbewerbsfähige Steuerbelastung herstellen (DE)

Die Steuerbelastung für Unternehmen ergibt sich in Deutschland für Personenunternehmen aus der Einkommensteuer und für Kapitalgesellschaften aus der Körperschaftsteuer (und der Gewerbesteuer). In beiden Varianten beträgt die Belastung aktuell in Deutschland mehr als 30 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt bei 21,1 und der OECD-Durchschnitt bei 23,6 Prozent. Die Belastung sollte deshalb in Deutschland deutlich auf eine Zielgröße von etwa 25 Prozent reduziert werden. Dadurch könnten private Investitionen dauerhaft erhöht werden – mit entsprechend positiven Effekten auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Bei Investitionsentscheidungen haben nominale Steuerbelastungen nicht nur eine wichtige Signalwirkung. Letztlich kann sie ausschlaggebend sein, wenn andere Standortfaktoren im Vergleich zu Deutschland genauso gut oder sogar besser sind.

Eine Besonderheit stellt in Deutschland die Gewerbesteuer als Teil des Unternehmensteuersystems dar. Im internationalen Vergleich ist die Gewerbesteuer ein Fremdkörper. Diese auf kommunaler Ebene erhobene Ertragsteuer verursacht zusätzliche Bürokratie bei den Unternehmen durch Unterschiede in der Bemessungsgrundlage und belastet mit den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen als Kostenbesteuerung die Substanz der Unternehmen.

Die Gewerbesteuer sollte durch eine mit kommunalem Hebesatzrecht verbundene Unternehmensteuer ersetzt werden. Dabei sollte die Bemessungsgrundlage einer solchen Steuer mit der der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer übereinstimmen.

Investitionskraft und Resilienz der Unternehmen stärken (DE)

Das Steuersystem kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Investitionen der Unternehmen nachhaltig zu stärken und die Resilienz der Unternehmen zu erhöhen. Insbesondere die steuerlichen Abschreibungen sollten wesentlich schneller erfolgen. Steuerliche Abschreibungen haben den größten positiven Effekt auf Investitionen, Wachstum und Beschäftigung. Mittelfristig steigen durch solche Maßnahmen die Staatseinnahmen sogar. ( Dorn, Fuest, Neumeier, Stimmelmayr: Wie beeinflussen Steuerentlastungen die wirtschaftliche Entwicklung und das Steueraufkommen?, ifo-Schnelldienst 10/2021.)

Unternehmen sollten ihre Verluste vollständig geltend machen können. Eine Verrechnung mit mindestens den drei vorangegangenen Jahren sollte grundsätzlich gelten. Das schafft Liquidität und hilft gerade den Unternehmen, die sich zeitweise in wirtschaftlichen Schwächephasen befinden. Gleiches gilt für Verlustvorträge. Diese sollten vollständig mit zukünftigen Gewinnen verrechenbar sein, nicht wie aktuell mit lediglich 70 Prozent des Verlustbetrags, der eine Million Euro übersteigt. Ab 2028 soll sogar die "alte" Begrenzung von lediglich 60 Prozent wieder greifen. Letztlich geht es hierbei darum, dass Unternehmen nur nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden sollen; diese beinhaltet alle erwirtschafteten Ge-winne, aber eben auch alle erlittenen Verluste.

Das Steuerrecht sollte auch das im historischen Vergleich immer noch niedrige Zinsniveau abbilden. Deshalb sollten vor allem Rückstellungen mit einem realitätsgerechten Zinssatz abgezinst werden, nicht wie aktuell mit 5,5 oder sogar 6 Prozent. Dadurch würden insbesondere Pensionsrückstellungen steuerlich nicht tendenziell unterbewertet und den Unternehmen bliebe dadurch not-wendige Liquidität erhalten.

Die Höhe der Steuerbelastung sollte nicht von der Rechtsform eines Unternehmens abhängen. Folglich sollte die Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform (Personen- oder Kapitalgesellschaft) auch nicht von rechtsformbedingt unterschiedlichen Steuerbelastungen abhängen. Die 2021 eingeführte Körperschaftsteuer-Option für Personengesellschaften sollte so vereinfacht werden, dass sie dieses Ziel besser erfüllt. Auch das Verfahren zur steuerlichen Begünstigung von thesaurierten Gewinnen sollte vereinfacht werden, damit mehr – vor allem auch kleinere – Personenunternehmen einen Anreiz haben, diese Option zu nutzen.

Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung praxisgerechter ausgestalten (DE+EU)

Das Steuerrecht sollte grenzüberschreitende Geschäftsaktivitäten nicht erschweren. Die Praxis sieht leider anders aus. Denn das deutsche Steuerrecht beinhaltet viele Vorschriften, wie z. B. die Zinsschranke, die Wegzugsbesteuerung oder die Hinzurechnungsbe-steuerung. Für Unternehmen verursachen diese Maßnahmen einen beträchtlichen Aufwand, weil die oftmals nicht praxisgerechten Vorschriften in vielen Fällen zu einer zu hohen Steuerbelastung führen. Dokumentationsanforderungen und Meldepflichten für Unternehmen behindern zudem internationale Geschäftsaktivitäten.

Auch deshalb sollte das Netz der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen weiter ausgebaut und modernisiert werden, um effektiv Doppelbesteuerungen zu verhindern. International agierende Unternehmen sind in besonderem Maß auf Rechts- und Planungs-sicherheit angewiesen, da sie mit unterschiedlichen Steuerrechtssystemen konfrontiert sind. Diese Sicherheit könnte durch internationale Steuerverfahren und zeitnahe, koordinierte Betriebsprüfungen praxisgerecht verbessert werden. Deutschland sollte sich zudem auch auf internationaler Ebene bei der Schaffung weltweit kohärenter Steuerregelungen einbringen und bei aktuellen Entwicklungen die Initiative ergreifen – etwa bei Remote Work.

Bei wichtigen Standardsetzungen durch internationale Organisationen wie der OECD oder Initiativen wie dem Inclusive Framework, in dem über 140 Staaten abgestimmt agieren, sollten praxistaugliche und bürokratiearme Regelungen entwickelt werden. Die eingeleitete Reform der internationalen Besteuerung von Unternehmen umfasst zwei Säulen. Was dort im Ansatz noch als nachvollziehbar bezeichnet werden kann, muss sich in der Umsetzungspraxis noch als praktikabel erweisen. In den betroffenen Unternehmen entstehen durch Berechnungen zur Mindestbesteuerung derzeit erhebliche Belastungen durch den Aufbau erforderlicher Strukturen, um die zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Steuerverfahren modernisieren und Rechtssicherheit erhöhen (DE+EU)

Steuergesetze und -verfahren sollten vereinfacht, Melde- und Dokumentationspflichten reduziert und verfahrensrechtliche Anfor-rungen bürokratiearm ausgestaltet werden. Verfahren sollten konsequent digitalisiert und ohne umfangreiche manuelle Tätigkeiten vollzogen werden können. KI-gestützte Automatisierungen können Verwaltung und Unternehmen entlasten.

Insbesondere Betriebsprüfungen sollten zeitnah abgeschlossen werden, was durch eine stärkere Fokussierung auf unternehmensinterne Kontrollsysteme (Tax Compliance-Sys-teme) und risikobehaftete Sachverhalte e-reicht werden kann. Verbindliche Auskünfte der Finanzverwaltung sollten nach drei Monaten beantwortet werden und gebührenfrei erfolgen. Finanzverwaltungen und Unternehmen sollten verstärkt kooperative Verfahren entwickelt, die alle Beteiligten entlasten und schneller für Rechtssicherheit sorgen.

Umsatzsteuer handhabbar gestalten (DE+EU)

Die Regeln der Umsatzsteuer sollten einfacher, rechtssicher und weitestgehend automatisch vollziehbar ausgestaltet werden. Die aktuellen, komplexen Vorschriften verursachen bei den Unternehmen hohe Befolgungskosten. Das tägliche Massengeschäft lässt dabei keine kleinteilige Einzelfallprüfung zu. Einfacher würde das System, wenn der Umfang der ermäßigten Steuersätze reduziert würde. Damit ließen sich schwierige Abgrenzungen und daraus resultierende Steuerrisiken für Unternehmen vermeiden. Damit die Gesamtbelastung durch die Umsatzsteuer nicht zunimmt, könnte der Regelsteuersatz kompensierend reduziert werden.

Die Einfuhrumsatzsteuer sollte sofort mit der Vorsteuer verrechnet werden können (Verrechnungsmodel), um die Liquidität in den Unternehmen zu belassen und den administrativen Aufwand zu reduzieren. Damit würden gleichzeitig auch bestehende Wettbewerbsnachteile für über Deutschland importierende Unternehmen gegenüber anderen EU-Staaten abgebaut.

Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft sollte ein praxisgerechtes Antragsverfahren eingeführt werden, um die Rechtssicherheit für die Unternehmen zu erhöhen. Die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung sollte mit Augenmaß umgesetzt werden, damit die Unternehmen nicht unverhältnismäßig belastet werden. Vor Einführung des Meldesystems sollten die Unternehmen dessen technische Umsetzbarkeit im Praxistest ausreichend prüfen können.

Grenzwerte und Definitionen angleichen, Steuerrecht an heutiges Arbeitsumfeld anpassen (DE)

In verschiedenen steuerlichen Bereichen sollten Grenzwerte und Definitionen angeglichen werden. Durch die unterschiedlichen Anforderungen in der Lohnsteuer, der Umsatzsteuer und den Sozialversicherungszweigen entstehen bei Unternehmen komplexe Prüfungsprozesse, weil sie für die fristgerechte und korrekte Abgabe von steuerlichen Meldepflichten und Erklärungen verantwortlich sind. Durch Pauschalierungen im Steuerrecht und der Sozialversicherung könnten zudem bürokratische Hürden abgebaut und damit eine konsequentere Digitalisierung ermöglicht werden.

Das Steuer- und Abgabenrecht sollte an die Anforderungen des heutigen Arbeitsumfelds angepasst werden. Spätestens mit den aufgrund der Corona-Pandemie erforderlichen Veränderungen ist die Arbeitswelt flexibler geworden, vor allem in Bezug auf die Wahl der Tätigkeitsstätte. Dies kann Auswirkungen auf die Steuerpflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben. Grenzüberschreitend tätige Telearbeitnehmer können mit einer Doppelbesteuerung ihres Einkommens konfrontiert sein. Auf europäischer oder internationaler Ebene besteht aktuell die Gefahr, dass Telearbeiter – im Hinblick auf die Besteuerung von Unternehmensgewinnen – unbeabsichtigt eine Betriebsstätte (PE) für ein Unternehmen in einem anderen Land schaffen. In der Folge sind die Unternehmensgewinne zwischen zwei oder mehr Standorten aufzuteilen, wodurch für die Un-ternehmen weitere Meldepflichten entstehen.

Mitgliedstaaten sollten Arbeitnehmer nur dann besteuern, wenn die Zahl der Arbeitstage pro Kalenderjahr im Land eine bestimmte Schwelle übersteigt. Wie bei der Mehrwertsteuer sollte eine „einzige Anlaufstelle“ eingerichtet werden, an die Arbeitgeber von grenzüberschreitenden Telearbeitnehmern die Anzahl der Arbeitstage in ihrem Wohnsitzland und in dem Land des Unternehmenssitzes melden.

Einheitliche Körperschaftsteuerregeln (BEFIT) in der EU voranbringen (EU)

Die von der EU-Kommission im September 2023 vorgelegten Vorschläge für eine Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert („Business in Europe: Framework for Income Taxation” – BEFIT) sehen vor, dass europaweit tätige Unternehmen ihren steuerlichen Verpflichtungen durch lediglich eine Unternehmenseinheit nachkommen, anstatt in jedem Mitgliedstaat gesondert Steuererklärungen abzugeben. Bei sachgerechter Umsetzung ließen sich so die Steuerzahlungen einer Gruppe viel einfacher ermitteln als bis-her. Dieselben grenzüberschreitenden Geschäfte müssten nicht mehr von verschiede-nen Steuerverwaltungen überprüft werden. Einzelne Mitgliedstaaten blockieren die Umsetzung des Vorschlags, weil man sich bisher nicht auf eine Formel für die Aufteilung von Unternehmensgewinnen auf mehrere beteiligte Staaten einigen konnte.

Das von der EU-Kommission vorgestellte Körperschaft-Steuersystem des Hauptsitzes (Head Office Tax System – HOT) richtet sich als Option an KMU, die lediglich mit Niederlassungen im EU-Ausland vertreten sind und die Schwelle von 750 Mio. Euro Jahresumsatz nicht erreichen. HOT könnte dafür sorgen, dass das steuerliche Ergebnis der gesamten Unternehmensgruppe nach den am Sitz des Stammhauses geltenden Regeln berechnet und von dort verteilt wird. Dieses Verfahren könnte die Steuerbefolgungskosten für KMU deutlich senken und deren grenzüberschreitende Aktivitäten beflügeln.

Zusammenarbeit zwischen Steuerverwaltungen verbessern – national und international (DE+EU)

Durch eine verbesserte Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen der EU-Staaten könnten Unternehmen von Melde- und Berichtspflichten im Steuerbereich entlastet werden. Daten, die von einer Verwaltung erhoben wurden, sollten direkt, ohne nochmalige Befassung durch die Unternehmen, ausgetauscht werden können. Der gegenseitige steuerliche Informationsaustausch ist bereits Realität. Verschiedene einheitliche Anlaufstellen (One-stop-shops), sowohl im Bereich der direkten als auch der indirekten Steuern, liegen als Vorschlag vor. Bestehende Verfahrensregel sollten – auch auf Ebene der EU – in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Die Evaluierung der EU-Amtshilfe-Richtlinie (DAC 1 bis 6) ist dafür eine gute Gelegenheit.

Investitionsspielräume der Unternehmen nicht durch eine Besteuerung der Substanz beschneiden (DE)

Eine nachhaltige Finanz- und Steuerpolitik setzt auf langfristiges Wachstum. Eine die Unternehmen schwächende Besteuerung der Unternehmenssubstanz passt nicht zu einer solchen Politik. Höhere oder neue Steuern auf die Substanz von Unternehmen schränken die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen mit bereits knappem Eigenkapital weiter ein. Auf längere Sicht leidet die internationale Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen wird erschwert.

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde vor rund einem Jahrzehnt reformiert. Im Kern gilt richtigerweise weiterhin, dass die Übertragung von betriebsnotwendigem Vermögen verschont wird. An die Verschonung wurden allerdings für viele Familienunternehmen nicht leicht zu erfüllende Vorausse-zungen geknüpft – z. B. den Erhalt von Lohnsummen über einen längeren Zeitraum. Zudem wurden deutliche Verschärfungen eingeführt. Vor allem wurden umfangreiche Formen von „Verwaltungsvermögen“ definiert, das der Erbschaftsteuer unterliegt. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung zudem eine Reihe von Maßnahmen aufgenommen hat, mit denen die Umgehung von Steuerzahlungen verhindert werden soll. Entstanden sind so auch Unstimmigkeiten und Rechtsunsicherheiten, die der Gesetzgeber beseitigen sollte. Wiederholt zeigen sich Widersprüche im Gesetz, so zuletzt beim Verwaltungsvermögensbegriff bei fremdbetrieblich genutzten Grundstücken und beim sog. 90 %-Einstiegstest, der scheinbar willkürlich dem einen Betrieb die Begünstigung gewährt und dem anderen nicht, je nachdem wie umfangreich der Forderungsbestand am Bewertungsstichtag ist. Die täglichen Anwender des Gesetzes, also die Nachfolger, stehen in der Folge vor zahlreichen Abgrenzungsfragen.

Gleiches gilt für die Grunderwerbsteuer, die den Übergang oder die Umstrukturierung von Unternehmen nicht erschweren sollte. Die kurzfristigen „Reparaturen“, die durch das Inkrafttreten des Gesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetzes nötig wurden, zeigen, dass das Grunderwerbsteuerrecht insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden sollte. Eine zukünftige Reform sollte das Grunderwerbsteuerrecht auf seinen Belastungsgrund, den Wechsel des Eigentums an Grundstücken, zurückführen.

Ansprechpartner in der DIHK:  

Jens Gewinnus (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Staatsfinanzen: Vorfahrt für Investitionen und nachhaltige wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Flüchtlingskrise, Covid-Pandemie, der russische Angriffskrieg in der Ukraine – die EU und ihre Mitgliedstaaten befinden sich seit Jahren im Krisenmodus. Die Anforderungen erfordern eine hohe Resilienz der Mitgliedstaaten und der EU als einheitlichem Wirt-schaftsraum. Hierzu leistet eine verantwortungsvolle, nachhaltige Haushaltspolitik einen wichtigen Beitrag. Sie schafft einen finanziellen Spielraum, um mit öffentlichen Investitionen die wirtschaftlichen Rahmebedingungen für Unternehmen zu stärken und ihnen bei unverschuldeten Krisen Hilfe zu leisten. Hinzu kommen die mit der Transformation der Wirtschaft zur Klimaneutralität verbundenen Herausforderungen. Die Transformation fordert viele Unternehmen, weil sie in einem intensiven globalen Wettbewerb mit Unternehmen aus Ländern mit geringeren Klimaschutzanforderungen stehen. Je tragfähiger die öffentlichen Haushalte aufgestellt sind, desto handlungsfähiger sind die Mitgliedstaaten und die EU.

Unternehmen sind auf leistungsstarke Infrastrukturen angewiesen. Diese ermöglichen es Produkte, Waren und Dienstleistungen für die relevanten Märkten zur Verfügung zu stellen. Unternehmen brauchen eine zuverlässige Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen, schnelles Internet und moderne, leistungsfähige Bildungseinrichtungen. Diese Infrastrukturen können dauerhaft nur dann auf einem leistungsfähigen Niveau angeboten werden, wenn kontinuierlich in sie investiert wird. Eine Stärkung der öffentlichen Investitionen erhöht daher die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und die Marktchancen und letztlich den Markterfolg der Unternehmen. Über eine höhere Wertschöpfung, höhere Erträge der Unternehmen und eine höhere Beschäftigung kann dann perspektivisch die Stabilität der Staatsfinanzen gesichert werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Schuldenabbau und Wettbewerbsfähigkeit der Nationalstaaten unter dem überarbeiteten Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt vorantreiben (DE+EU)

Die Einführung des Euro vor 25 Jahren markierte den Beginn einer neuen Ära für die wirtschaftliche und politische Integration in Europa und die Bedeutung des europäischen Wirtschaftsraumes. Die Stabilität der gemeinsamen Währung ist eng mit der Haushalts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten verbunden. Ohne zielgerichtete und verbindliche Haushalts- und Schuldenregeln ist eine solide Finanzpolitik im Euro-Raum unmöglich. Die EU hat 2024 ihre bestehenden Regeln zur fiskalischen Überwachung („Economic Governance“) überarbeitet. Ziel ist es, dass die Mitgliedstaaten mit den angepassten Vorgaben ab dem Jahr 2025 den Stabilitäts- und Wachstumspakt wieder einhalten. Festgehalten wird an den Konvergenzkriterien einer maximalen öffentlichen Verschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und eines maximalen jährlichen Finanzierungsdefizit von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Neuregelung verbindet mehr Flexibilität mit einer strengeren Durchsetzung des zwischen der EU-Kommission und dem jeweiligen Mitgliedstaat Vereinbarten. Dafür sollen bilaterale Vereinbarungen zwingend einzuhalten sein.

Eine übermäßige, regelwidrige Verschuldung eines EU-Mitgliedstaaten sollte effektiv geahndet werden. Wenn bilaterale Vereinba-rungen nicht eingehalten werden, sollten zwingend Defizitverfahren eröffnet und bei fortgesetzt fehlender Rechtstreue finanzielle Strafen verhängt werden.

Nachhaltige Staatsfinanzen sichern (DE)

Unternehmen sind auf langfristig sichere Rahmenbedingungen angewiesen, um in den Auf- und Ausbau ihrer Standorte zu investieren, Innovationen voranzubringen und Arbeitsplätze zu schaffen. Voraussetzung dafür ist, mit einer nachhaltigen Finanzpolitik die Glaubwürdigkeit der Märkte in den Euro abzusichern. Ein zentrales Element einer solchen Politik sind Fiskalregeln. In ihrer unterschiedlichen Gestalt sorgen sie für Haushaltsdisziplin, indem sie Grenzen für staatliche Ausgaben und die Kreditfinanzierung (bzw. Defizite) setzen. In Deutschland folgt aus der Schuldenbremse, dass öffentliche Ausgaben grundsätzlich mit den laufenden verfügbaren Einnahmen zu finanzieren sind. Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sorgt für Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Finanzpolitik und ermöglicht damit funktionierende Märkte, die für Unternehmen unabdingbar sind.

Die Schuldenbremse begrenzt die Neuverschuldung des Bundes und der Länder und trägt dazu bei, die Staatsverschuldung langfristig auf einem tragbaren Niveau zu halten und so letztlich die Steuerbelastung für die Unternehmen zu begrenzen. Die Herausfor-derungen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft hat die Schuldenbremse bisher gemeistert. Sie hat in den Zeiten, in denen dies notwendig war, durch die Möglichkeit eines stärkeren finanziellen Engagements des Staates zur Sicherung der Wirtschaft beigetragen. Eine etwaige Reform der Schuldenbremse sollte ihre stabilisierende Wirkung nicht in Frage stellen, denn die Unternehmen vertrauen auf verlässliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen. Vielmehr geht es darum, ihre Flexibilität zu stärken, um in Krisenzeiten eine angemessene fiskalische Reaktion zu ermöglichen.

Öffentliche Haushalte in Deutschland nachhaltig aufstellen und Vorfahrt für Investitionen gewährleisten (DE)

Eine zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik erfordert neben stabilen Staatsfinanzen eine nachhaltige Wachstumsstrategie, die vor allem Investitionen in Infrastrukturen, Bildung und Forschung induziert. Fortschritte bei der Konsolidierung öffentlicher Haushalte ba-sierten bis zum Ende des vorigen Jahrzehnts vor allem auf hohen, wachstumsgetriebenen Steuereinnahmen und den Renditen einer langen Phase niedriger Zinsen.

Angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine musste die Schuldenbremse ausgesetzt und ein hoher Anteil der staatlichen Ausgaben mit Krediten finanziert werden.

Zwar wurden die öffentlichen Investitionen bereits erhöht. Auf diese Ausgaben sollte in den öffentlichen Haushalten aber ein größerer Fokus gelegt werden, damit die wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen nachhaltig verbessert werden können. Wichtig ist, dass die Umsetzung von öffentlichen Investitionsprojekten auf allen staatlichen Ebenen wesentlich schneller und mit weniger Bürokratie erfolgt.

Steigende Zins- und Tilgungslasten der öffentlichen Haushalte schmälern deutlich die Investitionsmöglichkeiten und damit die Ver-besserung der wirtschaftlichen Standortbedingungen für Unternehmen. Eine Priorisierung öffentlicher Ausgaben für mehr Wachs-tum ist deshalb unerlässlich. Nur mit einem stabilen, nachhaltigen Wirtschaftswachstum wird eine hinreichend gute Einnahmebasis für die öffentlichen Haushalte erreicht. Investitionen in Infrastruktur wie Straßen, Stromnetze, digitale Netze sind unerlässlich für das Funktionieren einer modernen Wirtschaft. Sie schaffen die physischen Grundlagen, die Unternehmen und ihre Mitarbeiter benötigen, um produktiv zu sein und sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Investitionen in Forschung und Entwicklung oder erneuerbare Energien tragen dazu bei, Grundlagen für zukünftiges Wachstum zu schaffen.

Wichtig bleibt, dass die Finanzierung dieser Investitionen auf nachhaltige Weise erfolgt. Dem gesamten Staat stehen enorme Mittel zur Verfügung, um seine Aufgaben zu finanzieren. Im Jahr 2008 betrugen die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen rd. 560 Mrd. Euro. 2025 werden allen staatlichen Ebenen mehr als 1.000 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Zudem gibt es im Energiebereich mit dem Sondervermögen „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) ein Investitionsbudget, das jedes Jahr über eigene Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel und der CO2-Steuer verfügt. Die Höhe der im KTF vorgesehenen Ausgaben – zum Beispiel für die Finanzierung von Förderprogrammen – sollte durch die beschriebenen Einnahmen des Fonds gedeckelt sein. (vgl. Kapitel „Energiewende zum Erfolg machen“). Auch die erhöhten Verteidigungsausgaben werden bis 2027 aus einem kreditfinanzierten Sondervermögen „Bundeswehr“ geleistet. Diese Mittel sollten aktuell ausreichen, um bei einer zugleich vorzunehmenden stetigen Aktualisierung von Prioritären bei den öffentlichen Ausgaben die Haushalte nachhaltig aufzustellen. Denn jedes neue Sondervermögen, das seine Ausgaben ausschließlich oder überwiegend mit Kreditaufnahmen finanziert, kann zukünftig zu höheren Steuerbelastungen für Unternehmen führen. Es bedarf auf jeden Fall zudem moderner Institutionen und gut funktionierender Verwaltungen, um die vorhandenen finanziellen Mittel effektiv und effizient einzusetzen. Verbesserte Rahmenbedingungen sorgen dann auch dafür, dass die Unternehmen mehr investieren und ein höheres Wirtschaftswachstum zur Sicherung des Wohlstands erreicht wird.

Kommunale Finanzkraft nachhaltig stärken (DE)

Gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft setzen in allen Regionen des Landes eine leistungsstarke öffentliche Infrastruktur und effizientes Verwaltungshandeln voraus. Die Realität sieht anders aus: Unternehmen machen zunehmend die Erfahrung, dass die Fi-nanzkraft ihrer Standorte in Deutschland sehr unterschiedlich ist. Dadurch kommt es zum Teil zu erheblichen regionalen Unterschieden in der Ausstattung mit öffentlicher Infrastruktur und wirtschaftsnahen öffentlichen Dienstleistungen. Die Länder sollten ihre finanziellen Spielräume noch stärker nutzen, um in die Infrastruktur und die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung zu investieren. Die Länder sind grundsätzlich gefordert, sich ihrer im Grundgesetz verankerten Verantwortung für die kommunalen Haushalte und damit für die Qualität der kommunalen Standortbedingungen für die Wirtschaft zu stellen.

Bereits vor der Corona-Pandemie und den aktuellen, durch den Krieg in der Ukraine und weiteren geopolitischen Krisen entstandenen Herausforderungen konnten zahlreiche Kommunen ihren Haushalt nicht ausgeglichen bzw. nachhaltig gestalten. Viele Kommunen haben deshalb die Hebesätze von Gewerbe- und Grundsteuer erhöht – und belasten damit Unternehmen. Die Einnahmebasis der Kommunen sollte deshalb reformiert werden (vgl. Kapitel „Steuerpolitik“). Ziel der Reform sollte sein, stabile wirtschaftskraftbezogene Einnahmen zu generieren, ohne dass die Steuerbelastung für die Unternehmen insgesamt steigt.

Die Leistungsfähigkeit von Kommunen könnte verbessert werden, wenn Kommunen häufiger und intensiver kooperieren. Stärker genutzt werden sollten zudem öffentlichprivate Partnerschaften. So könnten langfristige Kooperationen zur Bereitstellung und Bewirtschaftung öffentlicher Infrastruktur entstehen, bei der die privaten Partner die erforderlichen Leistungen über den gesamten Lebenszyklus eines Projekts erbringen und auch verantworten.

EU-Hilfsfonds Next Generation EU sorgfältig evaluieren (EU)

Die EU hat auf die ökonomischen Herausforderungen in der Corona-Pandemie mit dem Corona-Wiederaufbauprogramm “Next Ge-neration EU” (NGEU) reagiert. Dort stehen bis 2026 648 Milliarden Euro für Zuschüsse und Kredite bereit, mit denen Projekte in den Mit-gliedstaaten unterstützt werden. Von den Mitgliedstaaten beantragte Gelder werden nur freigegeben, wenn die vereinbarten Mei-lensteine nachweislich erreicht werden und die Wirtschaft hiervon profitieren kann. Mitgliedstaaten verpflichten sich zu Reformen und Investitionen, deren Umsetzung engmaschig von der EU-Kommission überprüft wird.

Da die EU-Kommission die Mittel des NGEU am Kapitalmarkt aufnimmt, ist es wichtig, dass die Mittel überwiegend investiv eingesetzt werden. Unternehmen sollten unmittelbar von mit diesen Mitteln verbesserten wirtschaftliche Rahmenbedingungen profitieren, weil sie auch den größten Teil der zukünftigen Finanzierungslast dieses Hilfs-fonds in Form von Tilgungen und Zinszahlun-gen tragen.

Weil Deutschland einen höhere Finanzie-rungsanteil am Fonds NGEU trägt, werden die finanziellen Spielräume der nationalen öffentlichen Haushalte eingeengt. Es ist des-halb im Interesse der hiesigen Unternehmen, dass die Einrichtung und eine effiziente, ziel-gerichtete Mittelvergabe des NGEU sorgfäl-tig evaluiert werden – spätestens am Ende der Laufzeit von NGEU im Jahr 2026. NGEU muss nachweisen, dass die in den Mitglied-staaten finanzierten Investitionen und Re-formen Wachstum generieren, das zur Bedie-nung der zukünftigen Finanzierungslasten beiträgt. Falls nach 2026 über eine Verlänge-rung der kreditfinanzierten Unterstützungs-Fazilität diskutiert wird, sollte dies unter Be-achtung der Evaluierungsbefunde stattfin-den.

Das beim NGEU angewendete „Performance-based Budgeting“ sollte auf andere Politikbe-reiche ausdehnt werden. Dieses Ziel verfolgt auch das „Europäische Semester“, bei dem die reguläre Vergabe von EU-Mitteln – wie z.B. aus dem Strukturfonds – an die Umset-zung von Reformen oder den Abbau von Schulden gebunden wird. Spätestens mit dem nächsten Mehrjahres-Finanzrahmen ab 2028 sollte so die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten europäischen Wirtschaftsraumes gestärkt werden, wovon insbesondere die Unternehmen in Deutschland profitieren werden.

Kurze Bewilligungsverfahren und effektive Erfolgskontrolle bei Förderprogrammen durchsetzen (EU)

Bei der Überprüfung des Erfolgs von regulären Förderprogrammen der EU-Kommission steht derzeit vor allem die Frage im Vordergrund, ob die Vergaberegeln eingehalten wurden. Die aus Sicht der Unternehmen wichtigeren Frage, ob mit dem Einsatz der Fördergelder die Ziele erreicht wurden, erhält bisher zu wenig Aufmerksamkeit. Eine unabhängige Evaluierung des Mitteleinsatzes, einschließlich der Verwaltungskosten, ist entscheidend für dessen Effektivität und für ein eventuell erforderliches Nachsteuern. Deshalb sollte die EU-Kommission anhand im Vorhinein definierter, messbarer Kriterien überprüfen, in welchem Ausmaß EU-geförderte Projekte die Wettbewerbsfähigkeit in einem Mitgliedstaat steigern. Ein effektives Controlling sollte sicherstellen, dass EU-Mittel sparsam und mit dem größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen für Unternehmen eingesetzt werden. Bei jedem Projekt sollte geprüft werden, in welchem Umfang privates Kapital einbezogen werden kann, z.B. in Form öffentlich-privater Partnerschaften.

Einfache und transparente Einnahmen für die Europäische Union sicherstellen (EU)

Der EU-Haushalt finanziert sich aus Beiträgen der Mitgliedstaaten. Als einfach und transparent haben sich dabei die sog. BNE-Eigenmittel erwiesen, die anhand des Bruttonationaleinkommens (BNE) eines jeden Mitgliedstaats berechnet werden und unmittelbar dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit widerspiegeln.

Es gibt allerdings eine Vorentscheidung dafür, den finanziellen Mehrbedarf der EU zukünftig durch die Einführung neuer Eigenmittel-Kategorien zu decken, wie zum Beispiel Einnahmen aus dem CO2-Grenzausgleich (vgl. Kapitel „Klimaschutz“).

Zudem hat die EU-Kommission eine EU-Binnenmarktabgabe und eine europäische Finanztransaktionssteuer angekündigt. Diese Varianten sind komplizierter als die BNE-Eigenmittel und bergen die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten. Denn eine EU-Binnenmarktagabe trifft eher große Firmensitze, deren Wirtschaftsaktivitäten ungleichmäßig über das Gebiet der EU verteilt sind. Eine EU-Abgabe, die an die Nutzung des Binnenmarktes anknüpft, würde sogar ein Wesenselement der Europäischen Union kostenpflichtig machen. Werden die Finanzierungslasten in der EU zwischen Staaten ungleich verteilt, resultieren daraus unterschiedlich hohe Belastungen für die Steuern zahlenden Unternehmen, was den Wettbewerb der Standorte erheblich negativ beeinflusst. Eine Finanztransaktionssteuer träfe eher große Finanzplätze, über die nur wenige Mitgliedstaaten verfügen.

Ansprechpartner/-in in der DIHK:

Kathrin Andrae (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Malte Weisshaar (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Sicherheit in der Wirtschaft: Mehr Rechtssicherheit statt Kriminalisierung der Wirtschaft

Für die deutsche Wirtschaft ist es wichtig, auf rechtssichere Rahmenbedingungen vertrauen zu können. Gleichzeitig erwarten Unternehmen angemessenen Schutz vor kriminellen und auch - nachrichtendienstlichen Aktivitäten. Sie sind bereit, den Staat zu unterstützen, z. B. bei der Geldwäscheprävention, wollen dabei aber nicht unangemessen belastet und selbst kriminalisiert werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Bewusstsein für Sicherheitsrisiken stärken (DE)

Die Bedrohung der Wirtschaft durch Spionage und Cyberangriffe nimmt weiter zu: Spionage durch ausländische Nachrichtendienste und konkurrierende Unternehmen sowie Cyberangriffe sind eine ernstzunehmende Bedrohung für die deutsche Wirtschaft. Das Know-how von Unternehmen wird gezielt, z. B. mittels elektronischer Angriffe über die IT-Infrastruktur oder den Einsatz menschlicher Quellen, abgeschöpft. Dies trifft nicht allein die Finanz-, Pharma-, Telekommunikations- und Hochtechnologie-Unternehmen, sondern auch „Hidden Champi-ons“. Betroffen sind wiederholt auch kleine und mittlere Unternehmen. Die IHKs informieren über die Risiken von Spionage und Cybercrime sowie über Präventionsmaßnah-men. Staatlicherseits sind gezielte Informationen über Gefahrenlagen erforderlich, vor allem effektive und ortsnahe Strukturen, die auch KMU in Fällen von Angriffen Unterstützung gewähren.

Alle Unternehmen sind gefordert, sich Gefahren durch Wirtschaftskriminalität wie Diebstahl, Know-how-Abfluss, Cyberangriffe u. ä. stärker bewusst zu machen. Die staatlichen Stellen ihrerseits dürfen sich bei allem Engagement der IHKs nicht auf allgemeine Maßnahmen beschränkenPolitik und Verwaltung sollten konkret helfen, Wirtschaftsspionage, Sabotage und Cyberangriffe wirksam zu verhindern und im Eintrittsfall unbürokratisch die Unternehmen in der Aufarbeitung und Stärkung unterstützen. Insbesondere Cy-berkriminalität sollte intensiver verfolgt werden. In diesem Zusammenhang sind wirksame Maßnahmen gefragt, um z. B. den Missbrauch digitaler Währungen für kriminelle Geschäfte zu verhindern. Wirt-schaftsspionage sollte politisch auf internationaler Ebene geächtet werden. Dabei könnte über eine Anhebung des Strafrahmens bei professioneller Industriespionage, speziell aus dem Ausland per Internet und Schadprogrammen, nachgedacht werden.

Geldwäschevorschriften risikoangemessen straffen (DE+EU)

Geldwäscheprävention und Terrorismusbekämpfung werden auch von der Wirtschaft als wichtige Ziele anerkannt und unterstützt. Denn letztlich schaden beide auch der Wirtschaft erheblich. Das Ziel der Geldwäscheregeln sollte es sein, professionelle, organisierte Geldwäsche effektiv zu verhindern. Die Geldwäscheregeln dürfen aber nicht dazu führen, dass Unternehmen aufgrund immer neuer bürokratischer Hürden übermäßig belastet werden.

Unübersichtliche Regelungen zur Geldwäscheprävention erschweren deren praktische Umsetzung: nicht praktikable Identifizierungspflichten bezüglich Kunden und deren wirtschaftlich Berechtigte sowie umfangreiche Dokumentationspflichten und Präventi-onsmaßnahmen führen zu einem hohen Bürokratieaufwand und teilweise zu nicht erfüllbaren Belastungen bei Unternehmen. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Unternehmen im internationalen Umfeld sollte es keine strengeren Pflichten als durch die EU-Richtlinien geben. Wenn schon ein aufwendiges Transparenzregister betrieben wird, sollte dieses auch zu mehr Rechtssicherheit beitragen, indem die zur Geldwäscheprävention Verpflichteten auf die darin enthaltenen Angaben vertrauen können. Vor allem Familienunternehmen befürchten, dass die sehr weitreichende Einsichtnahmemöglichkeit in dieses Register zu persönlichen Gefährdungen führen kann. Insbesondere die Bußgeldpraxis des Bundesamtes für Verwaltung im Zusammenhang mit dem Transparenzregister erscheint vielen Unternehmen zu weitgehend. Angesichts der auf Landesebene sehr unterschiedlich geregelten Zuständigkeit für die Geldwäscheaufsicht über den Nichtfinanzbereich ist eine einheitliche Anwendungspraxis der Landes-aufsichtsbehörden von großer Bedeutung.

Gewerbliche Schutzrechte wirksam durchsetzen (DE+EU)

Gewerbliche Schutzrechte sind häufig gefährdet. Unternehmen können ihre Patent-, Design- und Markenrechte sowie ihr Know-how in einer globalen Geschäftswelt immer schwerer verteidigen. Häufig agieren Gruppierungen der internationalen organisierten Kriminalität - auch über digitale Zugänge. Deren Anpassungsfähigkeit und Flexibilität hat sich gerade in der Pandemie deutlich gezeigt. Die Kapazitäten von Justiz, Polizei, Zoll und Gewerbeaufsicht für eine effektive Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie sind zu gering.

Angesichts der hohen Gefährdung sollte eine effektive Verfolgung von Marken- und Produktpiraterie durch eine bessere Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Zoll und Gewerbeaufsicht und den dort notwendigen Kapazitäts- und Know-how-Ausbau sichergestellt werden. Über die Gefahren durch Plagiate sollte stärker sensibilisiert werden. Der Schutz geistigen Eigentums sollte nach Möglichkeit ein Baustein in internationalen Handelsabkommen und völkerrechtlichen Vereinbarungen sein. Zwangslizenzen sind angesichts ihrer innovationshemmenden Effekte nur in engsten und klar definierten Ausnahmekonstellationen denkbar, bei denen Schutzgüter mit überragendem öffentlichen Interesse auf dem Spiel stehen.

Rechtssicherheit für Compliance notwendig (DE+EU)

Das deutsche und europäische Wirtschaftsrecht hat eine Größenordnung angenommen, die es auch für viele Experten im Detail kaum noch überschaubar erscheinen lässt. Rechtsunsicherheit und Bürokratie hemmen Innovation und stellen eine neue Risikokategorie für unternehmerisches Handeln dar. Damit steigen die Anforderungen an die unternehmensinternen Kontrollsysteme unverhältnismäßig.

Die Rechtsunsicherheit ist für Unternehmen in strafrechtlichen Kontexten besonders gefährlich. Der strafrechtliche Untreuetatbestand ist kaum begrenzt und angesichts der Einzelfallrechtsprechung auch für Fachkundige kaum noch verständlich. Echte oder ver-meintliche „Unternehmensskandale“ führen so zu Forderungen nach „Bestrafung“ des Unternehmens und damit aller Arbeitnehmer und Anteilseigner, nicht mehr einzelner schuldiger Täter.

Politik, Strafverfolgungsbehörden und Justiz sollten gemeinsam für ein eindeutiges und verständliches Recht sorgen und dessen ein-heitliche Anwendung national, aber auch europäisch und international verwirklichen.

Wichtig ist auch, dass Unternehmen erkennen können, welche Stelle im föderalen Staat ihr richtiger Ansprechpartner ist. Kompeten-zen sollten klar abgegrenzt, aufeinander abgestimmt und für Unternehmen deutlich wahrnehmbar sein.

Kein Unternehmensstrafrecht, aber Berücksichtigung von Compliance (DE)

In Politik und Gesellschaft ist ein zunehmender Trend einer Kriminalisierung der Wirtschaft erkennbar. Dazu gehört auch der Ruf nach einem Unternehmensstrafrecht. Unternehmerisches Handeln wird im politischen Diskurs wiederholt unter Generalverdacht gestellt, in Deutschland wurde eine Haftung ohne Schuld diskutiert und in der EU diese in Einzelsektoren eingeführt. Demgegenüber erscheint es überlegenswert, Ressourcen der Staatsanwaltschaft zu erhöhen oder etwaige Lücken über das Ordnungswidrigkeitenrecht zu regeln. Dabei ist es entscheidend, anders als bislang, auch Compliance-Maßnahmen als tatbestandsausschließend, zumindest aber bußgeldmindernd oder bußgeldausschließend anzuerkennen. Denn wenn Unternehmen entsprechend ihrer Größe alles ihnen Mögliche getan haben, Rechtsverstöße zu verhindern, muss dies Berücksichtigung finden. Für die Unternehmen sollte hierbei ersichtlich sein, was als angemessene Maßnahmen zu beurteilen ist, um einen Strafausschluss oder zumindest die Milderung zu erreichen. Gleichzeitig sollte es vermieden werden, fehlende Kapazitäten auf Seiten der Staatsanwaltschaften durch überschießende Kooperationspflichten der Unternehmen zu kompensieren und damit faktisch die Strafverfolgung durch Verlagerung auf die Unternehmen zu privatisieren. Zudem ist sicherzustellen, dass Bußgelder verhältnismäßig und angemessen sind – umsatzbezogene Bußgelder, insbesondere wenn auf den Konzernumsatz abgestellt wird, erscheinen bedenklich.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Hildegard Reppelmund (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Datenschutz: Umsetzung vereinfachen, Durchsetzung vereinheitlichen

Die EU strebt an, mit der DSGVO weltweites Vorbild für ein fortschrittliches Datenschutzrecht und ein entsprechend hohes Datenschutzniveau zu sein. Bei der Umsetzung der ambitionierten Vorgaben stoßen jedoch viele Unternehmen an ihre Grenzen. 3 Die von der EU bewusst als Kompromiss eingeführte Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen führt in der Praxis zu Verunsicherung. Die Rechtsunsicherheiten bremsen die Unternehmen dabei aus, neue Geschäftsmodelle und Innovationen weiterzuverfolgen.

Die global vernetzten Wirtschaftsbeziehungen sind für Unternehmen in Deutschland und Europa von fundamentaler Bedeutung. Dafür ist der internationale Datentransfer essenziell. Aber nur für wenige Drittstaaten gibt es aber Angemessenheitsbeschlüsse der EU. In allen anderen Fällen müssen die Unternehmen das Datenschutzniveau in einem Drittland selbständig beurteilen – was häufig nicht möglich ist.

Bei der Entwicklung des Datenschutzrechts innerhalb Europas und auf internationaler Ebene sollten daher Praktikabilität und Umsetzbarkeit der Datenschutzbestimmungen im Fokus stehen. Das durch die DSGVO angestrebte Ziel einer Harmonisierung und Rechtsvereinheitlichung muss zudem stringenter verfolgt werden. Unklarheiten zwischen neuen Regulierungen in der Datenökonomie und der DSGVO müssen ausgeräumt werden, damit Europa einen Spitzenplatz bei den Zukunftsthemen KI und Datenökonomie einnehmen kann.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Erleichterungen bezüglich der Dokumentations-, Informations- und Nachweispflichten, insbesondere für KMU schaffen (EU)

Datenschutz ist angesichts einer rasant fortschreitenden Digitalisierung des privaten und öffentlichen Lebens für die Wirtschaft ein wesentliches und wichtiges Element des europäischen Binnenmarkts. Die bisherige Umsetzung der DSGVO hat allerdings gezeigt, dass die hohen Anforderungen an die Unternehmen große Schwierigkeiten bereiten. Die für KMU geregelte Ausnahme in Art. 30 Abs. 5 DSGVO findet in der Praxis kaum Anwendung. Auch der Erwägungsgrund 13, nach dem die besonderen Bedürfnisse der KMU bei der Anwendung der Verordnung berücksichtigt werden sollen, wird nicht beachtet. Es gilt mit eindeutigen Erleichterungen bzw. Ausnahmen für KMU, wie sie bereits in der DSGVO angelegt sind, nachzubessern. Bei datenarmen Verarbeitungen oder Datenverarbeitungen mit geringem oder normalem Risiko sind die umfassenden Dokumentations-, Informations- und Nachweispflichten unverhältnismäßig und nicht angemessen. Gleichzeitig steigt dadurch das Datenschutzniveau nicht. Der risikobasierte Ansatz muss daher zukünftig durchgehend beachtet werden.

Rechtssicherheit und Klarheit unmittelbar in der DSGVO schaffen statt in langwierigen behördlichen und gerichtlichen Verfahren (DE+EU)

Um der Rechtsunsicherheit zu begegnen, bedarf es textlicher Klarstellungen unmittelbar in der DSGVO oder zumindest in Erwägungsgründen. Hierdurch wird ein notweniger Schritt zur dringend erforderlichen Vereinheitlichung getan. Musterformulare und Checklisten sowie Leitlinien und Empfehlungen, die praxisnah sind und auch unternehmerische Gestaltungsspielräume ermöglichen, können dann verbliebene Rechtsunsicherheiten eindämmen.

Klare Voraussetzungen für Schadensersatzersatzansprüche nach DSGVO schaffen (DE+EU)

Große Unsicherheiten bestehen in der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Schadenersatzrecht. Die gerichtliche Praxis in den Mitgliedstaaten ist überaus unterschiedlich, bei nahezu identischen Sachverhalten. Trotz Rechtsprechung des EuGH, der mittlerweile einzelne Fragen geklärt hat, ist in der Praxis vielfach unklar, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Umfang bei Verstößen gegen die DSGVO Schadenersatz geltend gemacht werden kann. Gerade im Zusammenhang mit Kollektivklagen droht eine Situation, in der wegen der andauernden Rechtsunsicherheit bei gleichzeitig zu erwartenden Sammelklagen strategische Innovationspotentiale gehemmt werden. Es sollte eindeutig geregelt werden, unter welchen strikten Voraussetzungen eine Verbandsklagebefugnis überhaupt gegeben sein kann. Allein die Bedeutung des Datenschutzrechtes kann eine solche Verbandsklagebefugnis nach Ansicht der Wirtschaft noch nicht rechtfertigen. Insbesondere auf das Erfordernis nachweisbaren persönlichen Verschuldens für einen Schadenersatzanspruch sollte nicht verzichtet werden.

Internationale Datenschutzvereinbarungen vorantreiben. Schneller über Datenschutzniveau in Drittstaaten informieren und Angemessenheitsbeschlüsse bearbeiten (DE+EU)

Datenschutzrechtliche Regelungen können wegen der globalen Datenströme nicht mehr von einzelnen Nationalstaaten beschlossen werden, sondern es bedarf Staatenübergreifender Vorschriften. Die DSGVO kann aber nur ein Baustein auf dem Weg zu internationalen Regelungen sein. Der von der EU erhoffte „Brussels-effect“, wonach sich viele Staaten den inhaltlichen Maßgaben der DSGVO anschließen, hat sich nicht eingestellt. Solange es auch keine verbindlichen internationalen Vereinbarungen gibt, muss die EU mit dem Instrument der Angemessenheitsbeschlüsse schneller agieren. Zudem müssen die Beschlüsse auch dauerhaft und belastbar sein. Soweit kein Angemessenheitsbeschluss vorliegt, sollten die EU-Kommission und die Datenschutzaufsichtsbehörden zeitnah einheitliche Informationen zum Datenschutzniveau in Drittstaaten herausgeben, damit nicht jede Behörde und jedes Unternehmen dies selbst ermitteln muss.

Harmonisierung stringenter verfolgen (DE+EU)

Die durch die DSGVO angestrebte EU-weite einheitliche Anwendung hat sich bisher noch nicht verwirklicht. Die Möglichkeit der Öffnungsklauseln führt in der Praxis zur Rechtszersplitterung und damit unterschied-lichen Marktbedingungen. Die Öffnungsklauseln der DSGVO für EU-Staaten sollten nur restriktiv genutzt werden. Insbesondere dürfen nationale Regelungen nicht zu überschießender Regulierung (sog. „gold-plating“) führen. In Deutschland wurden z. B. Regelungen für die Benennung von betrieblichen Datenschutzbeauftragten sowie für den Beschäftigtendatenschutz geschaffen. Es muss ein angemessener Ausgleich zwischen dem Datenschutz und der technischen Entwicklung in der Arbeitswelt gefunden werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Deutschland auf dem Weg zur Digitalisierung stagniert bzw. abgehängt wird. Datenschutz muss umsetzbar sein und eine Datenverarbeitung im Zuge des Fortschritts in der digitalen Welt z. B. in Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz ermöglichen.

E-Privacy-VO praxisnah und kohärent zur DSGVO ausgestalten (EU)

Eine künftige E-Privacy Verordnung, die dem Schutz vor unerwünschtem Daten-Tracking dient, sollte einen verlässlichen, praktikablen und technikneutralen Rechtsrahmen bilden und moderne Informations- und Konsumbedürfnisse abbilden. Ausreichend zu berück-sichtigen sind zudem Belange der Wirtschaft, insbesondere der KMU. Die Regelungen sollten konsistent und kohärent zur DSGVO sein.

Datenschutz und Datenökonomie in Einklang bringen (EU)

Die rechtliche Gestaltung der Datenökonomie muss für die Unternehmen mindestens unionsweit einheitlich beantwortet werden. Es bedarf eines verlässlichen Rechtsrahmens mit klaren, wettbewerbsfähigen, international abgestimmten Rahmenbedingungen, in-nerhalb dessen Datenverarbeitung möglich ist. Insoweit muss sich die Auslegung der Normen daran orientieren, ob die Adressaten tatsächlich in der Lage sind, die Pflichten inhaltlich zu erfüllen. Bei Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Daten-ökonomie sind Kohärenz und Konsistenz mit bestehenden Regelungen wie z. B. der DSGVO dringend erforderlich. Datenschutzregeln dürfen dabei jedoch nicht unverhältnismäßig ausgeweitet werden, denn dies gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit und birgt das Risiko einer Abwanderung in das Ausland, wo Anforderungen ggf. besser erfüllbar sind.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Kei-Lin Ting-Winarto (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Standortfaktor Recht: Strategische Klagen limitieren und Prozessfinanzierung regulieren

Kollektive Klageinstrumente halten Einzug in vielen europäischen Rechtsordnungen. Ursprünglich als Erfolg für den Umwelt- und Verbraucherschutz und den „besseren“ Zugang zur Gerichtsbarkeit gesehen, finden die Interessen und Risiken für die Unternehmen im Einzelnen und die Wirtschaft im Ganzen nur jedoch nur noch selten Gehör. Dabei bergen diese Instrumente erhebliche Gefahren und Missbrauchspotenziale. Als Beschleuniger wirkt vor allem die Möglichkeit, Klagen durch Prozessfinanzierer fremdfinanzieren zu lassen. Transparenzpflichten fehlen, ebenso Vorgaben für die Mittelherkunft selbst oder die Einflussmöglichkeiten des Investors. Damit wird die prozessuale Gleichheit der Parteien (“equality of arms”) stark in Frage gestellt. Bislang agieren Prozessfinanzierer und finanzierte Streitparteien in einem nahezu gänzlich unregulierten Feld.

Eine eigenständige Kategorie bilden strategische Klagen, die – nicht selten auch in Teilen staatlich finanzierte – NGOs vornehmlich der Durchsetzung politischer Ziele dienen. Breite Bekanntheit haben zuletzt Klimaklagen erreicht, vom Bundesverfassungsgericht über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bis hin zu dutzenden Verfahren allein in Deutschland, weltweit handelt es sich um mehrere hundert Klagen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Nachbesserungsbedarf bei der Verbandsklagenrichtlinie und dem deutschen VDUG (DE+EU)

Mit der sog. Verbands- oder Kollektivklagenrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber einen Rahmen geschaffen, EU-weit ein neues Kollektivklageinstrument einzuführen. Derzeit besteht sowohl hinsichtlich der Richtlinie auf europäischer Ebene als auch der deutschen Umsetzung in Gestalt des Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetzes (VDUG) Nachbesserungsbedarf. Dies betrifft zunächst die geringen Hürden (z. B. fehlende Mindesteintragungsdauer in die Liste der qualifizierten Verbraucherverbände, zu niedriges Verbraucherquorum etc.). Darüber hinaus sollte der Anwendungsbereich der kollektiven Abhilfeklage nicht auf weitere EU-Rechtakte erweitert werden. Vielmehr bedarf der bisherige Katalog der Überprüfung, inwieweit der Anwendungsbereich auf eindeutige Rechtspositionen hin eingeschränkt werden sollte, denn Rechtsunsicherheit darf nicht zu Lasten der verpflichteten Unternehmen gehen. Kollektivklagen zur Durchsetzung der DSGVO bzw. darauf basierende immaterielle Schadenersatzansprüche werden von den Unternehmen als missbrauchsanfällig abgelehnt.

Keine Prozessfinanzierung im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes (DE+EU)

Die Möglichkeit der Zuhilfenahme eines Prozessfinanzierers sollte aus Sicht der Mehrheit der Wirtschaft für Kollektivklagen zwingend ausgeschlossen werden. Denn dem Geschädigten wird in dieser Konstellation zum einen selbst bei erfolgreicher Sammelklage nicht der vollständige Schadenersatz gezahlt – einen hohen prozentualen Anteil (20-50 %) müssten diese an den Prozessfinanzierer abgeben. Die hohen Renditeerwartungen von Prozessfinanzierern sind im Kollektivklagenbereich aber nicht Teil des zu ersetzenden Schadens und dürfen nicht zu Lasten der Geschädigten gehen. Zudem besteht bei Drittfinanzierung mit Gewinninteresse ein hohes Missbrauchspotenzial, dem nicht allein mit Transparenzvorschriften begegnet werden kann. Insbesondere öffnet das Zusammenspiel aus Kollektivklagen und Prozessfinanzierung Tür und Tor für strategische Klagen, die das Ziel haben, Unternehmen trotz rechtmäßigen Handelns in Verhandlungen zu zwingen und zur Änderung ihres Geschäftsverhaltens zu zwingen oder durch die Notwendigkeit der Verteidigung gegen solche Klagen finanziell zu schädigen. Indem auch in Deutschland Unternehmen auch für rechtmäßiges Handeln gerade in innovativen Sek-toren haftbar gemacht werden (so z. B. mit der 11. GWB-Novelle), wird unternehmerisches Handeln unverhältnismäßig belastet. Gleiches gilt für die Risiken der zivilrechtlichen Haftung nach der EU-Lieferkettenrichtlinie.

Chancengleichheit als Regulierungsmaxime in der Prozessfinanzierung (DE+EU)

Es muss darum gehen, einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Verbraucherinteressen und den rechtmäßigen wirtschaftlichen Belangen von Unternehmen gehen. Den Verbraucherinteressen ist durch die Einführung weitreichender Kollektivklagebefugnisse bereits erheblicher Raum eingeräumt worden. Recht (und Recht erhalten) darf allerdings nicht zum Investitionsobjekt werden.

Soweit durch die EU die Prozessfinanzierung reguliert werden sollte, sollten sich die Maß-nahmen daran orientieren, dass im Bereich der Kollektivklagen Chancengleichheit im Prozess besteht. Das setzt mindestens die Transparenz der Vereinbarungen mit Prozess-finanzierern für alle Prozessbeteiligten voraus, ebenso dürfen Dritte keinerlei Einfluss auf den Prozess erlangen. Wünschenswert wäre eine gerichtliche Genehmigung der Drittfinanzierung, nach auch materiellrechtlicher Kontrolle auf Sittenwidrigkeit.

Standards für Prozessfinanzierung erforderlich (DE+EU)

In Konstellationen außerhalb von Kollektivklagen kann das Instrument der Prozessfi-nanzierung eine sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Prozesskostenhilfemöglichkeiten darstellen. Dies gilt sowohl für Individualverbraucherklagen, vor allem aberauch im un-ternehmerischen Bereich, z. B. für KMU, die so ihre Liquidität schonen können. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass es sich bei der Prozessfinanzierung letztlich um ein Finanzprodukt handelt, nicht um ein Element effektiven Rechtsschutzes. Insofern sollte die Zulassung und das Marktverhalten der Prozessfinanzierer unter staatliche Aufsicht gestellt werden, eingegliedert in das Modell der Finanzmarktaufsicht oder dieser zumindest in wesentlichen Aspekten nachempfunden.

Auch im konkreten Anwendungsfall braucht es Transparenz, um missbräuchlichen Effekten vorzubeugen: Wer sich in einem Rechtsstreit eines Prozessfinanzierers bedient, muss zur vollständigen Offenlegung der Finanzierungsvereinbarung gegenüber allen Beteiligten verpflichtet werden. Aus ihr muss neben der Identität des Finanzierers, den konkreten Einflussmöglichkeiten im Prozess und der Mittelherkunft auch hervorgehen, ob zwischen dem Finanzierer und dem beklagten Unternehmen eine Beziehung besteht, sei sie in Gestalt einer geschäftlichen Verbindung oder einer Konkurrenzsituation. So kann verhindert werden, dass diese Klagen ohne Kostenrisiko für andere Zwecke entfremdet werden, z. B., um an Geschäfts- und Produktionsgeheimnisse zu gelangen, die mehr Wert sein können als eine etwaig verlorene Klage. Solche Situationen sind gegenwärtig wegen fehlender Regulierung und Einführung von neuen, der US-disclosure-nachgebildeten Elementen im materiellen Recht (so vor allem in der Produkthaftungs-Richtlinie) wahrscheinlich.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Isabel Blume (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Industrie: Standort stärken, Wettbewerb sichern

Als Treiber von Forschung und Entwicklung, Vorreiter beim Einsatz von Klima- und Umwelttechnologien sowie maßgebliches Glied von Wertschöpfungsketten prägt die Industrie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung am Standort Deutschland und in Europa ent-scheidend. Durch ihre Produktivität sichert die Industrie gut bezahlte Jobs am Standort Deutschland.

Der industrielle Kern ist zudem Grundlage für das Netzwerk Industrie am Standort Deutschland – ein enger Verbund von Produzenten, Zulieferern und Dienstleistern mit Start-Ups, kleinen und mittelständischen Unternehmen und der Großindustrie. Das Netzwerk Industrie steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen wie der digitalen und grünen Transformation und dem demografischen Wandel. Zudem kommen zu einer schwierigen konjunkturellen Lage wachsende strukturelle Defizite am Standort Deutschland. Dazu gehören schleppende Planungs- und Genehmigungsverfahren, hohe Energiekosten, aber auch eine Fülle von bürokratischen Auflagen. Der heimische Standort verliert an Attraktivität. Die Folge ist, dass notwendige Investitionen unterbleiben oder gar an anderen Standorten getätigt werden. Dies wirft nicht nur den Industriestandort Deutschland zurück, sondern auch Europa.

Umso wichtiger ist daher eine Politik, die auf eine Verbesserung der Standortfaktoren setzt und auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruht. Von solch einer horizontalen Industriepolitik profitiert die Breite der Wirtschaft. Eine vertikale Industriepolitik in Form von se-lektiven staatlichen Eingriffen kann hingegen marktverzerrende Effekte erzeugen und sollte nur in besonders gut begründeten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Mehr Investitionen durch wettbewerbsfähige Standortfaktoren (DE+EU)

Um den Industriestandort Deutschland zu erhalten und zu stärken, sind verlässliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen eine notwendige Voraussetzung. Das gibt ihnen vor allem die nötige Planungssicherheit für Investitionen. Zu den relevanten Standort-faktoren für die Industrie zählen insbesondere eine bezahlbare, verlässliche und klimaschonende Energieversorgung, eine gut ausgebaute Infrastruktur, d. h., eine leistungsstarke Verkehrsanbindung, eine umfassende Versorgung mit digitalen Netzen, und ein ausreichend großes Potenzial an kurzfristig nutzbaren Industrie- und Gewerbeflächen. Benötig werden zudem eine langfristige Planungssicherheit für die Rohstoffversorgung sowie gut ausgebildete Fachkräfte. Darüber hinaus braucht ein international wettbe-werbsfähiger Industriestandort ein modernes Steuersystem, bürokratische Entlastungen und eine digitale Verwaltung. Insgesamt sollten neue Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene stärker als bisher die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europä-ischen Industrie gegenüber ihren globalen Konkurrenten im Blick haben und die Investitionsbereitschaft anregen.

Attraktivität auch für ausländische Investitionen erhöhen (DE)

Als stark exportorientierte Nation ist der Industriestandort Deutschland auf offene Märkte und auch auf ausländisches Kapital angewiesen. Wettbewerbsfähige Standortfaktoren helfen, ausländisches Kapital ins Land zu bekommen. Dazu gehört auch der Schutz des Eigentums sowie die Kapitalverkehrsfreiheit als Eckpfeiler der marktwirtschaftlichen Grundordnung. Unternehmen sollten über ihr Eigentum frei verfügen dürfen, um auf Marktveränderungen reagieren zu können. Deswegen sollten staatliche Beschränkungen, Unternehmen im Ganzen oder in Teilen an ausländische Investoren zu veräußern, sehr gut begründet und gerichtlich überprüfbar sein. Die Politik sollte sich dafür einsetzen, dass staatliche Eingriffe bei ausländischen Kapitalbeteiligungen an deutschen Unternehmen die Ausnahme bleiben. Eingriffe sollten vorrangig dazu dienen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten.

Wertschöpfungsketten stärken – vor allem durch Innovationen (DE+EU)

Um Wertschöpfungsketten hierzulande zu stärken, benötigen Unternehmen neben funktionierenden Standortfaktoren vor allem ein innovationsfreundliches Umfeld für alle Teile der Wertschöpfungskette. Dafür braucht es einerseits breit angelegte, flexible, technologieoffene und bürokratiearme Ansätze in der Forschungspolitik auch mit Hilfe von Reallaboren und andererseits eine stärkere Nutzung industrierelevanter Quer-schnittstechnologien. Dazu zählt z. B. Künst-liche Intelligenz (KI) oder auch Kreislaufwirt-schaft, deren Anwendung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gemeinsam gestärkt werden sollte.

Wenn staatliche Maßnahmen auf europäischer Ebene zur Stärkung von mitgliedstaatenübergreifenden Wertschöpfungsketten ergriffen werden, so sollten sie solche Bereiche adressieren, die eine Entlastung für die Breite der Unternehmen schaffen. Dazu gehört z. B. ein beschleunigter Zugang zu heimischen Rohstoffen, das Entwickeln der notwendigen Fachkräfte oder das Beseitigen von regulatorischen Hürden etwa bei Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Kritische Abhängigkeiten verringern und in Zukunft verhindern (EU)

Bei einseitigen kritischen Abhängigkeiten der EU von anderen Ländern können klar definierte und zielgerichtete staatliche Maßnahmen sinnvolle Ergänzungen sein. Anstatt einzelstaatlicher Alleingänge sollte die EU solche Initiativen auf europäischer Ebene koor-dinieren (bspw. im Rahmen von „Important Projects of Common European Interest“) und nur im Austausch mit der Wirtschaft ergreifen. Allerdings sollten solche Eingriffe nur in wenigen und gut begründeten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.

Perspektivisch ist es jedoch wichtig, die Ursachen für einen teilweise verlorenen Anschluss in manchen wichtigen Technologiefeldern zu beseitigen. Dazu gehört v. a. die Anpassung unternehmerischer Rahmenbedingungen, so dass zukünftige innovative Technologien von Unternehmen in der EU global wettbewerbsfähig entwickelt und produziert werden können und Importabhängigkeiten bei strategisch wichtigen Produkten zukünftig gar nicht erst entstehen.

Clusterpotenziale für die Industrie nutzen (DE)

Cluster leisten einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung von verschiedenen Akteuren, so aus Wirtschaft sowie Wissenschaft, Zivilgesellschaft oder Politik – und das über Branchen und Technologien hinweg. Sie können damit Forschung, Innovation sowie unter-nehmerische Dynamik fördern, dadurch Transformationsprozesse in Gang setzen und auch als Reallabor tätig werden. Erfolgreiche Cluster lassen sich allerdings nicht politisch verordnen, sondern brauchen mittel- und langfristig selbsttragende Strukturen. Basis politischer Aktivität auf diesem Feld sollten dabei die Bedürfnisse und Aktivitäten der Unternehmen vor Ort sein („Bottom-up“-Ansatz). Eine Clusterförderung (z. B. für ein Clustermanagement) sollte zeitlich begrenzt und degressiv ausgestaltet sein.

Akzeptanz von Industrie erhöhen (DE+EU)

Die Industrie stemmt hierzulande über 80 Prozent der privatwirtschaftlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE). Diese neuen Technologien müssen aber auch gesellschaftlich verstanden und akzeptiert werden. Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf den weltweiten Wettlauf um Innovationen. Entsprechend notwendig ist es, den Stellenwert der Industrie für Innovation, aber auch für Stabilität und Beschäftigung noch stärker als bisher aufzeigen. Hierbei spielen neben Medien auch regionale Industrieinitiativen unter Beteiligung der Wirtschaft und der IHKs eine wichtige Rolle. Um die Aufgeschlossenheit gegenüber dem technologischen Fortschritt zu fördern, sollten zudem Wirtschaft, Politik, Medien sowie Schulen und Hochschulen noch stärker als bisher zusammenarbeiten – auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Bereits in der schulischen Ausbildung sollten ein besseres Verständnis und Interesse für Innovation und Technologien geweckt werden (vgl. Kapitel „Fachkräftesicherung: Berufliche Bildung stärken – Fachkräftepotenziale heben“).

Ansprechpartner/-in in der DIHK:

Susanne Gewinnus (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Thorben Petri (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Forschung und Innovation: Prozesse vereinfachen, Innovationen anschieben

Digitalisierung, klimafreundlichere Energieversorgung oder die Bewältigung des demografischen Wandels – diese Herausforderungen verdeutlichen, wie sehr die deutsche Wirtschaft auf Forschung und Innovation angewiesen ist. Zur Stärkung der Innovationskraft Deutschlands hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, die Ausgaben für FuE deutlich zu erhöhen. Die Zielsetzung ist richtig, da Forschung und Entwicklung Unternehmen helfen, durch neue Produkte, Dienstleistungen und Technologien international wettbewerbsfähig zu bleiben. Neue Ideen und Produkte „Made in Germany“ können zudem dabei unterstützen, Krisen nachhaltig zu überwinden.

Allerdings benötigen Unternehmen hierfür auch geeignete Rahmenbedingungen. Denn die Wirtschaft trägt zwei Drittel der nationalen FuE-Ausgaben. Umfragen der IHK-Organisation zeigen, dass die Innovationsaktivitäten der Unternehmen rückläufig sind. Um den Innovationsstandort Deutschland zu stärken, sollte die Politik einerseits die Innovationsförderung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auf Effektivität prüfen und weiterentwickeln. Andererseits sind Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für private Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten notwendig. Damit deutsche Unternehmen wieder verstärkt in Innovationen investieren, ist ein schnelles, konzertiertes Vorgehen von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nötig.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Bürokratie abbauen und Verfahren vereinfachen (DE+EU)

Hohe bürokratische Anforderungen im Innovationsprozess machen vielen Unternehmen zu schaffen und binden Ressourcen, die für Forschung und Entwicklung fehlen. Darunter fällt z. B. der Zeit- und Kostenaufwand bei Zulassungs- und Genehmigungsverfahren. Aber auch Produktvorschriften und regulatorische Anforderungen belasten die Unternehmen und können Innovationen erschweren. Zudem vermissen Unternehmen oftmals qualifizierte Personen in den Aufsichtsbehörden, die verbindliche Auskünfte geben.

Die Entschlackung von Verfahren kann die Unternehmen dabei unterstützen, ihre Innovationstätigkeit zu verstärken. Dazu sollte die Politik Gesetzesvorschläge auf Innovationsfreundlichkeit prüfen und Innovationshemmnisse, die sich aus dem geltenden Recht für Unternehmen ergeben, abbauen. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz entwickelte Format der „Praxis-Checks" könnte hier Pate stehen. Auf europäischer Ebene sollte sich die Politik für den Abbau von Innovationshemmnissen im EU-Recht einsetzen, z. B. in Form einer höheren Transparenz und Hilfe bei der Orientierung in der Vielzahl von Produktvorschriften.

Bewährte Förderinstrumente verbessern (DE)

Um Innovationsvorhaben neuen Schwung zu verleihen, bedarf es einer breiten Innovations- und Standortpolitik, die sowohl kleine, junge und mittelständische Unternehmen als auch größere Unternehmen berücksichtigt. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittel-stand (ZIM), die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF), „KMU-innovativ“, die steuerliche Forschungsförderung „Forschungszulage“ und INNO-KOM sind hilfreiche Förderinstrumente. Die Bundesregierung sollte erfolgreiche Fördermöglichkeiten weiter ausreichend und gesichert finanzieren. Unvermittelte Antrags- und Bewilligungsstopps sollten vermieden werden. Insgesamt benötigen innovative Unternehmen eine auch im internationalen Vergleich transparentere und unbürokratischere Innovationsförderung mit vereinfachten Antragsverfahren, verständlichen Formularen und Erklärungen sowie zügigen Bearbeitungszeiten. Um die Innovationsorientierung in der öffentlichen Beschaffung zu erhöhen, kann das Kompetenzzentrum innovative Beschaffung (KOINNO) unterstützen.

Zugang zu EU-Förderung vereinfachen (EU)

Die Innovationskraft von insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen kann mit Förderung nur gestärkt werden, wenn auch die EU ihre Innovationsförderung KMU-freundlich gestaltet (vgl. Kapitel „Mit-telstand stärken“). Dazu gehören themenoffene Ausschreibungen, eine bürokratiearme Antragstellung, zweistufige Auswahlverfahren zur Reduktion der hohen Überzeichnung, kurze Fristen vom Antrag bis zum Förderbescheid und eine angemessene finanzielle Mittelausstattung von Fördermaßnahmen. Die frühzeitige Einbindung der gewerblichen Wirtschaft ist ebenfalls wichtig.

Reallabore flächendeckend einführen (DE+EU)

Reallabore machen es möglich, zeitlich befristet und zumeist räumlich abgegrenzt, Innovationen in einem gelockerten Regulierungsrahmen voranzutreiben. Damit können neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen hervorgebracht werden. Reallabore können zudem die Vernetzung der Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik stärken. Auf Basis der im Reallabor gewonnenen Ergebnisse kann der Rechtsrahmen angepasst werden. Sie sind ein wirksames Instrument, um Innovationen zu erleichtern und zu beschleunigen. Die Bundesebene sollte hierbei vorangehen und den Ländern entsprechende Handlungsspielräume eröffnen. Die Entstehung von Reallaboren sollte bundesweit gefördert und ermöglicht werden. Unterstützen könnte auch ein legislativer Experimentierklausel-Check, der dazu dienen würde, jedes neue Gesetz auf die Möglichkeit der Umsetzung von neuen Reallaboren zu prüfen.

Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern (DE)

Zur Stärkung des Transfers zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sollten sich Hochschulen und Forschungseinrichtungen noch weiter als bisher für eine Zusammenarbeit mit Unternehmen öffnen, indem der Transfer als dritte Säule neben Forschung und Lehre gestärkt wird. Der Technologietransfer sollte stärker im Fokus der Hochschulen sowie der öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen stehen, die das Angebot privater FuE-Dienstleister ergänzen sollten. Dazu brauchen sie entsprechende Ressourcen, um einen regelmäßigen Austausch mit der Wirtschaft zu ermöglichen und die breite Vielfalt des deutschen Wissenschaftssystems zu erhalten. Insgesamt ist es wichtig zu evaluieren, wie sich bisherige Transfermaßnahmen niedergeschlagen haben. Gerade für den Mittelstand sind feste, regionale und wirtschaftsnahe Ansprechpartnerinnen und –Partner zum Technologietransfer entschei-dend. Sie können den Kontakt zu Unternehmen und Wissenschaft herstellen, Projekte initiieren, bei deren Durchführung unterstützen, anwendungsnahe Innovationspotenziale sichtbar und für KMU nachvollziehbar aufbereiten sowie den Schutz des geistigen Eigen-tums fördern. Hilfreich wäre zudem eine erhöhte, digitale Transparenz bei Portalen zu FuE- und Transferkompetenzen. Perspektivisch wird KI hier eine größere Rolle spielen.

Innovationsfähigkeit auch mit Start-ups stärken (DE+EU)

Als junge, wirtschaftlich oftmals mit höheren Risiken behaftete Unternehmen benötigen besonders Start-ups Ressourcen, um Produkte zur Markreife zu entwickeln und in den Markt zu bringen. Der deutsche Wagniskapitalmarkt ist im internationalen Vergleich schwach entwickelt. Es gibt hierzulande im internationalen Vergleich wenige aktive Business Angels und Venture Capital Fonds. Großvolumige Anlagemöglichkeiten für institutionelle Anleger fehlen, ebenso wie Anreize für kleine und mittlere Unternehmen, um mit Start-ups zu kooperieren.

Die Maßnahmen des Gesetzgebers zur verbesserten Möglichkeit des Verlustvortrages sind ein wichtiger Schritt zur Belebung des Wagniskapitalmarkts. Darüber hinaus sollte die Besteuerung von Wagniskapitalfonds rechtssicher ausgestaltet werden, so dass klar ist, in welchen Fällen zusätzlich zum Anleger der Fonds selbst Steuern zahlen muss. Zur verbesserten Zusammenarbeit kann auch der weitere Aufbau hochschulnaher und gleichzeitig unternehmerisch orientierter Gründungszentren, wie z. B. Start-up Factories, dienen.

Innovationsagenturen wirtschaftsnah aufstellen (DE)

Die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) soll nach Willen der Politik als eigenständige Förderagentur dazu beitragen, Forschungsergebnisse durch einen effektiven Ideen-, Wissens- und Technologietransfer in die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Anwendung zu bringen. Dabei sollte aus Sicht der Wirtschaft die DATI nicht nur (regionale) akteursoffene Innovationsnetzwerke unter Beteiligung der Wirtschaft initiieren, sondern auch den Transfer durch niederschwellige und unbürokratische Fördermöglichkeiten unterstützen. Wichtig ist dabei, dass die DATI wirtschaftsnah arbeitet, um z. B. auch kleinere Unternehmen einzubeziehen. Denn die finanziellen und personellen Kapazitäten kleinerer Unternehmen sind häufig nicht für längerfristige, abstimmungsintensive Forschungsprojekte mit der Wissenschaft ausgelegt. Das gilt auch für die 2019 gegründete Agentur für Sprunginnovationen (SprinD). Die SprinD sollte zukünftig stärker auf bestehende Unternehmen zugehen. Um ihre Reichweite zu erhöhen und die Bekanntheit ihres Angebots zu steigern, sollte die SprinD zudem ihr Angebot in der Fläche bekannt machen.

Schutz geistigen Eigentums auch in Krisenzeiten garantieren (DE+EU)

Fairer Wettbewerb wird auch durch einen effektiven und verlässlichen Schutz des geistigen Eigentums (IP) erreicht, insbesondere bei technischen Innovationen durch das Patentrecht. Besonders für den Forschungs- und Investitionsstandort Europa gilt: Dieser Schutz sollte auch in Krisenzeiten wie der Covid-Pandemie Bestand haben, denn der Schutz Geistigen Eigentums kann ein wichtiger Teil der Lösung sein. Die teilweise Aufhebung von globalen Schutzmechanismen für Geistiges Eigentum u. a. mit dem Ziel des Gesundheits-schutzes, wie sie in der Welthandelsorganisation diskutiert wurde, bedarf aus Sicht der Wirtschaft der gründlichen Abwägung. Die Forschung an neuen zukunftsweisenden Produkten und Verfahren erfordert erhebliche Investitionen, welche durch Patentschutz abgesichert werden können. Dadurch stellt das Patentrecht ein wesentliches Instrument zur Innovationsförderung dar. Ohne die Aussicht, diese durch das Patentrecht zu sichern und damit wirtschaftlichen Erfolg abzusichern, ist FuE sowohl national als auch in der EU und weltweit gefährdet. Wichtig wäre dafür ein international möglichst harmonisiertes Patentrecht, um Marktzugangschancen zu verbessern und Bürokratie abzubauen. Der Aufbau einer firmeninternen IP-Strategie ist bei KMU in vielen Fällen jedoch eine Heraus-forderung, bei welcher sie unterstützt werden sollten. Die Durchsetzung von Patentrechten und die Ahndung von Patentrechtsverletzungen sollte international ebenfalls konsequent gewährleistet werden.

Ansprechpartner in der DIHK:

Christian Gollnick (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Thorben Petri (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Gesundheitswirtschaft: Innovationskraft sichern, Effizienzsteigerungen erreichen

Fast jeder sechste Beschäftigte in Deutschland ist in der Gesundheitswirtschaft tätig. Funktionierende Strukturen der Prävention, medizinischen Versorgung und Rehabilitation sowie deren Qualität und Innovationsoffenheit beeinflussen die Arbeitsfähigkeit und Fehlzeiten von Beschäftigten in den Betrieben. Von Rahmenbedingungen, die die Potenziale der Gesundheitswirtschaft zur Entfaltung bringen, profitieren damit nicht nur die Unternehmen dieser Branche, sondern die gesamte Wirtschaft. Nicht zuletzt zeigen regionale oder internationale Krisen immer wieder die Bedeutung einer leistungsfähigen und resilienten Gesundheitswirtschaft für die Gesamtwirtschaft auf. Bestehende Regularien auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene sollten vor diesem Hintergrund auf den Prüfstand gestellt werden, um eine nachhaltige Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Wichtig ist zudem, dass für alle Leistungsbereiche der Gesundheitswirtschaft innovationsoffene und unbürokratische Rahmenbedingungen hergestellt werden, die zugleich die Kosten der Gesundheitsversorgung im Blick behalten. Um auch in Zukunft eine innovative und international wettbewerbsfähige deutsche Gesundheits-wirtschaft sicherzustellen, muss der Gesetzgeber Herausforderungen wie den demografischen Wandel, Fachkräftesicherung und den medizinisch-technischen Fortschritt bei begrenzten Ressourcen stärker berücksichtigen. Zudem sollten auf nationaler und europäischer Ebene Rahmenbedingungen, wie etwa über die europäische Medizinprodukte-Verordnung, die nationale und europäische Pharmastrategie oder die europäische Gesundheitsunion, hergestellt werden, die es ermöglichen, das Potenzial von Zukunftsfeldern voll auszuschöpfen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Innovationsoffene Rahmenbedingungen weiterentwickeln (DE)

Die Gesundheitswirtschaft ist durch einen sehr hohen Regulierungsgrad geprägt (Bei der Gesundheitswirtschaft wird strukturell zwischen industrieller und dienstleistungsorientierter Gesundheitswirtschaft unterschieden. Unter anderem zählen die Sektoren der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung, Medizintechnikhersteller, Vorsorge- und Rehabilitationsanbieter, Pharmahersteller und - Großhändler, Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen, Leistungserbringer zur Versorgung mit Hilfsmitteln, ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen, Apotheken, Krankenversicherungen sowie das Kurwesen zur Gesundheitswirtschaft). Die Unternehmen bewegen sich in einem systembedingten Spannungsverhältnis zwischen Innovationsoffenheit, Qualitätssicherung und Finanzierbarkeit. Die Potenziale der Gesundheitswirtschaft im Bereich der Innovationen und digitalen Anwendungen können aktuell nur unzureichend zur Entfaltung gebracht werden. Vor dem Hintergrund des zunehmenden globalen Wettbewerbs und der begrenzten Ressourcen im Gesundheitswesen ist es erforderlich, dass ein innovationsoffener und international wettbewerbsfähiger Ordnungsrahmen insbesondere für Start-ups sowie kleine und mittlere Betriebe der Branche in Deutschland sichergestellt wird.

Dazu gehören auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für die einzelnen Akteure in den jeweiligen Leistungsbereichen (vgl. Kapitel „Forschung und Innovation“). Für eine Marktdurchdringung von Innovationen ist ein transparenter Markt erforderlich. Innovationen und deren Markteinführung dürfen nicht durch innovationshemmende Prozesse wie unnötige bürokratische Hürden erschwert werden. Das zweigliedrige, wettbewerblich gestaltete System aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung sorgt für einen schnellen Zugang von Innovationen in die Gesundheitsversorgung. Der Wettbewerb muss dabei fair gestaltet sein.

Digitalisierung weiter voranbringen (DE+EU)

Die Digitalisierung kann einen wichtigen Beitrag leisten, um die Gesundheitsversorgung insbesondere im ländlichen Raum sicherzustellen. Voraussetzung ist, dass die digitale Infrastruktur flächendeckend ausgebaut ist. Insbesondere Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen bringen innovative digitale Lösungen hervor. Diese Unternehmen benötigen ausreichend klinische Daten zu ihren Produkten – etwa hinsichtlich des therapeutischen Nutzens – als Grundlage für einen wirtschaftlichen Erfolg. Voraussetzung für eine Datengenerierung ist auch die Bereitschaft wichtiger Akteure – z. B. Universitätskliniken – zur Zusammenarbeit. Die Interoperabilität der verschiedenen Informationssysteme – etwa über entsprechende Schnittstellen – ist eine wichtige Voraussetzung, um die Chancen der Digitalisierung nutzbar zu machen. Insgesamt benötigen Unternehmen – unter Wahrung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen – einen Zugang zu versorgungsrelevanten und medizinischen Gesundheitsdaten, um Innovationen entwickeln zu können. Schließlich werden tagtäglich große Mengen an Daten (Big Data) erhoben, die bislang kaum für die Entwicklung verbesserter Diagnose- und Therapieformen genutzt werden können. Bei alledem gilt der Grundsatz: Jeder muss die Hoheit über die eigenen Daten haben.

Die europäische Ebene bildet hierbei einen wichtigen Ausgangspunkt für die Digitalisi-rung: Mit der Gestaltung eines europäischen Datenraumes unterstützt sie die Schaffung eines Binnenmarktes für digitale Gesund-heitsleistungen mit europäischen Standards an Zulassung und Datensicherheit.

Kosten der Gesundheitsversorgung im Blick behalten (DE)

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des medizinisch-technischen Fortschritts ist es wichtig, dass mittel- und langfristig eine weitere Verteuerung von Arbeit über eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge vermieden wird. Ansonsten wirkt sich das negativ auf die Chancen der gewerblichen Wirtschaft für Investition und Beschäftigung am Standort Deutschland aus. Eine nachlassende Dynamik würde den finanziellen Druck im Bereich Gesundheit und Pflege weiter verstärken. Ansonsten wirkt sich das negativ auf die Chancen der gewerblichen Wirtschaft für Investition und Beschäftigung am Standort Deutschland aus. Eine nachlassende Dynamik würde den finanziellen Druck im Bereich Gesundheit und Pflege weiter verstärken.

Eine systematische Integration innovativer Produkte und Leistungen in die Gesundheitsversorgung sowie eine konsequente Nutzung der digitalen Medizin können zu einem effizienteren Einsatz der Ressourcen beitragen. Auch die Verringerung von ineffizienten Ver-sorgungsstrukturen und Fehlanreizen sowie eine stärkere sektorenübergreifende Versorgung über alle Leistungsbereiche hinweg und ein breiter Einsatz qualitätsorientierter Vergütungsstrukturen kann helfen, nicht nur die Qualität, sondern auch die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.

Mehr Wettbewerb, etwa durch größere Vertragsfreiheit zwischen Kassen und Leistungserbringern, kann ebenfalls zu höherer Effizienz führen. Für einige Unternehmen ist es wichtig, dass bei den Ausgaben eine angemessene Balance zwischen allen Leistungsbereichen der Gesundheitswirtschaft hergestellt wird. Zudem können privatwirtschaftlich organisierte Kapitaldeckungselemente wie in der privaten Krankenversicherung den Druck der demografischen Entwicklung reduzieren. Hierbei sollte neben der Krankenversicherung auch die Ausgestaltung der Pflegeversicherung im Blick behalten werden, um eine nachhaltige Finanzierung zu sichern.

Leistungsfähigkeit sicherstellen und Versorgungsengpässe vermeiden (DE+EU)

Die Pandemie hat in besonderem Maße die Bedeutung einer leistungsfähigen und resilienten Gesundheitswirtschaft für die Gesamtwirtschaft aufgezeigt. Für eine resiliente Gesundheitswirtschaft ist es notwendig, dass die internationalen Lieferketten funktionsfähig sind. Denn hierüber erhalten die Unternehmen überwiegend Zugang zu qualifizierten Fachkräften und medizinischen Technologien.

Es sind gerade Betriebe der Gesundheitswirtschaft mit hohen Bürokratiebelastungen z. B. im Zusammenhang mit Zulassungsverfahren konfrontiert. Rahmenbedingungen für die Unternehmen sollten so gestaltet sein, dass eine standortnahe Produktion möglich ist, z. B. indem schnelle und rechtssichere Plan- und Genehmigungsverfahren sichergestellt und Vorgaben für Ausschreibungen zur Arzneimittelversorgung überdacht werden. Eine politisch angestrebte Autonomie bei der Produktion bestimmter Güter darf nicht zu Pro-tektionismus führen. Sie sollte auf der Wettbewerbsfähigkeit der Branche fußen. Insgesamt müssen auch Alternativen zu einer teurer Wiederansiedlung von Produktionen, wie z. B. Vorhalteprämien geprüft werden.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit für die exportorientierte Gesundheitswirtschaft sichern (DE+EU)

Für die Wachstumsstärke der industriellen Gesundheitswirtschaft sind neben ihrer Innovationskraft, die Integration in internationale Lieferketten und ein starkes Auslandsengagement von großer Bedeutung. Die exportorientierten Branchen sind nicht zuletzt durch die anspruchsvolle Produktion der innovativen Güter einem intensiven und internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Aufgrund ihrer komplexen Wertschöpfungskette und der strengen Qualitätsvorgaben an medizinische Produkte sind sie von zahlreichen Regulierungen, insbesondere auf EU-Ebene betroffen, die nicht zuletzt durch hohe Bürokratieanforderungen die Unternehmen im Wettbewerb um einen schnellen Marktzugang einschränkt. Für den Exporterfolg in wichtigen Branchen der Gesundheitswirtschaft – Medizintechnik und Pharmabranche – ist eine erfolgreiche Markteinführung im Referenzmarkt Deutschland jedoch entscheidend. Doppelte Regulierungen im nationalen und europäischen Recht sollten vermieden werden.

Fachkräftesicherung in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft unterstützen (DE+EU)

In Deutschland zeichnet sich seit längerem ein Fachkräftemangel in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft ab, insbesondere im ländlichen Raum. Schon heute können viele Stellen nicht besetzt werden. Dabei sind nicht nur Pflege- und Heilmittelberufe, sondern auch Tätigkeiten in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen wie der Biotechnologie, der Medizintechnik und Pharmabranche verstärkt betroffen. Dies könnte sich nicht nur auf die Innovationskraft der deutschen Gesundheitswirtschaft, sondern auch auf die der gesamten deutschen Wirtschaft auswirken. Eine höhere Attraktivität der Gesundheits- und Pflegebe-rufe kann dazu beitragen, mehr junge Leute für diese Berufe zu gewinnen und den Fachkräftemangel zu verringern.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und medizinisch-technischen Fortschritts sollten Gesundheits- und Pflegeberufe sowie Tätigkeitsfelder weiterentwickelt werden. Hierbei sind auch die rasanten Fortschritte im Bereich der KI und digitalen Ge-sundheitswirtschaft zu berücksichtigen. Insgesamt gilt es, mehr Durchlässigkeit zwischen den Berufsgruppen zu ermöglichen.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Dr. Nadine Behncke (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Fachkräftesicherung: Berufliche Bildung stärken – Fachkräftepotenziale heben

Seit Jahrzehnten ist die Berufliche Bildung in Deutschland Garant für qualifizierte Fachkräfte, eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit und Vorbild für viele andere Länder. Gleichwohl steht das Erfolgsmodell vor großen Herausforderungen. Infolge des demografischen Wandels gehen den Betrieben zunehmend die Bewerberinnen und Bewerber für eine duale Ausbildung aus. Die Stärkung und Weiterentwicklung der Beruflichen Bildung gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben der IHK-Organisation, die sich dafür unter anderem in der Allianz für Aus- und Weiterbildung engagiert. Die berufliche Aus- und Weiterbildung muss weiter so organisiert sein, dass sie unter sich rapide ändernden Rahmenbedingungen die Bedarfe der Unternehmen erfüllt und attraktiv für junge Menschen und angehende Fachkräfte ist. Eine erfolgreiche Fachkräftesicherung kann nur gelingen, wenn die gesamte Bildungs-kette in den Blick genommen wird - von einer guten frühkindlichen Bildung über Schule, Ausbildung oder Studium bis hin zur Höheren Berufsbildung.

Die Kompetenzen der EU sind in der Bildungspolitik auf eine unterstützende und ergänzende Funktion sowie auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten begrenzt. EU-Initiativen in der Bildungspolitik müssen die Verantwortung der Mitgliedstaaten für Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems beachten und ausreichende Spielräume für flexible in-dividuelle Wege auf nationaler Ebene lassen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Berufsorientierung verbessern, junge Menschen zielgerichtet in Ausbildung bringen (DE)

Schülerinnen und Schüler benötigen eine systematische, möglichst frühzeitige und praxisorientierte Berufsorientierung. Diese sollte auch betriebliche Praktika umfassen. Alle Schulformen, auch Gymnasien, müssen verbindlich über die Perspektiven einer dualen Ausbildung und anschließenden Höheren Berufsbildung als alternativen und gleichwertigen Bildungsweg zum Studium informieren. Zusätzlich zur persönlichen Beratung durch Ausbildungs-, Berufsberater oder Ausbildungsbotschafter sollten digitale Formate gestärkt werden. Zur Vergleichbarkeit und Transparenz von Leistungen und Schulabschlüssen ihrer Bewerberinnen und Bewerber wünschen sich Unternehmen verbindliche, bundesweit vereinbarte und umgesetzte Bildungsstandards sowie mehr Angebote, die das Interesse für MINT-Berufe, ökonomische Grundlagen und das Unternehmertum stärken. Weitere Empfehlungen für eine bessere Schulbildung hat die IHK-Organisation im Positionspapier: "Schulische Bildung verbessern – Fachkräfte für die Wirtschaft sichern" veröffentlicht.

Um unrealistischen Berufswünschen vorzubeugen und Ausbildungsabbrüche zu reduzieren, ist es wichtig, junge Menschen mit ihren individuellen Voraussetzungen passgenau in Betriebe zu vermitteln. Dazu müssen die Jugendberufsagenturen unter Beteiligung der IHKs bundesweit gestärkt und zur ersten Anlaufstelle für junge Menschen bei der Berufswahl werden. Betriebliche Ausbildung sollte Vorrang vor außerbetrieblicher Ausbildung haben, um die Chancen der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Förderangebote wie Einstiegsqualifizierungen, Assistierte Ausbildung und Mentorenprogramme sollten noch bekannter gemacht und weiterentwickelt werden. Wer ein Studium abgebrochen hat, sollte schnellstmöglich mit Ausbildungsbetrieben zusammengebracht werden.

Duale Ausbildung stärken und weiterentwickeln (DE+EU)

Die Bundesregierung sowie die Wirtschafts- und Sozialpartner sollten sicherstellen, dass es weiterhin bedarfsgerechte Ausbildungsangebote gibt und Berufe regelmäßig überarbeitet werden. Bei der Entwicklung und Aktualisierung von Berufen sollte das Modell „Dual mit Wahl+“ noch konsequenter umgesetzt werden. Dies ermöglicht eine flexible und ortsnahe Ausbildung, indem berufsübergreifende Kompetenzen in einer ersten Phase vermittelt werden und anschließend eine Spezialisierung in einer zweiten Phase erfolgt.

Bundesregierung, Bundesländer sowie die zentralen Partner in der Ausbildung sollten im gemeinsam geschlossenen Pakt für berufliche Schulen für starke und leistungsfähige Berufsschulen sorgen. Diese benötigen Investitionen in eine gute Ausstattung der Schulgebäude mit einer verlässlichen Infrastruktur, modernen Lernmitteln sowie ausreichend und gut qualifizierten Lehrkräften. Die Digitalisierung der Berufsschulen sollte parallel zur Entwicklung in der Wirtschaft vorangetrieben werden.

Europaweit braucht es eine höhere politische und gesellschaftliche Wertschätzung der be-ruflichen Bildung. Die Europäische Kommis-sion sollte auf das Ziel hinarbeiten, praxisnahe und qualitativ hochwertige berufliche Aus- und Weiterbildung mit hohen Lernanteilen im realen betrieblichen Arbeits-umfeld, unter Einbeziehung der Wirtschaft und abgestimmt auf die betrieblichen Bedürfnisse weiter in der EU zu verbreiten.

Hochwertige Prüfungen sichern, Nachqualifizierung ausbauen (DE)

Die duale Ausbildung muss weiter mit berufstypischen und bundeseinheitlichen Prü-fungen abschließen, damit Ergebnisse aussagekräftig und für die Unternehmen bundesweit vergleichbar sind. Die ehrenamtliche Prüfertätigkeit sollte noch besser unterstützt und öffentlich gewürdigt werden. Bei der Weiterentwicklung der Prüfungen sollten die Chancen der Digitalisierung zum Vorteil von Auszubildenden, Betrieben, Berufsschulen und Prüfenden genutzt werden. Modernisierungen von Berufen sollten den Aufwand für die Prüfenden möglichst nicht erhöhen. Digitale Prüfungsformen sollten insbesondere dann genutzt werden, wenn der Umgang mit digitalen Medien später im beruflichen Alltag gefordert ist.

Die IHKs werden die Möglichkeiten einer schrittweisen Nachqualifizierung ausbauen und über 25-jährige Menschen ohne Berufsabschluss dabei unterstützen, durch Teilqualifikationen oder die Validierung individueller beruflicher Fähigkeiten ihre Arbeitsmarktchancen zu verbessern und schrittweise einen beruflichen Abschluss zu erlangen.

Europaweite und internationale Mobilität in der Beruflichen Bildung fördern und für KMU besser zugänglich machen (DE+EU)

Fremdsprachen und interkulturelle Kompetenzen werden angesichts der Internationalisierung vieler Unternehmen immer wichtiger. Praktische Lern- und Arbeitserfahrung im Ausland, z. B. durch das europäische Erasmus+ Programm, sollte nicht nur für Studierende angeboten, sondern auch in der beruflichen Bildung möglich gemacht werden. Um den betrieblichen Erfordernissen und auch den individuellen Möglichkeiten gerecht zu werden, sollten sowohl Kurzzeitaufenthalte von einigen Wo-chen als auch längere Aufenthalte von über drei Monaten und Gruppenaufenthalte im Ausland möglich sein.

Um mehr Unternehmen vom Mehrwert von Lernaufenthalten im Ausland zu überzeugen, braucht es aber auch in den Mitgliedstaaten regional verankerte und betriebsnahe An-laufstellen für die Beratung, Vermittlung und Unterstützung für Unternehmen. Die Verfahren sollten weiter entbürokratisiert werden, damit insbesondere KMU Erasmus+ noch flexibler nutzen können. Zudem sollte ein „Deutscher Beruflicher Austauschdienst“ (DBAD) analog zum Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) etabliert und mit Bundesmitteln unterstützt werden. Mobilität muss nicht auf das Absolvieren einzelner Ausbildungsabschnitte im Ausland begrenzt sein. Auch die Möglichkeit, grenzüberschreitend eine vollständige Ausbildung im EU-Ausland zu absolvieren sollte im Interesse der Betriebe verstärkt in den Blick genommen werden.

Weiterbildungsvielfalt erhalten, Beratung optimieren (DE)

Unternehmen und Erwerbspersonen in Deutschland kommt die Vielfalt der beruflichen Weiterbildungsangebote zugute. Ob bspw. das eintägige Seminar, die von den Arbeitsagenturen geförderte Weiterbildung oder die im Berufsbildungsgesetz geregelte Höhere Berufsbildung mit ihren wertigen IHK-geprüften Abschlüssen: in der Regel gibt es eine Vielzahl passender Formate. Diese Vielseitigkeit und damit auch Flexibilität der beruflichen Weiterbildung ist ein wichtiger Baustein für die Fachkräftesicherung der Betriebe hierzulande. Wichtig ist, dass eine effektive und möglichst gut vernetzte Weiterbildungsberatung Unternehmen und angehenden Fachkräften Orientierung bietet. Hier sind neben den IHKs auch bspw. Verbände und Arbeitsagenturen in der Verantwortung.

Weiterbildungsbeteiligung erhöhen (DE+EU)

Weiterbildung sollte für Unternehmen, Beschäftigte und Arbeitssuchende in Zukunft noch selbstverständlicher werden – auch für Geringqualifizierte. Um dauerhaft individuelle Erwerbschancen zu verbessern und damit Unternehmen stets auf gut qualifizierte Fachkräfte setzen können, ist es notwendig, dass sich Arbeitnehmer während der gesamten Erwerbstätigkeit weiterbilden. Der Staat kann dies durch Anreizmechanismen wie zielgruppenorientierte Prämien- und Gutscheinmodelle flankieren, ohne dabei – etwa durch neue Regulierungen oder zusätzliche Freistellungsansprüche für Arbeitnehmer – Unternehmen in ihrer Flexibilität einzuschränken und ihnen einseitig die Kosten aufzubürden. Um die Beteiligung Älterer an beruflichen Weiterbildungsangeboten zu erhöhen, braucht es Weiterbildungsangebote, die das Lernverhalten von Älteren stärker berücksichtigen.

Betriebliche Bedarfe und Anforderungen stärker berücksichtigen (DE+EU)

Insbesondere Weiterbildungen im Rahmen der Erwerbslosenqualifizierung sollten sich am betrieblichen Bedarf vor Ort orientieren, um den Übergang in die Unternehmen zu erleichtern. Dabei sollten bei Bedarf auch arbeitsplatzorientierte Grundbildungen, z. B. Alltagsmathematik, digitale und grüne (Grund-)Kompetenz, oder Deutsch als Berufssprache, vorgenommen werden, damit diesbezügliche Defizite der Arbeitnehmer betriebliche Abläufe nicht beeinträchtigen. Der Staat sollte das berufsbegleitende Ler-nen mit praxistauglichen Unterstützungsformaten begleiten – etwa durch das Meister- oder Aufstiegs-BAföG, dessen Weiterentwicklung Teil der politischen Agenda bleiben sollte.

Marke „Höhere Berufsbildung“ stärken (DE+EU)

Höhere Berufsbildung sollte europaweit als gleichwertige Alternative zur Hochschulbildung etabliert werden. Eine gesetzliche Grundlage für die nationalen Qualifikationsrahmen würde dazu beitragen, diese bekannter zu machen und deren Verbindlichkeit zu erhöhen. Fortbildungsabschlüsse der Höheren Berufsbildung wie z.B. Bachelor Professional und Master Professional erreichen akademischen Abschlüssen vergleichbare Kompetenzniveaus. Höhere Berufsbildung sollte mit ihren international verständlichen Abschlussbezeichnungen eine Marke bilden – dies fördert auch die internationale Mobilität der Arbeitnehmer. Generell sollten alle Akteure diese Markenbildung unterstüt-zen, indem sie noch besser über die guten Einkommens- und Beschäftigungsperspektiven informieren, die die Höhere Berufsbildung mit sich bringt,– bestenfalls bereits in den Schulen.

Digitalen Bildungsraum gestalten (DE+EU)

Die digitale Transformation muss auch in der Bildung gelingen – im Interesse der Unter-nehmen und der angehenden Fachkräfte. Für die erforderliche Basisinfrastruktur besteht ein besonderes Maß an öffentlicher Verantwortung, wie z.B. bei einheitlichen Daten-austauschstandards, Nachweisen (Credentials), Ablagen (Wallets) und der Statistik. Hierbei sollten insbesondere die Belange der Unternehmen wie Entwicklungen auf europäischer Ebene berücksichtigt werden. Vor allem die Kompetenz- und Bildungsbedarfe der Unternehmen sind eine wichtige Orientierung für die Lerninhalte. Die Betriebe sollten daher auch bei der Konstruktion virtueller Bildungsräume eng einbezogen werden – bis hin zu der Frage, wie Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz mit dem Kompetenzerwerb angehender Fachkräfte effektiv verbunden werden können. Eine Stärkung des europäischen Standortes für neue Bildungstechnologien ist aus Sicht der Unternehmen richtig, auch um die betrieblichen Zugänge zu diesen zu erleichtern.

Akademische Fachkräfte praxisnah qualifizieren, Beschäftigungsfähigkeit sichern (DE+EU)

Auch angesichts des anhaltenden Trends zu akademischen Bildungsabschlüssen wächst aus Sicht der Wirtschaft die Verantwortung der Hochschulen, mit ihren von der öffentlichen Hand finanzierten Bildungsangeboten einen nachhaltigen Beitrag zur Fachkräftesi-cherung zu leisten. Die Beschäftigungsfähigkeit der Hochschulabsolventen und somit die Fachkräftebedarfe der Wirtschaft sollten bei Studienangeboten noch stärker in den Blick rücken. Gelingen kann dies insbesondere durch eine konsequente Integration von Pra-xisphasen in das Studium oder durch Praxisvertreter in der Lehre. Regulatorische Maßnahmen für Praktika und Praxiserfahrungen sollten hinsichtlich ihrer potenziellen Folgen für die Betriebe und deren Bereitschaft, Praktika anzubieten, kritisch geprüft werden. Weitere wirtschaftsseitige Empfehlungen für eine bessere Hochschulbildung hat die IHK-Organisation in ihrem Positionspapier: “Praxisnahe Hochschulbildung für die Fachkräfte von morgen” verfasst.

Ansprechpartner/-innen in der DIHK:

Knut Diekmann (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Julia Flasdick (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Jana Heiberger (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Markus Kiss (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Kathrin Riedler (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Fachkräftesicherung umfassend angehen: Alle Potenziale heben

Der Fachkräftemangel stellt die Unternehmen in Deutschland vor große Herausforderungen. Er wird immer mehr zur Wachstumsbremse und droht die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft zu beeinträchtigen. Infolge der demografischen Entwicklung – es verlassen in den kommenden Jahren deutlich mehr ältere Beschäftigte den Arbeitsmarkt als junge hinzukommen – werden sich Arbeits- und Fachkräfteengpässe künftig noch verstärken. In den Umfragen der IHK-Organisation steht das Thema Fachkräftemangel aus Sicht der Unternehmen stets oben auf der Agenda. Die nationale und europäische Politik sollte daher die richtigen Rahmenbedingungen für die Betriebe setzen und auf Maßnahmen und Regulierungen verzichten, die die Fachkräftesicherung erschweren.

Die konkrete Ausgestaltung dieser Rahmenbedingungen auf EU-Ebene sollte in den Bereichen der Beschäftigungs- und Sozialpolitik vorrangig bei den Mitgliedsstaaten liegen. Diese sollten beschäftigungsfreundliche Regelungen schaffen und können dabei nationale Besonderheiten berücksichtigen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Arbeits- und Fachkräfte gewinnen und halten (DE+EU)

Das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland muss in noch größerem Umfang in Beschäftigung kommen, um Engpässe in den Betrieben zu verringern. Dazu zählt sowohl eine weitere Steigerung der Erwerbsbeteiligung (Personen) als auch des Arbeitszeitvolumens (Zeit). Daher sollten Anreize zur Arbeitsaufnahme sowie zur Ausweitung der individuellen Arbeitszeiten gestärkt werden und ausreichend (gesetzliche) Möglichkeiten für flexibles Arbeiten zur Verfügung stehen. Darüber hinaus muss es das Ziel sein, erwerbsfähige Arbeitslose und Bürgergeldempfänger in eine nachhaltige, existenzsichernde Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Prinzipien wie das Fördern und Fordern, gute und gezielte Begleitung, um den Arbeitsalltag zu meistern sowie Qualifizierung auch nach einer Vermittlung in Beschäftigung sind dabei aus Sicht der Wirtschaft wichtig und tragen zur Linderung des Fachkräftemangels bei. Gleichzeitig sind Leistungsempfänger gefordert, sich aktiv um Beschäftigungsmöglichkeiten und -fähigkeiten zu kümmern.

Zur Fachkräftesicherung in den Betrieben sollten auch die Potenziale älterer Beschäftigter aktiviert werden. Hierfür braucht es Anreize zur Weiterarbeit und die Möglichkeit flexibler Beschäftigung im Alter, um ältere Mitarbeitende und deren Wissen im Betrieb halten zu können. Zunehmende Beschäftigung Älterer entlastet zudem die gesetzliche Rentenversicherung die demografiefest ausgestaltet werden sollte, um die Unternehmen nicht mit steigenden Arbeitskosten zu belasten.

Um Menschen mit Behinderung und ihre Potenziale besser in den Arbeitsmarkt einzubinden, sollten rechtliche Unsicherheiten in den Betrieben hinsichtlich deren Beschäftigung reduziert und weitere Regulierungen vermieden werden. Ein breites Informationsangebot gerade für KMU kann helfen, hier kann auch die IHK-Organisation unterstützen.

Beschäftigung von Frauen erhöhen, Verein-barkeit von Familie und Beruf stärken (DE+EU)

Die Förderung der Erwerbstätigkeit von Eltern und Angehörigen mit Betreuungsaufgaben ist mit Blick auf die Fachkräftesicherung in den Unternehmen essenziell. Insbesondere bei Frauen liegen hier große Potenziale, da sie häufig in Teilzeit tätig sind. Umfängliche und möglichst kontinuierliche Erwerbsarbeit fördert zudem die Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. Denn sie unterstützt u.a. eine stärkere Präsenz von Frauen in Führungspositionen ebenso wie die Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern.

Um die Erwerbstätigkeit zu steigern, müssen vor allem die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Eltern und Betriebe stimmen. Es gilt die Infrastruktur sowohl der Kinderbetreuung mit Blick auf Kitas und Grundschulen wie auch die Angebote für die Pflege von Angehörigen den Bedarfen von Eltern und Unternehmen anzupassen.

Zusätzliche Rechtsansprüche auf Freistellung für Beschäftigte oder vergleichbare europäische oder nationale gesetzliche Vorgaben, setzen dagegen meist nicht an den Notwendigkeiten an. Sie können vielmehr zu neuen bürokratischen und finanziellen Belastungen für die Betriebe führen. Gleiches gilt für etwaige Quotenregelungen. Es besteht die Gefahr, dass sie Unternehmen mit zusätzli-chem bürokratischem Aufwand belasten und passende betriebliche Lösungen verhindern können.

Arbeits- und Fachkräftezuwanderung erleichtern und fördern (DE+EU)

Zur Arbeits- und Fachkräftesicherung in deutschen Unternehmen kann die gesteuerte Zuwanderung aus dem Ausland einen Beitrag leisten. Ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten in der Einwanderungspolitik kann dazu beitragen, die EU zu einem attraktiven Standort für internationale Arbeitskräfte zu machen. Die Chancen der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU sollten zudem noch stärker genutzt werden. Dazu sollte die Berufsanerkennung vereinfacht und gegen unfaire Praktiken in der Arbeitsmobilität vorgegangen werden.

Auf nationaler Ebene ist es wichtig, dass die gesetzlichen Regelungen in der Praxis effizient und unbürokratisch umgesetzt werden und gleichzeitig permanent auf dem Prüfstand stehen – bei Fehlentwicklungen ist eine schnelle Anpassung nötig. Die Verwal-tungsverfahren im gesamten Zuwanderungsprozess müssen schneller, transparenter und einfacher werden, wobei die Digitalisierung einen großen Beitrag leisten kann. Die am Zuwanderungsprozess beteiligten Institutionen wie z. B. Auslandsvertretungen, Auslän-derbehörden und Arbeitsagenturen müssen mit den nötigen Ressourcen ausgestattet sein. Betriebe brauchen dort Ansprechpersonen, die über das Verfahren Auskunft geben können (z. B. eine zentrale Ausländerbehörde pro Bundesland).

Mit der Schaffung einer Clearingstelle sollte zudem für Unternehmen und Fachkräfte eine feste Institution eingeführt werden, die bei praktischen Problemen im laufenden Zuwanderungsverfahren schnell Probleme löst. Im Ausland sollte zielgerichtet über den Arbeits-, Studien- und Ausbildungsort Deutschland sowie über Fachkräftezuwanderungswege informiert werden. Ergänzend sollten im In- und Ausland Unterstützungs- und Beratungsstrukturen verstärkt und der Spracherwerb bereits im Ausland gefördert werden, um gerade KMU bei der Fachkräftesicherung zu helfen. Solche Strukturen betreffen z. B. die Rekrutierung im Ausland und gehen bis hin zur Integration von ausländischen Fachkräften in Beruf und Alltag im Inland.

Geflüchtete in Ausbildung und Beschäftigung bringen (DE+EU)

Die Besetzung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in Unternehmen wird zunehmend schwieriger. Es ist daher für die Betriebe wichtig, bei der Stellenbesetzung grundsätzlich auch Geflüchteten unbürokratisch berücksichtigen zu können. Der Gesetzgeber hat hier bereits einige Erleichterungen beschlossen (z. B. Ausbildungs-Aufenthaltserlaubnis, Entfristung der Beschäftigungsduldung, Chancen-Aufenthaltsrecht). Dennoch ist aus betrieblicher Sicht die uneinheitliche Verwaltungspraxis immer noch ein Hemmnis für die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Dank der Erfahrungen der IHKs vor Ort und eigenen Projekten hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer Vorschläge, wie die Rahmenbedingungen ausbildungs- und beschäftigungsfreundlicher gestaltet werden können:

  • Verbesserung der Erreichbarkeit der Ausländerbehörden, Einrichtung eines “Key Account Managements” / Clearingstelle für Betriebe (analog zur Fachkräftezuwanderung)
  • Beschäftigungshindernisse abbauen: Insbesondere. Wohnsitzauflagen und Beschäftigungsverbote
  • Verbesserte Rahmenbedingungen: unbürokratischer Zugang zu Sprachförderungsangeboten, ausreichendem Wohnraum und Kinderbetreuung
  • Sichere Bleibeperspektive für Geflüchtete in Ausbildung und sozialversicherungs-pflichtiger Beschäftigung
  • Unterstützung dabei, die Qualifikation aus dem Herkunftsland in Deutschland anerkennen zu lassen und sich weiter zu qualifizieren
  • Langfristige und einheitliche EU-Regulierungen hinsichtlich des Arbeitsmarktzu-gangs Geflüchteter

Bürokratieabbau im Arbeits- und Sozialrecht vorantreiben (DE+EU)

Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische Betriebe sind durch arbeits- und sozialrechtliche Regelungen stark mit Bürokratie belastet und in ihrer Flexibilität eingeschränkt (vgl. Kapitel „Bürokratieabbau und besseres Recht“). Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten, sollten daher reduziert werden. So wäre es bspw. mit Blick auf das Mindestlohngesetz sinnvoll, die mit hohem bürokratischem Aufwand verbundene Auftraggeberhaftung einzuschränken. Un-ternehmen brauchen zudem die Möglichkeit, im Rahmen einer wöchentlichen Höchstgrenze, die Arbeitszeit flexibler auf die Wochentage zu verteilen und Ruhezeiten variabler zu gestalten. Zusätzliche Belastungen der Wirtschaft bspw. durch eine elektronische Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit oder weitere Pflichten lehnen die Betriebe in ihrer Mehrheit ab. Im Sozialrecht wäre es sinnvoll, den für Unternehmen bestehenden hohen Melde-, Auskunfts- und Bescheinigungsaufwand zu reduzieren, das Umlageverfahren U1 und U2 zu vereinfachen und Abgabepflichten wie die Künstlersozialabgabe unternehmerfreundlich zu gestalten. EU-Regulierungen und unterschiedliche nationale arbeits- und sozialrechtliche (Melde- und Nachweis- und Arbeitsschutz-) Pflichten z. B. bei der Arbeitnehmerentsendung und der A1-Bescheinigung für Entsendungen und Geschäftsreisen und beim mobilen Arbeiten im Ausland bedeuten Rechtsunsicherheit, Bürokratielasten und zusätzliche Kosten für Unternehmen. Es bedarf daher EU-weit ein-heitlicher Regelungen zur Erbringung von Dienstleistungen und einheitlicher Verfahren bei der Entsendung von Mitarbeitern bzw. Remote Work, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen, die grenzüberschreitend agieren, sicherzustellen.

Digitalisierungsschub und KI als Chance nutzen (DE+EU)

Eine Antwort auf Fachkräfteengpässe liegt in der Steigerung der Produktivität, damit auch bei geringerem Arbeitseinsatz eine hohe Wertschöpfung möglich ist. Digitalisierung, Automatisierung und der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) bieten große Produktivitäts-potenziale in den Betrieben. Sie sollten daher als Chance und innovative Wege zur Fachkräftesicherung verstanden werden.

Die Digitalisierung hat das Arbeiten bereits verändert, nicht zuletzt durch den Anstieg von mobilem und flexiblem Arbeiten. Mit entsprechenden Angeboten hinsichtlich solcher Beschäftigungsformen können sich Betriebe, dort wo es möglich ist, als attraktive Arbeitgeber für gesuchte Fachkräfte aufstellen. Auch hierzu ist ein verlässlicher Rechtsrahmen nötig, der es ermöglichen muss, dass Betriebe und Beschäftigte pas-sende Lösungen finden können, die betrieblichen Belangen, Kundenwünschen sowie den Bedürfnissen der Beschäftigen Rechnung tragen. Neue Rechtsansprüche (wie z. B. An-spruch auf Homeoffice) sollten hingegen vermieden werden, da sie der betrieblichen Vielfalt nicht gerecht werden und die Betriebe mit Kosten, Bürokratie und Flexibilitätsverlusten belasten.

Betriebliche Gesundheitsförderung besser unterstützen (DE+EU)

Der demographische Wandel führt in Unternehmen zu einer Verschiebung der Altersstrukturen in den Belegschaften. Eine veränderte Arbeits- und Lebenswelt (digitale Arbeitsweisen, Risiken des Klimawandels etc.) wirkt sich auf die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden aus. Eine verlängerte Lebensarbeitszeit führt bei (zukünftigen) Mitarbeitenden zu höheren Anforderungen an das Arbeitsumfeld. Ein strategisch verankertes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) bietet hierfür einen Ansatz. Eine auf die Mitarbeitenden zugeschnittene Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) kann die Krankheitstage reduzieren und die Verweildauer von Fachkräften im Unternehmen erhöhen. Hier benötigen insbesondere KMU praktische Unterstützung, leicht verständliche Informationen und Handlungsanleitungen, Möglichkeiten zur Vernetzung, um Erfahrungen untereinander auszutauschen, sowie Transparenz und Klarheit über die richtige Ansprechpersonen. Dies gilt z. B. bei der Kooperation mit Krankenkassen oder externen Anbietern, Möglichkeiten der finanziellen Förderung oder Qualifizierungen. Die regionalen Akteure, wie bspw. die BGF-Koordinierungsstellen der Krankenkassen oder andere Verbände sind teilweise noch zu wenig bekannt. Hier könnten die IHKs ihr Angebot weiter ausbauen und die regionale Vernetzung intensivieren. Weitere nationale und europäischen Regulierungen im Bereich der Gesundheit am Arbeitsplatz wären aus Sicht der Wirtschaft wenig sinnvoll, da sie eine Mehrbelastung für Unternehmen, allen voran KMU, bedeuten würden.

Ansprechpartner/-innen in der DIHK:

Dr. Stefan Hardege (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Dr. Lorenz Lauer (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Jacqueline Stoew (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Dr. Anne Zimmermann (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Dr. Nadine Behncke (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Klimaschutz: Global, effizient und innovativ für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

Deutschland und die EU haben sich im internationalen Vergleich ambitionierte CO2- Re-duktionsziele gesetzt. Allerdings sind die für den Klimaschutz ergriffenen Maßnahmen teils durch eine bürokratische Detailregelung für die Wirtschaft geprägt. Klimapolitische Maßnahmen werden zudem bislang häufig ohne ausreichende Rücksicht auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ergriffen.

Minderungen von Treibhausgasemissionen auf lokaler, nationaler oder EU-Ebene sind wichtig, für sich allein aber kein Gradmesser für eine wirksame Klimaschutzpolitik: Klimaschutz kann nur durch gemeinsame weltweite Anstrengungen gelingen. International abgestimmte Bemühungen sind zugleich notwendig, um weltweit faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen.

Klimaschutzpolitik kann schnell unwirksam werden, wenn sie zu „Carbon Leakage“ und zur Verlagerung von Wertschöpfungsketten ins Ausland führt. Denn trotz des Pariser Übereinkommens ergreifen internationale Wettbewerber der EU bisher kaum vergleichbare Klimaschutzmaßnahmen. Ein wirksamer und unbürokratischer Carbon Leakage-Schutz ist neben ausreichend klimaneutralen Alternativen für die grüne Transformation der Industrie unabdingbar.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Klimaschutz international vorantreiben, weltweit betrachten (DE+EU)

Der technologische Vorsprung der EU im Bereich Klimaschutz sollte dazu genutzt werden, weltweit strategische Partnerschaften und Märkte für Klimaschutztechnologien auf- und auszubauen. Einen wichtigen Beitrag hierzu können die im Pariser Überein-kommen angelegten weltweiten Emissionshandelssysteme und internationale Marktmechanismen leisten.

Zudem sollten nachprüfbare und zusätzliche Projekte in Drittländern zur Erreichung der deutschen und europäischen Klimaziele beitragen können, indem Artikel sechs des Pariser Abkommens endlich umgesetzt wird. Minderungspotenziale sollten dort gehoben werden, wo dies am effizientesten möglich ist. Gleichzeitig werden damit die wirtschaftliche Entwicklung in den betroffenen Ländern unterstützt, weltweite Märkte für Klimaschutztechnologien ausgebaut und hohe Klimaschutzstandards exportiert.

Der von dem G7-Staatenverbund gegründete Klimaclub ist aus der Sicht der deutschen Wirtschaft herausragend wichtig. Er sollte dazu beitragen, einen umfassenden und koordinierten Ansatz zum Klimaschutz auf internationaler Ebene zu realisieren. Um die volle Wirkung der Maßnahmen entfalten zu können und heimische Unternehmen zu entlasten, müssen sich möglichst viele Staaten auf die gleichen Ziele und verbindlichen Maßnahmen verständigen. Standards müssen einfach vergleichbar sein, sodass sie gegenseitig anerkannt werden können, ohne die ansässige Wirtschaft zu benachteiligen.

Effiziente Klimaschutzinstrumente einsetzen: marktbasiert und technologieoffen (DE+EU)

Im Fokus der Klimapolitik sollte eine zügige sowie ökonomisch und ökologisch effiziente Erreichung der Klimaschutzziele stehen. Dabei gilt es, möglichst alle Sektoren miteinzubeziehen und Rahmenbedingungen für eine schnelle Umsetzung von Klimaschutzmaß-nahmen zu schaffen.

Wichtig ist, Klimaschutzinstrumente immer einer ausführlichen Folgenabschätzung zu unterwerfen, sie gemeinsam mit der Wirtschaft und den betroffenen Sektoren zu entwickeln und mit dem bestehenden Steuer- und Abgabenrecht in Einklang zu bringen. So lassen sich unangemessen hohe Belastungen und Strukturbrüche vermeiden.

Das Europäische Emissionshandelssystem hat sich als Leitinstrument der europäischen Klimaschutzpolitik bewährt. Seine Weiterentwicklung im Rahmen des Europäischen Green Deals und des Fit-for-55-Pakets sollte nicht dazu führen, dass sich die Investitions- und Produktionsbedingungen in der EU verschlechtern. Die rasche Absenkung der Emissionsmengen und das Auslaufen der freien Zuteilungen bis 2034 stellen die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Innerhalb der Wirtschaft gibt es hinsichtlich eines sekto-rübergreifenden EU-Emissionshandels zum Teil die Sorge, dass die Preise für CO2-Zertifikate für die Industrie aufgrund der im Vergleich hohen Vermeidungskosten besonders in den Bereichen Wärme und Verkehr zu hoch ausfallen werden.

Die Integration des nationalen Brennstoffemissionshandels im Verkehrs- und Gebäudebereich in das europäische Emissionshandelssystem (ETS II) sollte vollständig und ohne zusätzliche Berichtspflichten erfolgen.

Wettbewerbsnachteile vermeiden, national und international (DE+EU)

Ohne ein “level playing field“ bei der CO2-Bepreisung büßt die europäische Industrie in hohem Maße ihre Wettbewerbsfähigkeit ein. Energie- und emissionsintensive Unternehmen sollten auf eine dauerhafte Kompensation der Wettbewerbsnachteile, die durch hohe CO2-Kosten und sonstige Belastungen entstehen, vertrauen können – zumindest so lange keine klimaneutralen Alternativen zu gleichen Kosten zur Verfügung stehen. Dazu ist es erforderlich, dass die europäischen und nationalen beihilferechtlichen Vorgaben an die Anforderungen einer ambitionierten Klimaschutzpolitik kontinuierlich angepasst werden.

Die teilweise freie Zuteilung von Zertifikaten an Industrieanlagen im Europäischen Emissionshandel sowie die Strompreiskompensation sollten beibehalten werden, solange dies für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich ist. Solange der CBAM noch nicht ausgereift ist, sollten bestehende Carbon-Leakage-Schutzmaßnahmen erhalten bleiben. Die Europäische Kommission sollte bei der Festlegung der Effizienzbenchmarks die Grenzen des wirtschaftlich und technologisch Machbaren nicht überschreiten und den technologischen Fortschritt berücksichtigen.

Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM führt zu handelspolitischen Verwerfungen und in seiner Umsetzung zu hohen bürokratischen Belastungen für betroffene Unternehmen. Ein Bepreisungsmechanismus, der die CO2-Emissionen in der EU und bei eingeführten Produkten belastet, muss effektiv die Wettbewerbsfähigkeit sichern und auch Wettbewerbsnachteile der europäischen Industrie auf Exportmärkten verhindern. Vereinfachungen beim CBAM sind jedoch dringend notwendig, vor allem ein höherer Schwellenwert für die Berichtspflicht, dauerhaft gültige Standardwerte für den CO2-Gehalt von Produkten und ein einfaches und zuverlässiges Berichtsverfahren.

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollten insgesamt für die Absenkung von Steuern, Abgaben und Umlagen von Unternehmen verwendet werden. Darüber hinaus ist zur Vermeidung von Carbon Leakage eine Entlastung für besonders betroffene, energieintensive Unternehmen auch im zukünftigen ETS II erforderlich, solange der CBAM oder multilaterale Vereinbarungen nicht gleiche Wettbewerbsbedingungen mit dem Ausland herstellen. Die Entlastungen sollten dabei unbürokratisch und rechtssicher erfolgen. Der Brennstoffverbrauch von Anlagen, die bereits im Europäischen Emissionshandel erfasst sind, sollte bis zum Übergang in den ETS II verlässlich vom nationalen System ausgenommen werden, um Doppelbelastungen zu vermeiden.

Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Investitionen in den Wandel (DE+EU)

Bereiche mit hohem Verbesserungspotenzial sind u. a. die Eigenstromerzeugung mit erneuerbaren Energien, die Sektorenkopplung und die gewerbliche Nutzung der Elektromobilität. Förderprogramme für die Wirtschaft sollten einfach und unbürokratisch gestaltet werden. Sie sollten auf eine Investitionsprämie umgestellt werden.

Für Investitionen in den Wandel braucht es zudem gute Finanzierungsbedingungen. Die Regulierung für ein nachhaltiges Finanzwesen (vgl. Kapitel „Sustainable Finance“) sollte darauf ausgerichtet sein, Unternehmen den Zugang zu Finanzierungen für Investitionen in Klimaschutz und Energiewende zu erleichtern. Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Sektoren muss deren Beitrag in Wertschöpfungsketten und für die Herstellung nachhaltiger und klimaschonender Produkte Rechnung getragen werden. Die Regulierung sollte nicht zu unverhältnismäßigen Belastungen führen und Finanzierungskanäle für alle Unternehmen offenhalten.

Impulse für Klimaschutzinnovationen setzen (DE+EU)

Die Unternehmen, insbesondere Unternehmen des produzierenden Gewerbes und Betriebe aus dem Bereich der Logistik, werden in Zukunft auf große Mengen alternativer Energieträger wie erneuerbaren Strom, Biogas und grünen Wasserstoff sowie auf Koh-lenstoffabscheidung und -speicherung (CCUS) angewiesen sein, um ihre CO2-Emissionen bei gleichbleibender oder steigender Produktivität deutlich zu senken.

Die Politik sollte die Umstellung auf erneuerbare Energieträger und die Herstellung klimaneutraler Grund- und Ausgangsstoffe im Bereich der energieintensiven Industrie in Deutschland und der EU unterstützen. Dies erfordert einen schnellen Ausbau notwendiger Infrastrukturen ebenso wie strategische Partnerschaften für den Import CO2-freier und -armer Energieträger (Siehe „DIHK-Perspektiven für die Energieversorgung 2030 in Deutschland“, Positionspapier 2023).

Die Nutzung heimischer Potenziale stärkt die Versorgungssicherheit für die Unternehmen. Dadurch wird die Energieversorgung der deutschen Wirtschaft weniger anfällig für externe Schocks bei plötzlich wegfallenden Importquellen oder -routen. Diese Potenziale von Biomasse über Geothermie bis Schiefergas sollten erschlossen und genutzt werden. Verstärkte Anstrengungen für zirkuläres Wirtschaften sollten dazu beitragen, durch eine effizientere Ressourcennutzung Emissionen, Materialverbräuche und Abfälle zu reduzieren. Zudem sollte die Bundesregierung gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten technologieoffen die Forschung und Entwicklung neuer, klimafreundlicher Technologien sowie deren Transfer in den Markt unterstützen. Technologien zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 (CCS, CCU) sollten in Deutschland umfassend ermöglicht werden, der allen Unternehmen offensteht.

Anpassung an den Klimawandel verstärken (DE)

Das Risiko von Extremwetterereignissen steigt flächendeckend mit teilweise erheblichen Schäden für lokale Unternehmen. Dennoch stellt die Anpassung an den Klimawandel für viele Unternehmen eine bisher unterschätzte Herausforderung dar. Unternehmen, insbesondere KMU, sollten dabei unterstützt werden, Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Tätigkeit und notwendige Anpassungen zu erkennen, besser zu verstehen und umzusetzen. Hierzu zählt, mögliche negative Effekte vor Ort und in der Wertschöpfungskette zu antizipieren, wie bspw. die Auswirkungen von Extremwetterereignissen. Die Widerstandsfähigkeit der für die Unternehmen relevanten Infrastruktur gegen Klimafolgen sollte kontinuierlich erhöht werden.

Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit der Wirtschaft Anpassungsstrategien entwickeln. Sie sollten bürokratiearm sein und sich an regionalen Risiken und der Betroffenheit einzelner Branchen ausrichten.

Ansprechpartner/-in in der DIHK:

Dr. Ulrike Beland (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Dr. Niclas Wenz (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Energiewende zum Erfolg machen: Wettbewerbsfähigkeit sichern, Eigenverantwortung stärken, Chancen nutzen

Die Energiewende ist eine große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Verlässliche und effiziente Rahmenbedingungen sind daher die notwendige Grundvoraussetzung, um notwendige Investitionen der Unternehmen in die Transformation zu schultern und Chancen ergreifen zu können, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. In weiten Teilen der Wirtschaft wird die Energiewende zunehmend als Kostenbelastung wahrgenommen, die zudem mit politischer Detailsteuerung weit in betriebliche Ressourcenplanungen und Investitionsentscheidungen eingreift. Es fehlt Raum für Eigenverantwortung und Innovation und die erforderliche langfristige Planungssicherheit. Dabei kann der Transformationspfad zur Klimaneutralität auch nachhaltige Wachstumsperspektiven bieten, weil die deutsche Wirtschaft eine technologische Vorreiterrolle auf weltweit wachsenden Märkten einnehmen kann. Es mangelt auch nicht am Willen der Betriebe oder an Konzepten. Es fehlt politisches Vertrauen in die Effizienz des Marktes. Ein hohes Maß an Bürokratie bindet dringend benötigte Kapazitäten und Ressourcen für die praktische Umsetzung der Energiewende.

Auch auf europäischer Ebene funktioniert ein wettbewerblich geprägter Energiebinnenmarkt trotz mancher Fortschritte erst in Ansätzen. Staatliche Preisregulierungen, ein schleppender grenzüberschreitender Netzausbau und das Streben nach nationaler Energieautarkie prägen weiterhin das Bild einer zersplitterten europäischen Energielandschaft.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Marktwirtschaftlicher Wettbewerb ist der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende (DE+EU)

Die komplexe und kleinteilige Landschaft von politischen Zielen, Regularien und Instrumenten mit hohem Detaillierungsgrad drängt die Bedeutung des Marktes immer mehr zurück. So wird die praktische Umsetzung der Energiewende erschwert und führt zu unnötigen Bürokratie- und Kostenlasten. Dabei gelingt es dem marktlichen Wettbewerb immer noch am effizientesten, mit Knappheiten und begrenzten Ressourcen umzugehen und gleichzeitig wirtschaftlichen Fortschritt zu generieren.

Zentrales Steuerungsinstrument für den Umbau des Energiesystems sollte der CO2-Preis sein. Um die Lenkungs- und Steuerungswirkung der bestehenden Emissionshandelssysteme nicht durch eine politische Detailsteuerung der Energiewende zu konterkarieren, bedarf es einer konsequenten Vereinfachung und Entschlackung des ordnungsrechtlichen Rahmens. In diesem Kontext sind steuerliche Transformationsanreize, z.B. die angedachte Investitionsprämie, detailreichen und zugangsbeschränkten Förderungen vorzuziehen.

Ein stärkeres Engagement des Staates ist dagegen dort erforderlich, wo die Voraussetzungen für die neue Energiewelt noch geschaffen werden müssen. Dazu zählen insbesondere der Auf- und Umbau zentraler Infrastrukturen, wie bestehende Energienetze oder neue Leitungen für Wasserstoff, CO2 und Wärme. Dafür bedarf es eines sehr hohen Investitionsvolumens in sehr kurzer Zeit, welches private Investoren allein nicht bereitstellen könnten.

Energiewende in Zusammenhängen steuern und wettbewerbsfähige Strompreise schaffen (DE)

Die hohen Energiekosten sind eine Belastung für die deutsche Wirtschaft und schränken deren internationale Wettbewerbsfähigkeit ein. Für eine dauerhafte Senkung der Strompreise muss primär das Angebot massiv ausgebaut werden. Kraftwerkskapazitäten sollten nur dann abgeschaltet werden, wenn andere (wetterunabhängige) Leistung gesichert zur Verfügung steht. Beim notwendigen Ausbau erneuerbarer Energie setzen Klimaziele und CO2-Bepreisung sowie sinkende Stromgestehungskosten für neue PV- und Windanlagen heute schon einen Rahmen, der eine Förderung schrittweise überflüssig macht. Durch das Auslaufen von Fördersystemen können Energieträger zu gleichen Wettbewerbsbedingungen miteinander konkurrieren, Marktsignale besser wirken und eine effiziente Energieversorgung gewährleisten.

Neben den reinen Stromkosten belasten weiterhin vor allem staatliche Abgaben und Umlagen sowie System- und Netzkosten die Strompreise für die Wirtschaft. Die Übernahme der EEG-Umlage in den Bundeshaushalt war ein erster notwendiger Entlastungsschritt und sollte durch eine umfassende Reform der „Nebenkostenstruktur“ ergänzt werden. Dazu zählen insbesondere die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß, die Übernahme weiterer Umlagen in den Bundeshaushalt und eine umfassende Beteiligung des Bundes an den Netzentgelten. Regulierungsbehörden sollten weiterhin für einen kosteneffizienten Ausbau und Betrieb der Energienetze sorgen. Günstige Strombeschaffungskosten ebnen auch den Weg in eine echte Sektorkopplung und das Zusammenwachsen der Energiemärkte über Power-to-X-Lösungen für den Wärme- und Mobilitäts-Sektor.

Energiewende einfach und handhabbar gestalten, Raum für Investitionen schaffen (DE)

In der Erfahrung vieler Unternehmen erschwert der normative Rahmen mit kleinteiligen Vorgaben, umfangreichen Berichtspflichten oder nicht synchronisierten Verfahren die praktische Umsetzung der Energiewende, bindet dringend benötigte Kapazitäten und Ressourcen.

Komplexe Förderprogramme und aufwendige Förderbürokratie sollten deutlich vereinfacht, Antragsverfahren und Nachweise homogenisiert werden. Auch in anderen Bereichen, bspw. energiesteuerlicher Begünstigungen oder Anlagenmeldungen im Markt-stammdatenregister, sollten Antrags- und Nachweisverfahren vereinheitlicht, synchronisiert und bestenfalls über eine zentrale Datenplattform organisiert werden. Hier kann die Digitalisierung wichtige Impulse setzen. Dabei muss die Datensicherheit und -hoheit der Unternehmen jederzeit und umfänglich gewährleistet sein.

Anstatt auf detaillierte technologische Vogaben zu setzen, sollte die Politik den Weg zur Treibhausgasneutralität mit technologieoffenen Standards und flexiblen Lösungen ebnen und damit eine Berücksichtigung individueller betrieblicher Rahmenbindungen er-möglichen. Insbesondere im Gebäudesektor bestimmt sich der Klimaneutralitätspfad aus einer individuellen Komposition von emissionsfreier Energieversorgung und dem dafür notwendigen Effizienzmaß. Dieses Effizienzmaß sollte aber nicht im Detail vorgegeben werden. Das gilt insbesondere für Nichtwohngebäude, deren Energieverbrauch sich nicht beliebig reduzieren lässt, sondern durch betriebs- und produktionsbedingte Parameter determiniert ist.

Eigenverantwortung stärken und Innovationen für die Energiewende erschließen (DE)

Der Wirtschaftsstandort zieht eine Stärke aus der Kombination hoher Innovationskraft gepaart mit starkem ökologischem Verantwortungsbewusstsein für die Optimierung eigener Prozesse und Produkte. Die Bundesregierung sollte daher auf Unternehmergeist statt auf Verbote und Vorgaben setzen. Mit freiwilligen Energieeffizienzmaßnahmen konnte die deutsche Wirtschaft den Energieeinsatz je Euro Wertschöpfung bereits deutlich reduzieren. Die Stärkung der betrieblichen Eigenversorgung und bessere Rahmenbedingungen für unternehmensübergreifende Versorgungsmodelle sind dabei wichtige Maßnahmen. In einem immer volatileren Energiesystem sollte Flexibilität bei der Suche nach den passenden Lösungen gewährleistet sein. Um die Energiewende zu einem Erfolg zu machen, bedarf es außerdem weiterer Innovationssprünge und neuer Technologien für alle Teile unseres Energiesystems – von der Erzeugung über Transport und Speicherung bis hin zu den Verbrauchssektoren. Ein wichtiger Aspekt sind dabei Lösungen für das Carbon Management (Abscheidung, Transport, Speicherung und Nutzung von CO2). Mit problembeschreibenden statt lö-sungsvorgebenden Auftragsvergaben könnte die öffentliche Hand Raum für Innovationen schaffen. Notwendig sind außerdem weitere und technologieoffene Forschungs- und Entwicklungsprogramme. Mit neuen Technologien kann nicht nur die Energiewende vollendet werden, sie bieten wirtschaftliche Zukunftsaussichten in weltweit stark wachsenden Märkten.

Qualität der Energieversorgung als Stand-ortfaktor sichern (DE+EU)

Die Qualität unserer Energieversorgung ist ein wichtiger Standortfaktor und muss auf höchstem Niveau auch für die Zukunft gewährleistet bleiben. Deshalb sollte insbesondere der Energienetzausbau weiter beschleunigt werden. Der regulatorische Rahmen für Systemdienstleistungen ist regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zeitnah anzupassen. Der Zugang zu diesen Märkten sollte allen Akteuren und Technologien diskriminierungsfrei offenstehen.

Die Einführung von Kapazitätsmärkten zur Sicherung der Versorgung ist immer wieder in der politischen Diskussion. Kapazitätsmärkte hätten aber erheblichen Einfluss auf die Effizienz des bestehenden Strommarktes und wären kostenintensiv. Darum sollten sie nur als Ultima Ratio und zeitlich begrenzt eingeführt werden, europäisch eingebettet sein und die Nachfragseite integrieren. Für eine größere Unabhängigkeit von externen Einflussfaktoren müssen auch heimische Potenziale, wie Geothermie oder Biomasse, stärker in den Blick genommen werden.

Vermehrt berichten Unternehmen von kurzzeitigen Stromunterbrechungen und Spannungsabfällen, die zu erheblichen Schäden führen können. Die Einführung eines Auskunftsrechts zu den Ursachen der Stromausfälle und die Überarbeitung der Entschädi-gungsregelungen und -ansprüche wären aus Sicht der Unternehmen wichtige Schritte.

Mit dem Zusammenwachsen der Energie-märkte nimmt der Wettbewerb der Netze für Strom, Gas/Wasserstoff und Wärme zu. Für ein kosteneffizientes, innovatives und siche-res Energiesystem bleiben die Entflechtung von Netz und Erzeugung bzw. Vertrieb sowie eine diskriminierungsfreie Netznutzung und Transparenz über Preisbildungen zentrale Voraussetzungen.

Energiebinnenmarkt stärken, Infrastruktur ausbauen, Energieversorgung sicherstellen (EU)

Eine sichere und effiziente Versorgung mit Energie lässt sich im europäischen Verbund besser bewerkstelligen als im nationalen Alleingang. Schritte zur Vollendung des Energiebinnenmarktes und zum Abbau nationaler Sonderwege sind daher für die Wirtschaft insgesamt immer vorteilhaft. Der Energiebinnenmarkt sollte gestärkt werden, indem beim Umbau der Energiesysteme marktnahe Lösungen gemeinsam verfolgt werden und europäische Netze konsequent ausgebaut werden.

Die freie Preisbildung ist von großer Bedeutung, damit die europaweit wirtschaftlichsten Kapazitäten zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage bei Erzeugern, Nachfragern und durch Speicher zum Einsatz kommen. Für die Versorgungssicherheit sollte die EU ge-meinschaftlich Verantwortung tragen. Eine gemeinsame Beschaffungsstrategie für Wasserstoff, die die Vermeidung neuer Abhängigkeiten von einzelnen Zulieferregionen sicherstellt, ist sinnvoll – Leitbild sollte die diversifizierte europäische Gasbeschaffung sein. Der Ausbau der Netze ist grenzüberschreitend und für alle Energieträger, insbe-sondere auch für Wasserstoff, entschieden voranzutreiben. Dazu sollten Möglichkeiten für Transport und Speicherung von CO2 geschaffen werden.

Verfügbarkeit erneuerbarer Energien erweitern und Wasserstoffmarkt schaffen (EU)

Um ihre Treibhausgasemissionen im Einklang mit den ambitionierten europäischen Klimazielen zu reduzieren, sind Unternehmen und insbesondere die Industrie auf eine sichere und preislich wettbewerbsfähige Versorgung mit erneuerbaren Energien angewiesen. Da-her hat ihr Ausbau für die Wirtschaft höchste Priorität und sollte von der Politik als Anliegen im öffentlichen Interesse noch entschlossener vorangetrieben werden. Naturschutzrechtliche Vorgaben, mit Ursprung in der EU-Gesetzgebung, sollten vereinfacht werden. So lassen sich auch resultierende Hürden beseitigten, z.B. lange Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Beim Aufbau eines liquiden funktionierenden Wasserstoffmarkts kommt der EU eine zentrale Rolle zu. Der regulatorische Rahmen sollte so ausgestaltet werden, dass Wasserstoff als Energieträger und Rohstoff möglichst zügig, in großen Mengen und zu geringen Kosten von allen Unternehmen beschafft werden kann. Der zügige Übergang zum klimafreundlichen Wasserstoff erfordert nach Auffassung des überwiegenden Teils der Wirtschaft Übergangstechnologien und -zeiträume. Zudem sollte sich die Politik für einheitliche Definitionen von Wasserstoff einsetzen und Konsistenz in ihren Gesetzestexten wahren, um Konflikte zu verhindern und Planungssicherheit zu gewährleisten. Essenziell ist der mit dem Markthochlauf des Wasserstoffs verbundene Infrastrukturausbau. Ob leitungsgebundener Transport aus Lieferländern oder „H2-ready“ LNG-Infrastruktur – in jedem Fall ist eine schnelle Umsetzung nötig.

Die Rolle der Energieabnehmer im Binnenmarkt stärken (DE+EU)

Deutschland sollte seine Energiepolitik stärker mit den europäischen Nachbarn koordinieren. Grenzüberschreitende Kooperation im europäischen Binnenmarkt schafft Effizienzgewinne.

Europarechtliche Vorgaben sollten die Einbeziehung von Abnehmer in den Energiemarkt erleichtern, indem sie gleichberechtigten Zugang zu allen Märkten ermöglichen. Zudem sollte das Recht auf aktive Marktteilnahme, u.a. durch die Eigenerzeugung von erneuer-barem Strom oder Direktlieferverträge, noch deutlicher im EU-Recht verankert und ambitioniert umgesetzt werden. Hierzu gehört auch die Möglichkeit, Eigenerzeugungsanlagen gemeinsam zu betreiben. Grundsätzliches Ziel sollte die technologieoffene Gleichbehandlung verschiedener Marktakteure sein. Die Förderung wettbewerbsfähiger Technologien sollte nach Meinung des größten Teils der Wirtschaft so rasch wie möglich auslaufen und die Vermarktung erneuerbarer Energien harmonisiert werden.

Zur Sicherung von Akzeptanz und Bezahlbarkeit ist auch die Rolle der Kunden in der Nah- und Fernwärmeversorgung zu stärken. Neben einem deutlich stärkeren Fokus auf transpa-rente und faire Vertrags- und Preisbildungs-bedingungen, bedarf es einer zentralen und wirksamen Preisaufsicht und -kontrolle.

Ansprechpartner in der DIHK:

Erik Pfeifer (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Umwelt schützen, Wirtschaft stärken: Fokus auf bürokratiearme Green Deal Umsetzung

Die Wirtschaft leistet viel für den Umweltschutz: Bei wachsender Wirtschaftsleistung sinken die Belastungen für die Umwelt in Deutschland stetig. Trotzdem werden noch nicht alle Umweltziele des Bundes, der EU oder internationaler Organisationen erreicht. Die Unternehmen werden von Gesellschaft und Politik aufgefordert, Umwelteinflüsse noch weitreichender zu vermindern. Die Bemühungen um mehr betrieblichen Umwel-schutz bleiben deshalb eine stetige Herausforderung.

Umweltschutz bietet Chancen und ist wirtschaftliche Herausforderung zugleich: Auf der einen Seite ist die Umweltgesetzgebung in Deutschland ein Treiber für Innovationen und Exporte von Umwelttechnologien. Die Unternehmen nehmen Umweltschutz als ein Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung wahr, der zu attraktiven Standortbedingungen beiträgt und Risiken minimieren kann. Unternehmen, die Vorreiter im Umweltschutz sind, sind häufig besonders innovativ, wenger anfällig für Krisen und attraktiv für Fachkräfte. Auf der anderen Seite können enge umweltrechtliche Anforderungen techni-schen Innovationen und Investitionen im Weg stehen und Kosten etwa für technische Anpassungen verursachen oder zusätzliche Dokumentations-, Berichts- oder Genehmigungspflichten hervorrufen und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft einschränken. Das Umweltrecht nennen Unternehmen als eines der wichtigsten Gründe für die zu langwierigen und komplexen Genehmigungsverfahren in Deutschland. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind mit der überbordenden Bürokratie und Genehmigungsverfahren im Umweltbereich häufig überfordert. Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, berichten zudem von Wettbewerbsnachteilen, wenn umweltrechtliche Anforderungen in Deutschland über EU-Vorgaben hinaus gehen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Innovationskraft und Verantwortung für den Umweltschutz stärken (DE+EU)

Die Meinungen zur Umweltpolitik sind innerhalb der Wirtschaft uneinheitlich. Auf der einen Seite setzen sich Unternehmen für hohe Umweltstandards ein, um Investitionen und technologische Innovationen zu fördern. Den Umweltschutz sehen viele Unternehmen zudem als Teil der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen und kann die Attraktivität als Wirtschaftsstandort erhöhen. Auf der anderen Seite befürchten viele Unternehmen in Deutschland Wettbewerbsnachteile, hohe Bürokratiekosten oder langwierige Genehmigungsverfahren. Innerhalb dieses Spannungsverhältnisses sollte sie einen angemessenen Ausgleich zwischen den Zielen des Umweltschutzes und den damit verbundenen Kosten für Unternehmen finden. Regelungen sollten Unternehmen Anreize setzen, in Umweltschutztechnologie zu investieren, ohne Innovationen und Wachstum durch detaillierte Vorgaben oder Bürokratie zu behindern.

Ge- und Verbote sollten nur gewählt werden, wenn Innovations- und Forschungsförderung, freiwilliges Engagement oder vertragliche Vereinbarungen nachweislich nicht ausreichen. Bestehende Instrumente wie das Umweltinnovationsprogramm, Umweltmanagementsysteme oder die freiwilligen Selbstverpflichtungen sollten ausgebaut werden. Preisliche Anreize wie Zertifikatehandel, Abgaben oder Steuern sollten ordnungsrechtlichen Vorgaben wie Quoten oder Verboten vorgezogen werden. Eindeutige Standards sollten gegenüber bürokratischen Prüf-, Dokumentations- und Berichtspflichten den Vorzug erhalten. Kann Regulierung nicht vermieden werden, sollte diese technologieoffen und transparent sein. Umweltpolitische Ziele sollten bei technischen Anforderungen den Stand der Technik fortschreiben und vergleichbare Rahmenbedingungen für alle Unternehmen schaffen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sollten ausreichend Zeit für notwendige technische Anpassungen erhalten.

Der Gesetzgeber sollte Informationspflichten im Umweltrecht kontinuierlich überprüfen. Wo möglich, sollten hier bestehende Belastungen reduziert und zukünftige vermieden werden.

Level-Playing-Field für nachhaltiges Wirtschaften (DE+EU)

In vielen Bereichen des Umweltrechts wer-den Regelungen innerhalb der EU unter-schiedlich streng und bei Importprodukten teilweise gar nicht eingehalten. Statt allein auf neue Regulierungsmaßnahmen zu set-zen, sollte die einheitliche Anwendung und Durchsetzung bestehender Regeln einen Schwerpunkt der europäischen Umweltpoli-tik bilden. Deutschen Unternehmen sollten dabei keine Nachteile gegenüber europäi-schen oder internationalen Wettbewerbern entstehen. Europäische Vorgaben sollten in der nationalen Umsetzung deshalb nicht übertroffen werden. Für den Onlinehandel sollten die gleichen umweltrechtlichen Ver-pflichtungen gelten wie für den stationären Handel.

Risiken des Stoffrechts minimieren (EU)

Neue Einstufungen und Bestimmungen zu Stoffen im Umweltrecht können erforderlich sein, um Kunden und Umwelt vor Schäden zu bewahren. Gleichzeitig können sie unvermittelt deren Nutzung oder Verwertung einschränken. Besonders die breite Beschränkung ganzer Stoffgruppen – wie im Fall von PFAS oder Mikroplastik - in Herstellung und Verwendung hat weitreichende negative Auswirkungen auf große Teile der deutschen und europäischen Industrie. Dies gefährdet die Resilienz ganzer Lieferketten, die Investitions- und Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union sowie die Ziele für den Umwelt- und Klimaschutz. Die langwierigen Verfahren der Einstufung oder Beschränkung führen zu Unsicherheiten und Investitionszurückhaltung bei Unternehmen. Häufig müssen Unternehmen beschränkte Stoffe zudem durch Alternativen ersetzen, die kaum ökologischere oder sogar schädlichere Eigenschaften aufweisen.

Einstufungen oder Beschränkungen von Stoffen sollten deshalb stoffbezogen und ri-sikobasiert erfolgen. Zudem sollte stets geprüft werden, ob gesetzliche Verschärfungen des Stoffrechts zu negativen Ausweicheffekten führen können. Damit Unternehmen sich auf neue Regelungen einstellen können, sollten diese Verfahren einfacher, schneller und nachvollziehbarer gestaltet werden. Etwaige Informations- und Prüfpflichten zu Stoffen etwa beim Umgang mit Chemikalien sollten praxisgerecht gestaltet und ihr Aufwand für Unternehmen innerhalb der Lieferkette zumutbar bleiben. Wo möglich sollte die Politik dabei auf in der Wirtschaft bewährte Verfahren zur Qualitätssicherung setzen. Bei der Regelung der finanziellen und organisatorischen Verantwortung für Informationen oder Entsorgungen innerhalb von Lieferketten sollte eine verursachergerechte Lastenverteilung gewährleistet und der Bürokratie- und Kostenaufwand nicht übermäßig erhöht werden. Anpassungen stofflicher Grenzwerte sollten stets unter Berücksichtigung mögli-cher Auswirkungen auf die Verwendungsmöglichkeit der von den jewei-ligen Stoffen betroffenen Rezyklate erfolgen.

Anlagen praxisgerecht und effizient genehmigen und überwachen (DE+EU)

Rechtssichere Genehmigungs- und Überwachungsverfahren setzen ausreichendes und fachkundiges Personal sowie digitale Verfahren in den Behörden voraus: Viele Unternehmen berichten jedoch von geringen oder fehlenden Kapazitäten sowie mangelndem technischem Know-How in den Umweltverwaltungen. Gleichzeitig werden Genehmigungs- und Überwachungspflichten auf kleinere Anlagen ausgeweitet. Das erhöht den Aufwand für Unternehmen und Behörden. Als Folge werden Abwägungsentscheidungen von Behörden weniger praxisgerecht getroffen, Genehmigungsverfahren verzögert und Unternehmen müssen zusätzliche externe Gutachten beauftragen.

Damit Behörden ihre Ermessensentscheidungen praxisgerecht treffen können, sollten sie technisch und personell ausreichend und qualifiziert ausgestattet sein. Verfahren sollten möglichst weitgehend digitalisiert werden. In neuen immissionsschutzrechtlichen Regelungen sollten der Aufwand für Genehmigungsverfahren reduziert und Bagatellgrenzen erhöht werden. Um der Komplexität der Anlagentechnik gerecht zu werden, sollten Einzelfallregelung für Ausnahmen in be-gründeten Fällen möglich bleiben. Die Anzahl und der Umfang von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) sollte gerade bei kleineren Projekten (Anhang II UVPG) reduziert werden. Hierfür sollte die Bundesregierung besonders die Schwellenwerte zur Notwendigkeit einer sog. UVP-Vorprüfung erhöhen. Bei der Umsetzung der Industrieemissions-Richtlinie sollte die Bundesregierung die erweiterten Anforderungen auf Anlagen beschränken, die auch unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Zusätzliche Bürokratiebelastungen sollte sie weitestmöglich vermeiden und die Übergangsbestim-mungen weitestmöglich nutzen. Erleichterungen für Transformationsprojekte sollte sie schnellstmöglich zur Beschleunigung der Verfahren umsetzen.

Klagen von Umweltverbänden oder Bürgern verzögern oder gefährden durch die folgen-den Rechtsunsicherheiten Projekte für den Infrastrukturausbau oder Gewerbeansiedlungen. Bei derartigen Klagen sollte eine Regeldauer von maximal 12 Monaten für diese Gerichtsverfahren gesetzlich vorgeschrieben werden. Weiter sollten hierzu Klagebegrün-dungsfristen sowie Fristen für die Beibrin-gung von Beweismitteln, wie etwa Gutachten, eingeführt werden. Um die Zahl der Verfahren zu beschränken, sollte die Bundesregierung sich zudem dafür einsetzen, dass Klagerechte für Umweltschutzverbände nicht auf unbeteiligte Privatpersonen ausgeweitet werden. Bei der Weiterentwicklung der Umsetzung der Aarhus-Konvention sollte sich die Bundesregierung für eine Wiedereinführung der Präklusion einsetzen und bei der nationalen Ausgestaltung die vorhandenen Spielräume zu ihrer Stärkung nutzen. Mit der Präklusion können Klagen oder Widersprüche ausgeschlossen werden, wenn diese zu spät eingereicht werden. Dadurch können Unternehmen wieder mehr Rechts- und Planungssicherheit für ihre Investitionen erhalten.

Wirtschaftliche Entwicklung an geeigneten Standorten ermöglichen (DE)

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sollten so angepasst werden, dass gewerbliche Nutzungen in dicht besiedelten Räumen, auch in der Nähe von Wohnbebauungen, möglich bleiben. Interessenkonflikte sollten nicht in nachgelagerte Genehmigungs- oder Überwachungsverfahren verlagert, sondern bereits bei der Planung ausreichend berücksichtigt werden.

Beim Lärmschutz sollten die verschiedenen Anforderungen an Gewerbe-, Verkehrs-, Freizeitlärm möglichst vereinheitlicht werden. Damit Gewerbe auch in dicht besiedelten Ballungsräumen weiter betrieben werden kann, sollten Grenzwerte, Beurteilungszeiten und -orte sowie mögliche Minderungsmaßnahmen in der Technischen Anleitung (TA) Lärm – bspw. durch passive Schallschutzmaßnahmen - flexibler ausgestaltet werden.

Im Störfallrecht sollte die Bundesregierung bundeseinheitliche Regelungen zur Ermitt-lung des angemessenen Sicherheitsabstandes zwischen Industriebetrieben und Schutzobjekten treffen und unbestimmte Rechtsbegriffe klarstellen. Die Häufigkeit und der Aufwand für Gutachten sollten redu-ziert werden, die Möglichkeit zur Einzelfallbetrachtung jedoch erhalten bleiben. Der Gewässerschutz sollte die Ziele im Einklang mit den Bedürfnissen von Energie-, Verkehrs- und Tourismuswirtschaft oder produzieren-den Unternehmen erreichen.

Gewerbliche Handlungsmöglichkeiten im Umweltschutz schaffen (DE+EU)

Die Mehrheit der Unternehmen unterstützt gesetzliche Maßnahmen zur Stärkung der Wasserresilienz. Dabei sollte die Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung Vorrang eingeräumt werden. Bestehende industrielle Nutzungen sollten dabei weitestmöglich erhalten bleiben.

Im Naturschutz sollten die Handlungsmöglichkeiten der Wirtschaft bei Eingriffen in die Natur flexibler gestaltet werden. Bei Maßnahmen zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Biodiversität sollten wirtschaftliche Belange frühzeitig und konstruktiv in eine Gesamtabwägung einfließen. Dies gilt etwa im Hinblick auf die Ausweisung zusätzlicher Schutzgebiete zu Land und auf See. Unternehmen sollten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch auf Vorratsflächen sowie Ökokonten anwenderfreundlich nutzen dürfen. Dafür sollte ein bundesweit einheitliches Bewertungsverfahren eingeführt werden. Er-folge im Artenschutz und bei der Biodiversität sollten sich auch rechtlich in Form von Erleichterungen für Wirtschaft bemerkbar machen. Anpassungen der FFH-Richtlinie sowie der Vogelschutzrichtlinie könnten eine zügige Planung und Genehmigung fördern. Dazu sollte eine stärkere Fokussierung auf den Populations- statt auf den Individual-schutz vorgenommen werden.

Maßnahmen zur Luftreinhaltung sollten eine faire Lastenverteilung zwischen den verschiedenen Quellen vorsehen. Die Einhaltung der Grenzwerte sollte nicht allein von lokalen oder regionalen Verwaltungen und Unternehmen verantwortet werden. Bei der Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie in natio-nales Recht sollte die Bundesregierung die möglichen Ausnahmen möglichst umfangreich nutzen.

Ansprechpartner/-in in der DIHK:

Hauke Dierks (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Katharina Hurka (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Kreislaufwirtschaft und Rohstoffe: Potenziale nutzen und Zugang sichern

Die Versorgung mit Rohstoffen und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen sind wichtige Säulen wirtschaftlicher Tätigkeit. Für zahlreiche Produkte müssen Rohstoffe importiert werden. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft bietet große Chancen für mehr Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit. Dies ist für alle Akteure der Wertschöpfungskette essenziell, insbesondere für Krisenzeiten. Um die vollen Potenziale einer Kreislaufwirtschaft zu erschließen, sollten Stoffkreisläufe bürokratiearm erschlossen werden können.

Statt allein auf neue Regulierungsmaßnahmen zu setzen, sollte die einheitliche Anwendung und Durchsetzung bestehender Regeln einen Schwerpunkt der europäischen Kreislaufwirtschaftspolitik bilden. Im Vorfeld umweltabfallrechtlicher Regulierungsvorschläge sollten deren ökonomische Auswirkungen und praktische Umsetzbarkeit über die Breite der unmittelbar wie mittelbar betroffenen Unternehmen ermittelt werden. Kommt es zu neuen Regelungen, sollten diese mit möglichst geringem Aufwand in die betriebliche Praxis integriert werden können. Vor der gesetzlichen Regulierung sollte geprüft werden, ob die Umweltziele durch eigenverantwortliche Initiativen oder Anreize erreicht werden können.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Förderung der Kreislaufwirtschaft - Stoffkreisläufe schließen (DE+EU)

Die Förderung der Kreislaufwirtschaft – gerade auch auf EU-Ebene – hat für die deutsche Wirtschaft einen hohen Stellenwert. Neben ökologischen Vorteilen liegen hierin auch ökonomische Potenziale. Dies umfasst z.B. eine geringere Importabhängigkeit bei verschiedenen Rohstoffen, welche die Resilienz von Unternehmen verbessert. Umfassende Nachhaltigkeitsvorgaben für Produkte – wie etwa durch eine Ökodesign-Verordnung – stellen deutsche Unternehmen vor Herausforderungen. So können zu detaillierte Ökodesign-Anforderungen dazu führen, dass die Produktvielfalt beschnitten und technologieoffene Innovationen erschwert werden. Entsprechende Vorgaben zu Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten sollten Unternehmen daher genügend Freiraum bei der Produktent-wicklung einräumen. So können Betriebe die Chancen, die sich aus der Verbesserung der Energie- und Materialeffizienz ergeben, auch im Wettbewerb nutzen.

Um ökonomische Potenziale heben zu können, sollten neue Regularien, wie u. a. die Einführung des Digitalen Produktpasses, europaweit einheitlich gestaltet und angewandt werden. Ebenfalls sollten neue Vorgaben auf der frühzeitigen und konstruktiven Einbeziehung unternehmerischer Expertise beruhen, die Möglichkeit wirtschaftlicher Selbstregulierung offenhalten und die Wettbewerbsfähigkeit gerade kleiner und mittlerer Unternehmen nicht beeinträchtigen. Dazu benötigen Unternehmen frühzeitig Planungssicherheit für notwendige Transformationsprozesse sowie Zeit zur Umsetzung neuer Regularien.

Herstellerverantwortung und Wettbewerb fair gestalten (DE+EU)

Eine Erweiterung des Gewährleistungsrechts im Hinblick auf den Anspruch auf Reparatur (“Right to Repair”) sehen viele Unternehmen kritisch. Eine Minderheit setzte sich dagegen explizit für eine Ausweitung dieser Verbraucherrechte ein. Für die Reparatur fehlt es vielen Unternehmen allerdings an der nötigen Infrastruktur. Deshalb sollte bei der Reparierbarkeit von Produkten möglichst auf Freiwilligkeit sowie auf Anreize für Unternehmen gesetzt werden. Geklärt werden sollte auch der Umgang mit Import- sowie Onlineware und deren Einbeziehung in die Reparaturvorhaben, um eine Gleichstellung mit stationärem Handel zu ermöglichen. Manche Unternehmen in Deutschland sprechen sich aber auch für ein europaweites Recht auf Reparatur aus, denn neben der Ressourceneinsparung und größeren Marktchancen langlebiger Produkte, könnte das Recht auch den Vorteil einer höheren Kundenbindung bieten.

In der Abfallrahmenrichtline sollte das Verursacherprinzip nicht unbegrenzt entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgedehnt, sondern weiterhin auf den Umgang mit dem Endprodukt begrenzt werden. Die aus der Richtline hervorgehende SCIP- Datenbank (Substances of Concern in Products and Articles) sollte in ihrem Umfang nicht nur in der rechtlichen Theorie, sondern auch in der Praxis auf die in Artikel 33 der REACH-Verordnung vorgesehenen Informationen beschränkt bleiben. Auch sollte sie in ihrer An-wendung praxistauglicher gestaltet werden, um sie für die Kreislaufwirtschaft nutzbar zu machen und die damit verbundenen Aufwand für Unternehmen zu reduzieren.

Verpackungsverordnung - Bürokratie abbauen und Verfahren vereinfachen (EU)

Mit der europäischen Verpackungsverord-nung sollten Anforderungen harmonisiert und die einheitliche Umsetzung in Europa sichergestellt werden. In der weiteren Umset-zung sollten die Herstellerverantwortung und Registrierungspflichten – sofern überhaupt notwendig einmalig europaweit wahrgenommen werden können. Kennzeichnungspflichten und Vorgaben zur Verpackungsgestaltung sollten ebenfalls europaweit einheitlich gelten. Dabei sprechen sich viele Unternehmen der Recyclingwirtschaft für ein einheitliches Recycling-Label und Anforderungen an den Einsatz von Recycling-materialien (Minimal-Content) aus. Zur Entlastung bei Kleinmengen sollten Bagatellgrenzen eingeführt werden.

Bemühungen der Unternehmen bei der Rohstoffbeschaffung flankieren (DE+EU)

DIHK-Umfragen belegen, dass die Versor-gung mit Rohstoffen nicht immer uneingeschränkt gewährleistest ist. Entsprechend ist es aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft grundsätzlich richtig, dass die EU-Kommis-sion ein Gesetz für kritische Rohstoffe („Critical Raw Materials Act“) verabschiedet hat, um zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit von Rohstoffen treffen zu können. Eine europäische Bündelung der Ressourcen ist aus Sicht der Wirtschaft empfehlenswert, um die Rohstoffversorgung der Unternehmen zu sichern.

Industrie- und Handelskammern unterstreichen, dass ein verstärktes staatliches Monitoring von Rohstoffen nur dann sinnvoll ist, wenn dadurch keine zusätzlichen bürokratischen Belastungen für Unternehmen entstehen. Unternehmen befürchten zusätzliche Bürokratie, da sie als Folge ggf. an öffentliche Stellen zu Rohstoffen berichten müssten.

Zugang zu heimischen Rohstofflagern langfristig sichern (DE)

Die Erhöhung der Sicherheit der Versorgung mit Rohstoffen durch strategische Rohstoffprojekte in der EU oder in für die Rohstoffversorgung der EU wichtigen Partnerländern wird von der gewerblichen Wirt-schaft befürwortet. Sowohl die verstärkte Er-schließung von Rohstoffen innerhalb der EU als auch Rohstoffpartnerschaften mit anderen Ländern werden von Unternehmen ausdrücklich als positive Lösungsansätze genannt.

Trotz seiner Bedeutung für größere strategische Unabhängigkeit steht der Bergbau in Deutschland vor immer höheren Hürden und Barrieren. Grund hierfür sind die kontinuierliche Verschärfung und Bürokratisierung von Genehmigungsverfahren, durch fehlende Technologieoffenheit bis hin zu Verboten und einer stetigen Ausweitung anspruchsvoller, komplexer Umweltauflagen. Hinzu kommt eine systematische Verschlechterung der Akzeptanz des heimischen Rohstoffabbaus in der Bevölkerung. Die Erschließung von Rohstoffen innerhalb der EU kann bspw. durch weitere Entbürokratisierung der Ge-nehmigungsverfahren und Beschleunigungsmaßnahmen ermöglicht werden. Außerhalb der EU können die Deutschen Auslandhandelskammern vor Ort in Partnerländern einen Beitrag leisten, um Projekte zur Rohstoffge-winnung für die EU zu vermitteln und zu unterstützen.

Ansprechpartner/-in in der DIHK:

Christoph Petri (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Katharina Hurka (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) und Hauke Dierks (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Corporate Social Responsibility: Nachhaltiges Wirtschaften unterstützen, Gestaltungsspielräume bewahren

In einer globalisierten Welt und vor dem Hintergrund großer wirtschaftlicher Herausforderungen ist verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften in der Tradition des Leitbilds der Ehrbaren Kaufleute aktueller denn je. Deutsche Unternehmen üben ihre unternehmerische Verantwortung (Corporate Social Responsibility – CSR) auf vielfältige Weise aus und verbinden wirtschaftlichen Erfolg mit der Berücksichtigung ökologischer, sozialer und gesellschaftlicher Aspekte. Auch im Ausland tragen deutsche Unternehmen zu höheren Sozial- und Umweltstandards, besserer Bildung und damit zu Wachstum und Wohlstand bei. Viele Unternehmen leisten durch dieses Engagement sowie die Entwicklung von innovativen Produkten und Dienstleistungen zusätzlich einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigen Ent-wicklungsziele der Vereinten Nationen.

Grundsätzlich sollte die Politik die Wirtschaft als Partnerin verstehen, da sich die Heraus-forderungen der Transformation zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesell-schaft nur gemeinsam mit der Wirtschaft lö-sen lassen. So sollten die Europäischen Insti-tutionen einheitliche, verlässliche Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit in Europa schaffen und die notwendigen Freiräume für die Wahrnehmung und Ausgestaltung unternehmensspezifischer Verant-wortung lassen. Ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene ist für die Investitions- und Planungssicherheit der Wirtschaft essenziell. Bei grenzüberschreitenden Themen sollte sie über internationale Ordnungspolitik möglichst gleiche Wettbewerbsbedingungen auf globaler Ebene herstellen – mit Blick auf einige Auslandsmärkte entstehen bereits Benachteiligungen für deutsche Unternehmen durch EU-Regelungen. Bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht sollten die gesetzten EU-Standards gewahrt werden und keine weiteren Verschärfungen zum Nachteil der deutschen Wirtschaft im nationalen Recht erfolgen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Für Menschenrechte und Umweltstandards weltweit werben (DE+EU)

Die deutsche Wirtschaft unterstützt das Ziel der EU-Strategie zur Förderung menschenwürdiger Arbeit weltweit. Die gemeinsame Anstrengung vieler gesellschaftlicher Akteure für die verantwortungsvolle Gestaltung von Liefer- und Wertschöpfungsketten kann einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Zwangs- und Kinderarbeit sowie zur nachhaltigen Entwicklung leisten. CSR-Strategien und die Art des Engagements von Unternehmen sind dabei jedoch unterschiedlich. Gelebte Unternehmensverantwortung kann ein Treiber für Innovation sein, Wettbewerbsvorteile schaffen und die Unternehmensmarke stärken. Zudem erwarten Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Investoren, Politik und Gesellschaft, dass Unternehmen ge-sellschaftliche Veränderungen verantwor-tungsvoll mitgestalten und sich für gemeinsame rechtsstaatliche Grundsätze einsetzen.

Lieferkettenmanagement, menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltsprozesse sowie die Verhinderung von Zwangsarbeit stehen stark im Vordergrund der Diskussion. Die tatsächlichen Möglichkeiten der Einflussnahme von Unternehmen auf die Zulieferkette variieren jedoch stark, je nach Unternehmens-größe, -struktur und Marktposition. Oftmals gibt es nur begrenzten Einfluss und geringe Kontrollmöglichkeiten bei der Einhaltung der Standards vor Ort. Wenig bis keinen Einfluss haben Unternehmen auf mittelbare Zuliefe-rer bzw. indirekte Geschäftspartner, mit denen keine Vertragsbeziehung besteht und die oftmals nicht bekannt sind. Im Sinne einer Verantwortungspartnerschaft müssen nach Ansicht der Unternehmen die Staaten ihre Aufgabe wahrnehmen, Sozial- und Umweltstandards durchzusetzen und Menschenrechte zu schützen, auch in Entwicklungs- und Schwellenländern. Diese staatli-che Verantwortung darf weder in den Gaststaaten noch von Europa aus auf die Unter-nehmen übertragen werden.

Bürokratiearme und praxistaugliche Ausgestaltung von Vorgaben zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (DE+EU)

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet große Unterneh-men seit 2023, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette vorrangig unter Berücksichtigung unmittelbarer Zulieferer auszuüben. Erste Erfahrungen mit dem Gesetz zeigen, dass bei betroffenen Unternehmen mit komplexen Lieferketten erhebliche Kosten und hoher bürokratischer Aufwand im Zusammenhang mit der Ausübung der Sorgfaltspflichten entstanden sind. Sehr detaillierte Umsetzungsvorgaben und Berichtspflichten tragen ebenfalls dazu bei und binden teilweise erhebliche Ressourcen. Eine schlankere Umsetzung des LkSG wäre aus Sicht der meisten Unterneh-men wünschenswert. Auch müssen Erleichterungen für nicht risikobehaftete Zulieferer geschaffen werden, die derzeit durch zahlreiche Auskunftsersuchen und die Weitergabe von Sorgfaltspflichten belastet werden.

Nach mehrheitlicher Auffassung der Unternehmen sollte grundsätzlich eine Aussetzung des LkSG bis zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (CSDDD) erwogen werden, um zu vermeiden, dass deutsche Unternehmen durch die bestehende nationale Regelung weiter Wettbe-werbsnachteilen im Vergleich zu anderen EU-Unternehmen ausgesetzt sind.

Mindestens sollten aber die Berichtspflichten nach LkSG bis zur Umsetzung der CSDDD vollständig ausgesetzt werden.

Die Umsetzung der CSDDD sollte in Deutschland eins zu eins, d. h. ohne „gold-Plating“ erfolgen. Wichtig ist dabei auch, den zeitlich gestaffelten Anwendungsbereich auf Unternehmen zu wahren, um ausreichende Vorbereitungszeit zu lassen. Bei der Umsetzung der CSDDD sollte darüber hinaus eine bürokratiearme und praxistaugliche Ausgestaltung von Vorgaben zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht in Bezug auf Menschenrechte und die Umwelt und die Beseitigung von Rechtsunsicherheiten im Vordergrund stehen. Bürokratische Lasten sollten dabei durch die Anwendung des risikobasierten Ansatzes und die Einführung einer Positivliste von Staaten mit hohem Schutzniveau begrenzt werden. Die Ausdehnung der Sorgfaltsplichten auf indirekte Geschäftspartner in der Aktivitätskette ist praxisfern und stellt eine kaum erfüllbare Anforderung dar. Dadurch sowie aufgrund von unbestimmten Rechtsbegriffen und Haftungsrisiken drohen Beeinträchtigungen bei der notwendigen Diversifizierung von Lieferketten und der Rückzug aus bestimmten Ländern.

Mehr Unterstützung anbieten, CSR-Kompetenzen fördern, statt Regulierung und Bürokratie (DE+EU)

Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Taxonomie müssen deutlich mehr Unternehmen unmittelbar über ihre Nachhaltigkeit berichten. Der Fokus sollte jedoch verstärkt auf Unterstützungs-angeboten und der Förderung von CSR-Kompetenzen liegen und nicht auf der Berichtserstellung oder neuer Gesetzgebung.

Das Engagement der Unternehmen im Bereich CSR bedarf keiner weiteren gesetzli-chen Regelungen. Unternehmen sollten durch Informationen sowie Angebote zur Kapazitätsentwicklung und zum Aufbau von Know-how unterstützt werden. Auch Initiativen im Rahmen der Vereinten Nationen (VN) sollten darauf ausgerichtet sein, Unternehmen einerseits unverbindliche Hilfestellung zu geben und andererseits Staaten an-zuhalten selbst, bestehende völkerrechtliche Vereinbarungen zu implementieren und durchzusetzen. Dies sollte die EU auch auf VN-Ebene bei der Verhandlung des Entwurfs für ein internationales Abkommen (UN-Treaty) im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte berücksichtigen. Im Rahmen von multilateralen Foren und internationalen Organisationen sollte sich die Europäische Union für eine Angleichung der Wettbewerbsbedin-gungen für Unternehmen einsetzen, um Nachhaltigkeit in Liefer- und Wertschöpfungsketten zu fördern.

Komplexität und Aufwand der Nachhaltigkeitsberichterstattung kompatibel gestalten und begrenzen (DE+EU)

Mit der Verabschiedung der CSRD, der Taxo-nomie, der entwaldungsfreien Lieferkette, dem EU-Lieferkettengesetz usw. nehmen die Anforderungen und die Komplexität an Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Anwendungsbereich zu. Von den Berichtspflichten sind nicht nur große Unternehmen betroffen, sondern durch indirekte Berichtspflichten („trickle-Down-Effekt“) auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die als Zulieferbetriebe zur Erhebung von nichtfinanziellen Informationen – oftmals nach unterschiedlichen Standards und Formaten – aufgefordert werden. Insbesondere sollte eine Kompatibilität, auch Vereinheitlichung der verschiedensten Pflichten und Standards auf EU bzw. interna-tionaler Ebene sichergestellt bzw. angepasst werden (vgl. Kapitel „Sustainable Finance“).

Bei der Entwicklung der freiwilligen Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards für KMU (VSME) gilt es, die spezifischen Herausforderungen von KMU in der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen. (vgl. Kapitel „Sustainable Finance“). Zudem sollte ein Abbau von Dokumentationsvorschriften durchgeführt werden, insbesondere, wenn identische Inhalte verlangt werden. Hier sollte auf bestehende Berichte wie z. B. EMAS verwiesen werden können und eine Doppelbelastung dadurch vermieden werden. Technische Möglichkeiten, die den KMU bei der Nutzung eines VSME-Basismoduls optional zur Verfügung stehen, sowie di-gitale Schnittstellen zu diesem, könnte den Aufwand ebenfalls reduzieren.

Auch bei der Teilnahme an Förderprogrammen, öffentlichen Ausschreibungen etc. werden Nachhaltigkeitsdaten von KMU verlangt (vgl. Kapitel „Wettbewerbsrecht“). Die Datenbasis hierfür sollten, wenn überhaupt, auch aus dem (Basismodul des) VSME kommen.

Freiwillige Umweltmanagementsysteme anerkennen (DE+EU)

Freiwillige Umweltmanagementsysteme befördern einen individuellen, verantwortungsbewussten Ressourceneinsatz. Teilnehmer des europäischen Umweltmanagementsystems EMAS bspw. verpflichten sich, die Ein-haltung aller umweltrechtlichen Vorgaben prüfen zu lassen und ihre Umweltleistung kontinuierlich zu verbessern. EMAS ist so für Unternehmen ein Gütesiegel und öffentliches Bekenntnis für eine an Umwelt und Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmenskultur.

Das freiwillige, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Engagement der Unternehmen z. B. durch Managementsysteme wie ISO-Zertifizierungen, sollte außerhalb des öffentlichen Auftragswesens höhere Anerkennung finden, u.a. in Form von Erleichterungen bei Dokumentationspflichten. Dann fänden diese Instrumente noch mehr Anklang bei den Unternehmen.

Chancen der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen (EU)

In einer zunehmend digitalen Welt und Gesellschaft gehört zu CSR auch der verantwortungsvolle Umgang mit Daten sowie mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, die Corporate Digital Responsibility (CDR). Während bei CSR ökologische und soziale Aspekte der analogen Welt im Vordergrund stehen, thematisiert CDR die Weiterentwicklung in Bezug auf Digitales: Wie verarbeite ich als Unternehmen die Daten, die von außen kommen und wie transparent wird dies kommuniziert? Wie setzt man Anwendungen der Künstlichen Intelligenz für Mitarbeitenden und KundInnen verantwortungsvoll ein? Die Wirtschaft unter-stützt dieses Ziel, auch mit Blick darauf, dass digitale Technologien einen Beitrag zur Bewältigung struktureller und ökologischer Herausforderungen in den Betrieben leisten können. Die Potenziale, die durch die Vernet-zung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit ermöglicht werden, sollten in neuen Gesetzen abwägend mit einbezogen, aber nicht zu einer zwingenden Voraussetzung gemacht werden. Unternehmen sind sich ihrer CDR bewusst, die sich aus der Digitalisierung und den damit einhergehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen ergibt.

Ansprechpartnerinnen in der DIHK:

Cornelia Upmeier (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Natascha Waltke (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Sustainable Finance: Finanzierung der Transformation fördern statt erschweren

„Sustainable Finance" ist, ergänzend zur C02-Bepreisung und anderen Maßnahmen, ein wesentlicher Eckpfeiler des European Green Deal. Finanzmarktakteure sollen Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Mit der EU-Taxonomie wird der Versuch unternommen, wirtschaftliche Aktivitäten danach einzuteilen, ob sie nachhaltig sind oder nicht. Dazu kommen vielfältige Berichts- und Offenlegungspflichten für Unternehmen sowie für Banken und Versicherungen. In den vergangenen Jahren hat es auf EU-Ebene und in vielen außereuropäischen Staaten Initiativen zur Nachhaltig-keitsberichterstattung gegeben und es wurde eine Fülle von Rahmensystemen, Methoden und Kennzahlen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt. Unternehmen, die Teil internationaler Wertschöpfungsketten sind, müssen sich deshalb inzwischen mit vielfältigsten Anforderungen auseinandersetzen. Während einzelne Unternehmen anspruchsvolle und detaillierte Berichts- und Informations-pflichten für möglichst viele Unternehmen befürworten, weil nur so eine aussagekräftige Vergleichbarkeit hergestellt könne, bedarf es aus überwiegender Sicht einer vereinfachten, proportionalen, globalen Regulierung, die die Transformation unterstützt.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Regulierung vereinfachen (EU)

Viele Unternehmen bezweifeln, inwieweit sich mithilfe der „Sustainable Finance-Regu-lierung“ die angestrebte Klima- und umweltpolitische Transformation erreichen lässt. Es werden umfangreiche Berichts- und Offenlegungspflichten eingeführt, ohne dass ihre positive Wirkung auf die Transformationsziele hinreichend erklärt oder nachgewiesen wären. Für Unternehmen sind auch keine einfacheren oder verbilligten Finanzierungen von Investitionen in die Nachhaltigkeit erkennbar. Die geforderten Daten lassen sich zudem häufig nicht oder nur mit hoher Unschärfe ermitteln.

Die vielen unterschiedlichen Regulierungen (u. a. Taxonomieverordnung, Sustainable Financial Disclosure Regulation (SFDR), Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit ihren delegierten Rechtsakten, Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und vielfältige Vorgaben im Umweltbereich sowie der europäischen und nationalen Finanzaufsichtsbehörden) sind höchst komplex, detailliert und miteinander verknüpft. Für Unternehmen ist das nicht durchschaubar und kaum zu beherrschen. Es bedarf daher einer konsequenten Überarbeitung und Harmonisierung der bestehenden europäischen und nationalen Regulierungen, um ein in sich konsistentes und zielgerichtetes Regelwerk zu schaffen, das Aufwand und Nutzen in angemessenem Verhältnis berücksichtigt.

Anstatt kleinteilige und statische Vorgaben festzusetzen, sollten die Bewertungskriterien vereinfacht und flexibler ausgestaltet sowie in Kooperation mit der Wirtschaft kontinuierlich weiterentwickelt werden. Das würde die Transformation und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft fördern. Die Vielfalt der bereits bestehenden Kriterien sollte dabei beachtet und konsolidiert werden. Die Ausarbeitung einer Sozial-Taxonomie ist damit nicht vereinbar.

Die notwendige Vereinfachung betrifft auch die Förderprogramme. Auch diese sollten sich an einheitlichen Leitlinien orientieren und sich auf die jeweils verfügbaren Basisdaten beschränken. Für nicht kapitalmarktorien-tierte KMU sollte daher z. B. eine Beschränkung auf die freiwilligen Nachhaltigkeitsberichtsdaten der EFRAG (Basis-Modul des VSME) vorgenommen werden.

Verhältnismäßigkeit wahren (EU)

Die Berichtspflichten der „Sustainable Fi-nance-Regulierung“ sollen den Informationsbedürfnissen von Investoren am Kapitalmarkt dienen und sind damit auf große Unternehmen sowie Finanzmarktakteure ausgerichtet. Der direkte Anwendungsbereich der betroffenen Unternehmen sollte sich aus überwiegender Sicht daher auch nur auf große kapitalmarktorientierte Gesellschaften erstrecken. Sollte daran festgehalten werden, dass auch nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften erfasst werden, so sollten über angepasste Kriterien nur tatsächlich große Gesellschaften und nicht mittelständisch orientierte Unternehmen erfasst werden. Es bedarf der grundsätzlichen Überarbeitung der Schwellenwerte in der Rechnungslegungsrichtlinie über die inflationsbedingte Anpas-sung hinaus. Insgesamt sollten die Berichts-pflichten aber für Unternehmen aller Größenklassen möglichst unbürokratisch sein.

Weil die Berichtspflichten über die Wert-schöpfungsketten der direkt berichtspflichti-gen Unternehmen hinausgehen, werden zudem auch sehr viele kleine und mittlere Unternehmen mit „trickle-down-Effekten“. Die dafür verantwortlichen Regulierungen müssen zur Eindämmung dieses Effekts überarbeitet werden. Dabei sollte u. a. in den europäischen Regulierungen ein Value Chain Cap in Form eines praktikablen freiwilligen Basisstandards – z. B. dem Basismoduls des VSME – als für die Berichterstattung großer Unternehmen ausreichende Information aus der Wertschöpfungskette verankert werden.

Einer solcher vereinfachter und proportionaler Berichtsstandard für KMU berücksichtigt die unterschiedlichen Interessen von und Er-wartungen an kapitalmarktorientierte und nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen und beschränkt sie auf ein für KMU handhabbares Maß. Ein klar definierter und eng begrenzter Katalog („Basisdatenset") standardisiert und strukturiert die Anforderungen der anfragenden Unternehmen und begrenzt damit rechtlich verbindlich die Vielzahl unterschiedlicher Informationsbegehren. Das führt zu einer wesentlichen Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen. Gleichzeitig sind die zur Berichterstattung verpflichteten größeren Unternehmen aufgefordert, die Informationsanforderungen für ihre Wertschöpfungskette auf die zwingend erforderlichen Daten/Informationen zu begrenzen.

Globale Standards unterstützen (EU)

Unterschiedliche Systeme und Methoden der Nachhaltigkeitsberichterstattung verursachen in den Unternehmen erheblichen bürokratischen Aufwand und verhindern globale Transparenz. Globale Standards können hier Effizienzgewinne heben und für mehr Aussagekraft sorgen. Der europäische Sonderweg birgt gleich zwei Gefahren: Zum einen wird die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts geschwächt, was zu einer Abwanderung von Produktion und Beschäftigung in andere Weltregionen führt. Zum anderen ist für Klimaschutz, Biodiversität und den sorgsamen Umgang mit Ressourcen nichts gewonnen, wenn in diesen anderen Regionen Nachhaltigkeitsaspekte keine vergleichbare Rolle spielen.

Fokus auf Transition Finance legen (DE+EU)

Durch die Taxonomie liegt der Fokus der Sustainable Finance-Regulierung auf der Finanzierung von „grünen“ Aktivitäten. Dabei sollte die Finanzierung des Übergangs zu grünen Geschäftsmodellen und Technologien (Transition Finance) im Zentrum stehen. Die dafür notwendigen wissenschaftsbasierten Transitionspläne können von mittelständischen Unternehmen nicht erstellt werden. Für diese Unternehmen sollten proportionale und vereinfachte Ansätze ohne expliziten Bezug zur Taxonomie zugänglich sein. Es ist entscheidend, dass diese Ansätze auch von der Bankenaufsicht akzeptiert werden und damit den Zugang zu den Finanzierungmitteln für die nachhaltige Transformation er-öffnen. An dieser vereinheitlichten Struktur sollten sich auch Förderbanken und andere Förderprogramme orientieren.

Ansprechpartner in der DIHK:

Jan Greitens (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Plan- und Genehmigungsverfahren: Schneller und mit größerer Rechtssicherheit

Schnelle und rechtssichere Plan- und Genehmigungsverfahren sind ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Für die Transformation zu einer klimaneutralen und digitalen Wirtschaft müssen große Teile der Infrastruktur, Gebäude oder Industrieanlagen in den kommenden Jahren neu gebaut, erweitert oder modernisiert werden. Zum Erreichen der ambitionierten Ziele Deutschlands und Europas bei der Digitalisierung und beim Klimaschutz wird diese Transformation noch schneller stattfinden müssen als bisher.

Die Dauer und Komplexität von Plan- und Genehmigungsverfahren hemmen Unternehmen in ihrer Entwicklungsfähigkeit und bremsen sie bei der Transformation zu einer klimaneutralen und digitalen Wirtschaft. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Gesetzesänderungen für schnelle Planungen angekündigt, die diese Verfahren schneller und einfacher gestalten sollen. Dazu gehören bspw. das Zusammenlegen verschiedener Verfahrensstufen, der Abbau von Doppelprüfungen, Stichtagsregelungen zur maßgebli-chen Sach- und Rechtslage, Fristverkürzun-gen und Erleichterungen bei Nachweisen und Prüfungen.

Trotz dieser Ankündigungen konzentrierten sich bisherige Gesetzesvorhaben jedoch auf die Zulassung einzelner Infrastrukturen oder Anlagenarten. Erleichterungen oder Verkürzungen der Verfahrensregeln werden zudem nur teilweise umgesetzt. Um die Wirtschaft insgesamt zukunftsfähig auszurichten, müssen Unternehmen aller Branchen und Größen schneller als bisher neue Vorhaben realisieren oder bestehende Anlagen modernisieren können. Das reicht von der Planung großer Infrastrukturvorhaben bis zur einfachen Baugenehmigung. Die Beschleunigungsmaßnahmen müssen deshalb vollumfänglich im gesamten Planungs- und Genehmigungsrecht umgesetzt werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Einheitliche Verfahren für alle Zulassungsverfahren (DE)

Planverfahren für wichtige Infrastrukturvor-haben sind zu spezifisch und komplex. Für jede Infrastruktur oder Anlagenart wurden eigene Zulassungsverfahren mit zahlreichen Verfahrensstufen in unzähligen Fachgesetzen erlassen. Diese Regelungsintensität und -dichte auf den unterschiedlichen Verfahrensstufen verkompliziert Planung und Bau von dringend benötigter Infrastruktur. Die Verfahren zur Planung und Genehmigung von Energie-, Breitband- und Verkehrsinfra-struktur oder Industrieanlagen erstrecken deshalb über Jahre oder sogar Jahrzehnte.

Alle Infrastrukturen sollten grundsätzlich nach einheitlichen Regeln in einheitlichen Verfahren geplant werden. Bewährte Planungsinstrumente aus Fachgesetzen mit Beschleunigungspotenzial, wie z. B. eine Stich-tagsregelung, Genehmigungs- oder Zustimmungsfiktionen, digitalen Planungsunterlagen und Öffentlichkeitsbeteiligung sollten in das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz für alle Planverfahren überführt werden.

Planungsstufen reduzieren (DE)

Die Verfahrensstufen sollten reduziert wer-den. Ein Weg wäre ein integriertes Verfahren für Infrastrukturvorhaben (sog. „Hauptsache-verfahren“). Damit können einzelne Verfah-rensstufen, im Verkehrsbereich etwa die Lini-enbestimmung, entfallen. Auch bei Gewerbe-ansiedlungen sollte das Bauleitplanverfahren und die integrierte Zulassungsentscheidung in einem baurechtlichen Verfahren zusam-mengefasst werden. Die Integration der ein-zelnen Verfahrensstufen in ein Hauptsache-verfahren kann die Dauer der Verfahren er-heblich verkürzen, da doppelte Gutachten, Öffentlichkeitsbeteiligungen und Umwelt-prüfungen entfallen.

Genehmigungsverfahren vereinfachen (DE)

Für viele Industrieanlagen könnte die Bundesrepublik im Einklang mit dem Europarecht das sog. „vereinfachte Genehmigungsverfahren“ einführen. Einfache oder kleinere In-dustrieanlagen können zudem nach Baurecht statt dem aufwändigeren immissionsschutz-rechtlichen Verfahren genehmigt werden. Im Baurecht könnten die Länder – neben der beschlossenen Freistellung von Dachausbauten – weitere Bauvorhaben verfahrensfrei stellen. Auch Änderungen der Infrastruktur - bspw. für Ersatzneubauten von Autobahn-brücken oder Elektrifizierung von Schienenwegen - können von Zulassungsverfahren befreit werden. Um Unternehmen und Behörden zu entlasten und Kapazitäten für größere oder komplexere Verfahren zu gewinnen, sollten diese Möglichkeiten der Verfahrenserleichterung möglichst umfangreich genutzt werden.

Fristverkürzungen und Rechtsfolgen einführen (DE)

Viele Gesetze sehen Fristen für die Genehmigungsbehörde bis zur Entscheidung über einen Antrag vor. In der Praxis werden diese Fristen jedoch selten von den Behörden eingehalten: Gründe dafür sind insbesondere häufige Nachforderungen von Antragsunterlagen, fehlende Zulieferungen beteiligter Behörden oder die fehlende Rechtsfolge einer Fristüberschreitung.

Um Investitionsentscheidungen für Unternehmen sicherer und planbarer zu machen, sollten daher alle Zulassungsverfahren mit eindeutigen Zeitplänen und Fristenregelungen ausgestattet werden. Einzureichende Unterlagen sollten klar bestimmt und ihre Vollständigkeit sofort festgestellt werden. Als maßgeblicher Stichtag der Sach- und Rechtlage sollte die Vollständigkeit der Antragsunterlagen festgelegt werden. Damit das Überschreiten von Fristen durch Behörden nicht folgenlos bleibt, sollte der Gesetzgeber Genehmigungs- oder Zustimmungsfiktionen einführen. Die Genehmigung oder Zustimmung einer beteiligten Behörde gilt dann als erteilt, wenn die Behörde den Antrag bis zum Ablauf der Frist nicht abgelehnt hat.

Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren flexibler und nachvollziehbarer gestalten (DE+EU)

Die Öffentlichkeitsbeteiligung sollte frühzeitig und in einem stärker integrierten und strukturierten Verfahren (Hauptsachverfah-ren) nur einmal vorgenommen werden müssen. Wichtig ist ein transparenter Dialog, um mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und im Verfahren lösen zu können und damit die Investitionssicherheit zu erhöhen. Die Form und der Umfang der Beteiligung sollten Antragssteller deshalb möglichst frei wählen können. Spätere förmliche Erörterungstermine sollten entfallen können. Um mögliche Konflikte zu bewältigen, sollte, auf Antrag der Vorhabenträger, eine Öffentlichkeitsbeteiligung unter Einbindung von Behörden stets möglich sein. Die Präklusion als der Ausschluss verspätet eingebrachter Einwendungen sollte wieder gestärkt werden, um Verfahren zu beschleunigen.

Europarechtliche Hürden abbauen (EU)

Die EU-Richtlinien im Natur-, Immissions- oder Gewässerschutz be- oder verhindern nationale Bestrebungen zur Verfahrensbeschleunigung. Das gilt bspw. für die Stichtagsregelung zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage, Präklusion, Genehmigungsfiktionen oder Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen. Unternehmen erfahren deshalb Verzögerungen und Rechtsunsicherheiten bei ihren Investitionsprojekten. Daher sollte Europa ausreichende Flexibilität für Verfahrensbeschleunigung in den in den umfangreichen europäischen Regelungen zum Umweltrecht schaffen.

Verfahren umfassend digitalisieren (DE)

Antragsunterlagen, Gutachten und Pläne sollten für die gesamte Verfahrensdauer von Antragsstellern, beteiligten Behörden und im Klagefall von Gerichten durchgängig digital abgerufen und bearbeitet werden können. So könnten Fachbehörden parallel arbeiten. Auch die durchgehend digitale Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sowie die Öffentlichkeitsbeteiligung sollte über eine bundesweite Plattform gewährleistet werden. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sollten dabei umfassend geschützt werden.

In einem bundesweiten Datenportal sollten Unternehmen ihre Fachdaten einbinden und auf Daten, wie zur Geologie, Infrastruktureinrichtungen oder Umwelt, zugreifen können. So können die Voraussetzungen für geplante Projekte schneller erkannt und doppelte Prüfungen der lokalen Bedingungen vermieden werden. Die Daten sollten auf Ba-sis offener Standards und Schnittstellen frei zugänglich bereitgestellt werden.

Verwaltungen modern und effizient ausrichten (DE)

Um Verfahren effizienter zu gestalten, sollte vor allem die Prüfdichte und der Umfang von Unterlagen reduziert werden. Statt vollständiger Einreichung aller Nachweise und deren Prüfung sollten deshalb in der Praxis Stich-proben erhoben oder Auflagen zur Genehmi-gung festgelegt werden können. Die Instrumente des vorzeitigen Baubeginns und die Möglichkeit zu Teilgenehmigungen sollten stärker genutzt werden können.

Die Prüfung von Teilen der Antragsunterla-gen sollte bereits vor Vollständigkeit aller Unterlagen erfolgen können. So kann parallel gearbeitet und genehmigt werden. In Abstimmung mit den Vorhabenträgern sollten Behörden optional auf die Kapazitäten priva-ter Planungsbüros zurückgreifen können.

In den Umfragen der DIHK nennen die Unternehmen die fehlende personelle und technische Ausstattung in Planungs- und Genehmigungsbehörden als größtes Hindernis zur Beschleunigung der Verfahren. Die Verwaltungen sollten so ausgestattet sein, dass die Bearbeitung auch in den vorgesehenen Fristen erfolgen kann. Die Digitalisierung kann hier einen erheblichen Beitrag leisten. Bund und Länder sollten entsprechende Daten erheben und kontinuierlich monitoren (vgl. Kapitel „Digitalisierung und Digitaler Binnenmarkt").

Ansprechpartner/-in in der DIHK:

Hauke Dierks (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Anne-Kathrin Tögel (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Bau- und Immobilienwirtschaft: Steuerlast, Regularien und Bürokratie abbauen, um Wachstum zu fördern

Die Bau- und Immobilienwirtschaft spielt eine zentrale Rolle in der deutschen Wirtschaft. Die Branche steht jedoch vor erheblichen Herausforderungen. Regulierung und unklare Vorgaben belasten Unternehmen und erschweren notwendige Investitionen in den Neubau sowie die Sanierung von Wohn- und Geschäftsräumen.

Ambitionierte Klimaziele setzen die Bau- und Immobilienwirtschaft zusätzlich unter Druck. Die Umsetzung dieser Ziele wird durch unklare Vorgaben und fehlende finanzielle Anreize erschwert. Die Branche benötigt realistische und klare Vorgaben sowie größere Flexibilität bei der Wahl der Technologien, um die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig wirtschaftlich zu agieren. Ohne Anpassungen werden notwendige energetische Sanierungen und Neubauten teilweise ausbleiben.

Ein weiteres bedeutendes Hindernis sind die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Diese verzögern Bauprojekte erheblich und erhöhen die Kosten. Es muss das Ziel sein, die gewerbliche Wirtschaft durch Beschleunigung und Digitalisierung von Verfahren und Prozessen sowie durch vereinfachte Bürokratie zu stärken, um Vorhaben zügig umsetzbar zu machen. Nur durch eine effektive Politik, die die hemmenden Aspekte berücksichtigt, kann die Bau- und Immobilienwirtschaft ihr volles Potenzial entfalten und gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Energiewende im Gebäudesektor realistisch gestalten (DE+EU)

Bei der Erreichung der Klimaziele ist auch der Gebäudesektor derzeit gefragt. Sowohl auf deutscher wie auf europäischer Ebene werden ambitionierte Einsparziele formuliert. Kurze Fristen, ungenaue Regeln und detaillierte Vorgaben erschweren, ein wirtschaftliches Modernisieren im Gebäudebestand. Gleiches gilt für den Neubau von Wohn- und Geschäftsräumen. Insgesamt sind die Vorgaben zu unklar, um Investitionspfade planen zu können. Gleichzeitig verhindern gesetzliche Regelung, eine Weitergabe der Kosten in vollem Umfang an Kunden bzw. Mieter. Es fehlen Anreize, entweder durch Förderung oder steuerlich, energetische Sanierung voranzutreiben. Die Mehrheit der Unternehmen fordert daher realistische Umsetzungsziele und eine größere Freiheit bei der Wahl der Technik, um Klimaziele zu erreichen.

Vielfach wird von Unternehmen darauf hin-gewiesen, dass mit kleineren Maßnahmen in der Fläche mehr erreicht werden, kann als mit hohen Standards, die am Ende ökonomisch nicht umsetzbar sind und deshalb entfallen. Kritisch wird eine zu enge Ausrichtung auf den Einsatz von Wärmepumpen gesehen. In diesem Zusammenhang spricht sich die Wirtschaft für eine höhere Transparenz bei der Preisgestaltung der Fernwärme aus. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.

Um Investitionsvorhaben besser planen zu können, sehen viele Unternehmen auch den Bedarf einer höheren Standardisierung der Kosten/Nutzen-Rechnung durch Energiebe-rater. Hier sollte eine Einheitlichkeit das Ziel sein.

Mit Blick auf die Ebene der EU schlagen die Unternehmen vor, eine einheitliche Klassifizierung der Energieeffizienzklassen vorzunehmen.

Bauwirtschaft und Wohnungsbau bei Steuerpolitik im Blick haben (DE)

Der Fachkräftemangel hat angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland eine hohe Relevanz für die Wirtschaft. Neben den inländischen Potenzialen ist die deutsche Wirtschaft auch auf den Zuzug von Fachkräften angewiesen. Häufig finden Fachkräfte allerdings in Ballungsräumen keinen beziehbaren Wohnraum. Deutschland verfehlt seit Jahren das Ausbauziel im Wohnungsbau.

Einige Unternehmen befassen sich daher verstärkt mit dem Thema Mitarbeiterwohnen. Hier besteht die Frage, inwieweit dieses durch gezielte Fördermaßnahmen unterstützt werden kann.

Gleichzeitig weist Deutschland im europäischen Vergleich eine besonders niedrige Eigenheimquote auf. Hinzu kommen die notwendigen Investitionskosten für die energetische Sanierung im Gebäudesektor. Ange-sichts dieser Herausforderungen gilt es, auch die Auswirkungen der Steuerpolitik im Blick zu halten. Gerade angesichts der Investitionsunsicherheit sehen Unternehmen die Notwendigkeit einer verlässlichen und planbaren Steuerpolitik. Für etliche Unternehmen wäre eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer ein wichtiger Hebel, um mehr Investitionen und Wohneigentum zu ermöglichen (vgl. Kapitel „Steuerpolitik“). Vermehrt wird angeführt, dass die Abzugsfähigkeit von Zinskosten von selbst genutztem und vermietetem Wohneigentum gleichgestellt werden sollte. Hiervon erhofft sich die Branche höhere Kaufanreize und Potenziale für Investitionen für energetische Sanierung. Für eine vermehrte Investitionstätigkeit im Bausektor sind für viele Unternehmen die Abschreibungsregelungen von Bedeutung, insbesondere mit Blick auf Abschreibung bei energetischen Maßnahmen. Aus der Sicht der Unternehmen können von beschleunigten Anschreibungsverfahren positive Anreize für mehr Investitionen in den Wohnungsneubau ausgehen.

Wirtschafts- und Wohnungsbau voranbringen - Regulierungen abbauen (DE)

Lange Planungsprozesse, hohe Auflagen und hohe Standards verteuern und verzögern den Bau und die Modernisierung von Wohn- und Geschäftsräumen. Die Genehmigungsfiktion - also den positiven Bescheid, wenn ein Amt nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist widerspricht - wird daher von der Wirtschaft als erforderlich angesehen. Auch die einzelnen Verfahrensschritte - wie der Voll-ständigkeitserklärung, Nachforderung von Unterlagen, Behördenbeteiligung oder Öffentlichkeitsbeteiligung - sollten mit Fristen und einem verbindlichen Zeitplan gesetzlich vorgeben werden. Bestehende Fiktionen im Baurecht, die Verfahrensfreistellung und das vereinfachte Genehmigungsverfahren sollten auf möglichst viele Bauvorhabeausgeweitet werden. Hierdurch sollte die Politik nicht nur den Wohnungsbau, sondern auch viele ge-werbliche Bauvorhaben erleichtern. Um die Bedürfnisse von Unternehmen zu berücksichtigen, die sich von der Baugenehmigung mehr Rechtssicherheit versprechen, sollten freiwillige Antragswege möglich bleiben. Um die Bebauungsplanung zu beschleunigen, sollte das vereinfachte und beschleunigte Verfahren erweitert und das vorhabenbezogene Verfahren erleichtert werden.

Gleichzeitig weisen die Betriebe darauf hin, dass es vielerorts an Fachkräften in der Verwaltung fehlt. Zudem sollten einheitliche Regelung der Musterbauordnung möglichst bundesweit angewandt werden. In einem Bundesland genehmigte Gebäudetypen sollten auch in einem anderen zulässig sein.

Als großes Investitionshindernis, wird die fehlende Präklusion und Stichtagsregelungen gesehen. Aufgrund von späten Klagen oder Veränderungen in der Sach- oder Rechtslage werden viele Pläne oder Geneh-migungen gestoppt oder ganz aufgehoben. Beteiligten Unternehmen und der Öffentlichkeit ist in den Verfahren häufig nicht klar, an welchem Punkt Einwände oder Widersprüche eingebracht werden können. Deswegen fordern die Unternehmen klare Stichtagsregelungen und eine Präklusion.

Von durchgängigen digitalen Verfahren ver-sprechen sich die Unternehmen ebenfalls eine Beschleunigung von Baumaßnahmen. Der digitale Bauantrag sollte deutschlandweit angewandt werden müssen. Gleichzeitig wird auf die Möglichkeit, der Streichung von Schriftformerfordernissen hingewiesen. Auch während des Bauprozesses müssen die Unternehmen eine Vielzahl von Regelungen beachten. Daher erfolgt in der Wirtschaft die Forderung nach einer Absenkung oder Flexibilisierung der Anforderungen, bspw. durch Berücksichtigung passiver Schallschutzmaßnahmen in der TA Lärm. Hinzu kommen Hinweise auf eine effizientere Gestaltung des Brandschutzes. Vielerorts gibt es auch noch detaillierte Regelungen zum Lärmschutz, Stellplätzen, Natur- und Klimaschutz. Auch diese sollten hinsichtlich Effizienz und Effektivität überprüft werden. Einige Unternehmen weisen dabei auch auf die Rolle von Normen und Standards hin, die regelmäßig auf Umsetzbarkeit und Kosten überprüft werden sollten.

Abbau der Investitionshemmnisse bei Bauvorhaben (DE)

Aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft sollten Investitionshemmnisse bei Bauvorhaben abgebaut werden. Immer mehr Regularien, die die Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnraum zum Ziel haben, führen für die deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft zu steigenden Kosten und einem erhöhten Bürokratieaufwand. Vielmehr sollte der Fokus darauf liegen, investitionshemmende Vorschriften zu reduzieren, um das Angebot an Wohnraum an die steigende Nachfrage anzupassen. Zudem sollten Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, um die steigenden Kosten bei Bauvorhaben zu reduzieren. Investitionsfreundliche Bedingungen fördern die Schaffung von mehr Wohnraum und können zudem dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu verringern und so die gesamte deutsche Wirtschaft zu stärken. Dazu gehört auch eine konsequente Digitalisierung der Bauleitplanung, indem alle Fachbehörden, Träger öffentlicher Belange sowie Bürger involviert und in ein Flächenmanagement integriert werden.

Innovative Ansätze können Investitionen in Bauvorhaben unterstützen und sollten durch Bund und Länder stärker unterstützt werden. Aufgrund ihrer Planungshoheit ist die Kommune der wesentliche Akteur, um Bauland zu schaffen. Bund und Länder müssen die Rahmenbedingungen für die Umsetzung vor Ort verbessern. Bei allen Überlegungen sind Planungs- und Rechtssicherheit für Unternehmen und Investoren oberstes Ziel.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Karoline Preuß (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Digitalisierung und Digitaler Binnenmarkt: Verlässliche Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft 4.0 schaffen

Die Digitalisierung von Unternehmen und Verwaltung ist eine der Kernvoraussetzungen, dass Deutschland und Europa international wettbewerbsfähig bleiben. Hierfür braucht es flächendeckend digitale Infrastrukturen wie Glasfaser- und leistungsfähige Mobilfunknetze, eine moderne öffentliche Verwaltung, Innovationen und Investitionen, unterstützende rechtliche Rahmenbedingungen, digital kompetente Mitarbeiter sowie den sicheren und vertrauenswürdigen Einsatz digitaler Zukunftstechnologien.

Auf europäischer Ebene muss das Potenzial der Digitalisierung im Binnenmarkt konsequent ausgeschöpft werden, um ein digital souveränes Europa zu schaffen.

Während Unternehmen die Chancen der Digitalisierung, von Daten und KI erkannt haben, treffen sie oftmals auf Rahmenbedingungen, die Innovationen und Investitionen erschweren.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Flächendeckenden Ausbau leistungsfähiger digitaler Infrastrukturen mit Nachdruck voranbringen (DE+EU)

Gerade die Wirtschaft im ländlichen Raum benötigt zeitnah flächendeckend Glasfaseranschlüsse. Löcher im Mobilfunknetz müssen schnellstmöglich geschlossen werden. Mittelfristig muss ein flächendeckendes Gigabit-Mobilfunknetz auf Basis aktueller Standards ausgebaut werden.

Alle Beteiligten (Netzanbieter, Tiefbauunternehmen, Bund, Länder, Kommunen) müssen gemeinsam und aufeinander abgestimmt handeln und investieren. Der leitungsgebundene und der funkbasierte Ausbau sollten gesamtheitlich in den Blick genommen werden. Konsistente Ausbauplanung inkl. Umsetzungscontrolling, ein wettbewerbsfreundlicher Regulierungsrahmen, effiziente Frequenznutzung und eine effektive Förderkulisse müssen fester Bestandteil der Anstrengungen werden. Genehmigungsprozesse müssen gestrafft, standardisiert und digitalisiert werden. Kommunale Akteure benötigen eine stärkere Unterstützung, z. B. bei der Projektplanung. Für den Mobilfunkausbau sollten Bund, Länder und Kommunen eigene Standorte zur Verfügung stellen.

Praktische Umsetzungsprobleme wie der Mangel an qualifiziertem Personal müssen von Politik, Verwaltung und den ausbauenden Unternehmen konsequent angegangen werden.

Bei der Breitband-Förderung sollte die Priorität zunächst auf bislang unterversorgte Regionen und Unternehmensstandorte gelegt und auf einen gut aufeinander abgestimmten eigenwirtschaftlichen und geförderten Netzausbau geachtet werden. Der Staat sollte unterstützende Rahmenbedingungen für eine breite Nutzung digitaler Technologien schaffen.

Auch auf EU-Ebene sollten alle Maßnahmen konsequent darauf ausgerichtet werden, dass die EU ihr Ziel einer flächendeckenden Breitband- und 5G-Infrastruktur bis 2030 er-reicht. Nicht zuletzt benötigen Zukunftstechnologien wie KI und Cloud flächendeckend starke Netze.

Sicherheit der Infrastrukturen und Anwendungen unterstützen (DE+EU)

Die Sicherheit der Netze und der Informati-onstechnik in den Unternehmen gewinnt vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Herausforderungen zunehmend an Bedeutung. Unternehmen benötigen ein digitales Ökosystem, in dem sie sicher entlang der Wertschöpfungskette agieren können. Erforderlich ist dafür eine Gesamtstrategie, die analoge und Cybersicherheit gemeinsam in den Blick nimmt und Politik und Behörden, Hersteller, IT-Sicherheitsanbieter und betriebliche Anwender einschließt.

Informationssicherheit sollte als elementarer Bestandteil soft- und hardwarebasierter Produkte und Anwendungen etabliert werden (Security by Design/Default). Zusätzliche Sicherheitsregelungen müssen einem risikobasierten Ansatz folgen und dem Angemessenheitsprinzip Rechnung tragen. Transparenzvorgaben dürfen nicht dazu führen, dass besonders sensible Infrastrukturen einem erhöhten Angriffspotenzial ausgesetzt werden. Der Staat sollte die Entwicklung neuer IT-Sicherheitstechnologien fördern und als Pilot-Anwender Vorreiter sein. Im Bereich der europäischen und internationalen Standardi-sierung sollten deutliche Akzente für sichere Lösungen gesetzt werden.

Das komplexe Thema Sicherheit erfordert zunehmend engere Kooperationsformen, auch zwischen Staat und Wirtschaft, in denen jeder nach seinen Fähigkeiten einen Beitrag leisten muss. Dafür bedarf es eines stärkeren Kompetenzaufbaus (quantitativ und qualitativ) in den Sicherheitsbehörden und einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und Wirtschaft. Informationen zur Bedrohungslage müssen so aufbereitet und kanalisiert werden, dass Unternehmen und gerade IT-Dienstleister gezielt gewarnt werden.

Anlaufstellen für Unternehmen sollten die Vielzahl an guten Angeboten gebündelt präsentieren und Unternehmen unterstützen. Die einzelbetriebliche Förderung von IT-Sicherheit durch die öffentliche Hand ist ein sinnvoller Beitrag für die Verbreitung von Kompetenz und IT-Sicherheitsaktivität und sollte beibehalten bzw. verstärkt werden.

Umfassende Vermittlung digitaler Kompetenzen (DE+EU)

Digitalkompetenzen umfassen neben Medienkompetenzen und Technologieverständnis auch den Erwerb von Soft Skills, z. B. von Kooperations- und Teamfähigkeit oder Kommunikations- und Innovationsfähigkeit und Interdisziplinarität. Digitale Kompetenzen sind in der Breite der Anwenderschaft wichtig, gleichzeitig benötigt die Wirtschaft mehr IT-Fachkräfte, IT-Sicherheitsfachkräfte und Da-tenspezialisten.

Der Umgang mit digitalen Anwendungen, die daraus resultierenden organisationalen Veränderungen in der betrieblichen Zusammenarbeit sowie ein darüber hinaus gehendes technisches Verständnis sind unerlässlich für die Digitalisierung in den Unternehmen. Die Grundlagen für „digitale Kompetenzen“ müssen früh gelegt werden (vgl. Kapitel Fachkräftesicherung-Berufliche Bildung) und in der Beruflichen Bildung, in der berufsbegleitenden Weiterbildung und den Hochschulen bedarfsgerecht weiterentwickelt werden.

Im Rahmen der Digitalisierungsstrategien von Bund und Ländern sollten die Berufsschulen einen besonderen Stellenwert einnehmen. Eine zeitgemäße Ausstattung ist daher dringend erforderlich, ebenso wie eine funktionierende Infrastruktur und ein verlässlicher Support. Geschaffene Proberäume sowie Anlauf- und Transferstellen sollten erhalten und erweitert werden. Auch im Bereich der Datenwirtschaft ist die Verbesserung der IT-Fähigkeiten in Unternehmen, aber auch der öffentlichen Verwaltung für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der (europäischen) Wirtschaft von entscheidender Bedeutung.

Verwaltung modernisieren und zum digitalen Ökosystem mit der Wirtschaft weiterentwickeln (DE)

Bund, Länder und Kommunen sollten sich auf ein gemeinsames Zielbild verständigen, das auf eine durchgängige, sichere und nutzerfreundliche Digitalisierung von Verwaltungsleistungen und -prozessen für Unternehmen ausgerichtet ist. Ein daraus abgeleiteter Reformplan muss den Rechtsrahmen und die operative Umsetzung des Verwaltungshandelns digitaltauglich gestalten, so dass Unternehmenstätigkeiten einfacher und unbürokratischer ermöglicht werden.

Für die Umsetzung benötigt wird unter anderem eine Plattform-Infrastruktur mit zentralen, einheitlichen Standards und Basis-Komponenten – bspw. Nutzerkonten, Zahlungs-komponenten, IT-Transportstandards und Programmierschnittstellen (APIs) für den sicheren Datenaustausch. Diese Infrastruktur sollte übergreifend für alle öffentlichen Stellen bereitgestellt und zentral gesteuert werden. Auf einer solchen Plattform-Infrastruktur können auch kommerzielle oder Open-Source-Lösungen der IT-Wirtschaft genutzt werden.

Bei allen Ansätzen muss jedoch die digitale Souveränität – die Wahrung eigener Gestaltungs- und Innovationsspielräume des Staates und der Wirtschaft im internationalen Zusammenhang sowie die Vermeidung von Lock-in-Effekten und Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern –Priorität haben.

Für einen funktionierenden Datenaustausch sind einheitlich verwendete, digitaltaugliche Rechtsbegriffe erforderlich. Ebenso bedarf es einer umfassenden Modernisierung der Registerlandschaft, die durchgängig digitale Prozesse nach dem „Once-Only“-Prinzip ermöglicht. Registermodernisierung muss entsprechend priorisiert und konsequent umgesetzt werden.

Registermodernisierung unternehmensnah vorantreiben (DE+EU)

Die Verknüpfung verschiedener Register, wie z. B. Handels-, Unternehmens- und Transparenzregister aus allen EU-Mitgliedstaaten, bietet Unternehmen wie Verwaltung erhebliches Potenzial. Mit dem „Once-Only“-Prinzip gibt es die Chance, Bürokratiekosten zu senken. Dabei sollte ein angemessener Ausgleich zwischen den Informationsvorteilen auf der einen und den Datenschutz- sowie Sicherheitsinteressen auf der anderen Seite vorgenommen werden. Auch Unternehmer haben das Recht, dass personenbezogene Daten, die für die Information des Geschäftsverkehrs nicht erforderlich sind, nicht für jedermann recherchierbar und abrufbar sind. Von neuen Registern sollte abgesehen, der Zugang zu bestehenden Registern EU-weit harmonisiert werden. Bestehende und gerechtfertigte Beschränkungen des Zugangs zu Registern sollten aufrechterhalten oder eingeführt werden. Die Verknüpfung der Register und die damit einhergehende gesteigerte Transparenz erfordert besondere Datenschutzmaßnahmen. Da die Verknüpfung von Registern die Angreifbarkeit auf Daten erhöht, müssen für die Sicherheit der Datenverarbeitung geeignete technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden.

Es bedarf aus überwiegender Sicht der Unternehmen der Trennung von für jedermann offenzulegenden Registerinformationen und weiterer, dem Register eingereichten Informationen, um die angemeldeten Daten zu belegen. Der kostenfreie Zugang für jedermann durch Internetabruf sollte sich auf die jeweiligen (Handels)Registerauszüge, Gesellschafterlisten, Gründungsurkunden und Umwandlungsverträge beschränken. So würden nur für die Information im Geschäftsverkehr erforderliche Daten für jedermann zugänglich gemacht. Im Sinne des Grundsatzes der Datenminimierung müssen die nicht für den Geschäftsverkehr erforderlichen Daten oder zusätzliche Informationen geschwärzt oder die Einsicht in diese eingeschränkt werden.

Register dienen der Transparenz im Einzelfall:Um die Entstehung von Schattenregistern und damit einhergehende Irreführungen der Unternehmen zu verhindern, sollten Massenabrufe nach ganz überwiegender Sicht nicht möglich sein.

Unternehmen sollten die Registergebühren nicht allein tragen müssen. Sich schnell verändernde Metadaten sollten nicht angegeben werden müssen. Für die Beurteilung der rechtlichen Verhältnisse ist es nach überwiegender Sicht der Unternehmen nicht erforderlich, Informationen über Verbindungen eines Unternehmens zu anderen Unter-nehmen oder über Gesellschafter und Geschäftsführer anzugeben. Bereits herausgegebene Daten sollten nicht erneut herausgegeben werden müssen („Once-Only“-Prinzip).

Das Vertrauen in die Richtigkeit der Register sollte durch einheitliche Minimumstandards zur Verifizierung der Unternehmensinformationen vor Eintragung gestärkt werden. Gleichzeitig sind Rechtsgrundlagen für die Löschung bestimmter inaktiver Unternehmen durch die Registergerichte erforderlich. Das Handelsregister sollte bereinigt werden von sog. inaktiven Unternehmen, die nicht mehr existent sind, insbesondere in Fällen, in denen Firmen unter keiner Anschrift erreichbar, Inhaber und Geschäftsführer unauffindbar oder bekanntermaßen nach „unbekannt“ oder nicht erreichbar ins Ausland verzogen sind oder die Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift nicht erreicht werden kann.

Rechtliche und technische Rahmenbedingungen für die Datenökonomie verbessern (DE+EU)

Daten sind ein entscheidender Wirtschaftsfaktor und Grundlage für neue, innovative Geschäftsmodelle. Die Politik sollte gemeinsam mit der Wirtschaft und der Wissenschaft Verfügbarkeit, Vertrauen, Rechtssicherheit und Transparenz gewährleisten.

Die öffentliche Hand ist zudem aufgefordert, ihre wirtschaftlich nutzbaren Daten für die Unternehmen umfassend in standardbasierten maschinenlesbaren Formaten zugänglich zu machen, damit vom Markt neue Ge-schäftsmodelle entwickelt werden können.

Dafür braucht es einen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen. Vorschriften sollten einerseits berechtigte Schutzinteressen von Kunden und Verbrauchern berücksichtigen, andererseits unternehmerische Freiheiten nicht unverhältnismäßig einschränken.

Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen benötigen Unternehmen Mechanismen für die gemeinsame Nutzung von Daten, Standards, Schnittstellen sowie den Aufbau einer offenen, transparenten und vertrauenswür-digen Dateninfrastruktur in Europa. Gerade im Bereich KI sollte die Politik Unternehmen dabei unterstützen, auf KI-relevante Daten, etwa der öffentlichen Hand, zuzugreifen.

Durch gemeinsame Datenräume können Innovationen vorangetrieben und innovative Geschäftsmodelle ermöglicht werden, bspw. im Bereich Mobilität, Gesundheit oder Umwelt. Datentreuhänder können eine Möglichkeit sein, um den vertrauenswürdigen Datenaustausch zu stärken (vgl. Kapitel „Datenschutz“).

Rechtssicherheit, Unterstützungsangebote und Innovationsklima für breite Nutzung digitaler Technologien wie z. B. Künstlicher Intelligenz schaffen und ausbauen (DE+EU)

Es ist notwendig, digitale Anwendungen wie KI in einem europäischen Rahmen zu denken und gleichzeitig auch für kleinere Unternehmen nutzbar zu machen. Ein Fokus der europäischen Bemühungen sollte auf dem Setzen gemeinsamer Regeln und Standards liegen, die bspw. für mehr Transparenz und Daten- und Informationssicherheit sorgen oder Haftungsfragen klären. Darüber hinaus ist es erforderlich, zukünftige Technologien wie das Quantencomputing zu erforschen und in die Anwendung zu bringen. Der Aufbau eines leistungsfähigen Ökosystems, in dem auch Start-ups neben etablierten Unternehmen entstehen und wachsen können, ist erforderlich. Es müssen attraktive, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, etwa für unbürokratische, digitalisierte Gründungsprozesse, die Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft oder bes-sere Möglichkeiten der Wachstumsfinanzierung.

Anwendungsmöglichkeiten digitaler Technologien sollten mittelstandsgerecht, positiv und verständlich sowie anhand konkreter Beispiele in die Öffentlichkeit getragen werden. Transferstellen, wie z. B. die Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren, sollten hierzu weiterentwickelt werden. Das beinhaltet mehr Sichtbarkeit, eine stärkere Vernetzung mit Unternehmen sowie eine effizientere Organisation. Förder- und Forschungsprojekte sollten ausreichend dimensioniert, schnell und unbürokratisch abrufbar und zielgerichteter auf die Unternehmen ausgerichtet werden.

Auch Normen und Standards können dazu beitragen, den Unternehmen die Sicherheit zu geben, dass die Funktionsweise der Systeme unter verlässlichen Rahmenbedingungen garantiert wird. Hierbei gilt es, nationale und europäische Standards auch international zu etablieren. Technische Standards für die Anwendung von Zukunftstechnologien müssen mit direkter Beteiligung der Unternehmen erarbeitet werden.

Das Recht des Geistigen Eigentums sollte auf Digitaltauglichkeit überprüft werden, die neuen Kartellrechts- und Regulierungsinstrumente sollten in angemessener Weise angewandt, evaluiert und ggf. nachjustiert werden. Allgemein gültige Prinzipien für Datenaustausch, -verarbeitung und -archivierung sollten in einer Weise entwickelt werden, dass sie einerseits angemessene Nutzungsmöglichkeiten eröffnen und andererseits nicht innovationsschädlich sind. Außerdem bedarf es mit der Digitalisierung vertraute Richter und Behördenpersonal.

Das Testen und Experimentieren mit KI-Technologien, z. B. durch Reallabore im Rahmen der KI-Verordnung, sollte erleichtert werden.

Die KI-Verordnung der EU muss rechtssicher, verständlich, einheitlich und innovationsfreundlich umgesetzt werden.

Evaluation und Konsolidierung der europäischen Digitalgesetzgebung (EU)

Auf EU-Ebene sollte der Konsolidierung bestehender Gesetze und der Zusammenhänge von Regeln in verschiedenen Gesetzen höchste Beachtung geschenkt werden. Statt neuer Regulierungsinitiativen brauchen Unternehmen Rechtssicherheit, leicht verständliche Regeln und Unterstützung bei der Implementierung von EU-Recht.

Der Umsetzung auf nationaler Ebene und der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden sollte besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, um ineffiziente Implementierung von Regeln zu vermeiden (vgl. Kapitel „Bürokratieabbau und Besseres Recht“). Um frühzeitig rechtliche Hürden bei neuer Technologie identifizieren zu können, sollten Experimentierräume mit der Wirtschaft unterstützt werden.

Aus Sicht der Wirtschaft sollten gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen nach wie vor im Vordergrund stehen.

Immer wichtiger wird die Stärkung der digitalen Souveränität Europas. Im globalen Wirtschaftsgefüge sollte die Abhängigkeit externer Akteure reduziert und die Innovations- und Wirtschaftskraft europäischer Unternehmen gestärkt werden.

Digitalisierung als Treiber nachhaltiger Wirtschaft (EU)

Digitale Technologien können einen Beitrag zur Bewältigung struktureller und ökologischer Herausforderungen in der Wirtschaft leisten. Die Potentiale, die durch die Vernetzung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit ermöglicht werden, sollten in neuen Gesetzen gegenüber möglichen Risiken stärker in den Blick genommen werden. Dabei sollten zunächst entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, die im Anschluss strukturiert umzusetzen sind. Anstelle neuer gesetzlicher Verpflichtungen sollte die Regierung ihren Fokus vor allem auf Anreize setzen und bestehende Hemmnisse beseitigen.

Die Digitalisierung hat positive Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit: sie ermöglicht zukunftsweisende Lösungen für den Fortschritt in Klimaschutz, Ressourcensparsamkeit und faire Bedingungen, hat aber auch einen negativen Einfluss auf die Nachhaltigkeit, z. B. durch die Abwärme in den Rechenzentren.

Um die Chancen der Digitalisierung für die Nachhaltigkeit voll auszuschöpfen und die Risiken zu minimieren, bedarf es einer umfassenden Strategie und Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen. Regierungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft sollten gemeinsam an Lösungen arbeiten, um die digitale Transformation nachhaltig zu gestalten.

Ansprechpartner in der DIHK:

Dr. Katrin Sobania (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Ines Rerbal (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Jonas Wöll (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Kei-Lin Ting-Winarto (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Hildegard Reppelmund (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Annika Böhm (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Verkehr und Mobilität: Mobilität erhalten, Wettbewerbsfähigkeit steigern, Engpässe beseitigen

Ein leistungsfähiges Verkehrssystem ist für eine hoch entwickelte Volkswirtschaft unverzichtbar. Damit Europa mobil bleibt und der Verkehr nicht zur Bremse für die Wirtschaft wird, sollte die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Die Anstre-gungen der Politik, das Verkehrssystem an die wachsenden Mobilitäts- und Umweltschutzanforderungen anzupassen, sollten deutlich erhöht werden.

Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Güterverkehr seit längerer Zeit schneller wächst als das Bruttoinlandsprodukt. Dies gilt besonders für die Langstrecken- und Transitverkehre – zu Lande und in der Luft – sowie den Seehafenhinterlandverkehr.

Die Ertüchtigung der Infrastruktur für alle Verkehrsträger und ihre Vernetzung, die Nutzung der Potenziale intermodaler Verkehre, die Beseitigung von Hemmnissen, die Förderung von Innovation und die Verbesserung von Beteiligungsverfahren sollten dabei im Vordergrund stehen. Alleingänge der EU oder einzelner EU-Staaten in international regulierten Transportbereichen sollten vermieden werden.

Die nationale und europäische Verkehrspolitik muss Investitions- und Planungssicherheit gewährleisten, damit der Verkehrsbereich seinen Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit leisten kann.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Investitionen auf hohem Niveau verstetigen (DE)

Die Prognosen der Bundesregierung für den Bundesverkehrswegeplan gehen von einer anhaltenden Zunahme der Verkehrsleistung im Güterverkehr aus, weshalb eine Entkopplung von Wirtschafts- und Verkehrswachstum nicht erkennbar ist. Die Sicherstellung der Mobilität von Menschen und Gütern bleibt daher eine zentrale Voraussetzung für wirtschaftliche Aktivitäten in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Verkehrswege und Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern sind sowohl für den Export als auch für den Import von Bedeutung.

Die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur sollten für alle Baulastträger auf auskömmlichem Niveau verstetigt werden. Dies ermöglicht im Interesse der Wirtschaft die Beseitigung von Engpässen und die Sanierung von Verkehrsinfrastrukturen. Es erleichtert zugleich Betreibern, Bauwirtschaft und Nutzern eine langfristige Investitionsplanung. Eine Zweckbindung der Einnahmen aus der Lkw-Maut für die Bundesfernstraßen hat sich nach Auffassung zahlreicher Unternehmen bewährt, weil es die wichtige Versteti-gung der Mittel unterstützt. Einige Unternehmen lehnen die Zweckbindung hingegen ab und befürworten eine Verwendung der Mittel auch für andere Verkehrsträger.

Bei der Abgabenbelastung und der Festlegung der Betriebszeiten von Verkehrs- und Logistikinfrastrukturen sollten die Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschlandberücksichtigt werden.

Eine Verlagerung von Verkehren auf Bahn und Binnenschiff kann nur gelingen, wenn deren Infrastruktur weiter ausgebaut sowie der kombinierte Verkehr gestärkt wird. Einige Unternehmen fordern außerdem die Siche-rung und Reaktivierung von Gleisanschlüs-sen. Diese müssten als besonders “schützens-wert” deklariert werden.

Für Logistikzwecke geeignete Flächen sind knapp und die Erschließung neuer Flächen oft schwierig. Bestehende Logistikflächen – insbesondere in Häfen – sollten daher mög-lichst nicht für andere Zwecke verwendet werden.

Hauptverkehrsachsen ausbauen (DE)

Langfristige Unterhaltungsstrategien nach dem Konzept der Lebenszykluskostenminimierung sind aktuell kaum möglich. Zugleich fehlen häufig Planungs- und Baukapazitäten.

Die Prioritätensetzung beim aktuellen Bun-desverkehrswegeplan auf Substanzerhalt, Engpassbeseitigung und die Ertüchtigung von Achsen und Knoten sollte konsequent umgesetzt werden, ohne auf Neubauvorhaben wie Lückenschlüsse zu verzichten. Einige Unternehmen vertreten eine andere Position, verweisen auf das Problem des induzierten Verkehrs und fordern verkehrslenkenden Maßnahmen statt des Neubaus weiterer Autobahnen.

Alle Projekte des „Vordringlichen Bedarfs“ und der ergänzenden Maßnahmen zur Umsetzung des sog. Deutschlandtaktes sollten bis 2030 fertiggestellt oder zumindest begonnen sein. Ziel sollte ein leistungsfähiges Netz für die Wirtschaft sein, dass auch alternative Trassen beinhaltet, mit denen die überlasteten Hauptachsen und kritischen Infrastrukturen entlastet werden. Auch die Erreichbarkeit von Regionen außerhalb der Ballungsräume und von strukturschwachen Regionen sollte gestärkt werden, um die Un-ternehmensstandorte dort zu sichern.

Erreichbarkeit verbessern und Logistik erleichtern (DE)

Um eine Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr zu gewährleisten, sollte an Bundesfernstraßen flächendeckend eine ausreichende Anzahl qualitativ hinreichend ausgestatteter Lkw-Parkplätze mit Übernachtungsmöglichkeiten und Sicherheitsstandards zum Schutz vor Ladungsdiebstahl zur Verfügung stehen.

Die Antrags- und Genehmigungsverfahren für Großraum- und Schwertransporte sollten endlich praxisgerecht verbessert und die Umstellung der Transportbegleitung auf Beliehene beschleunigt werden. Empfohlen wird die Einrichtung eines bundesweiten Netzes für Schwertransporte über 100 t, an das auch See- und Binnenhäfen angeschlossen sind.

Die bestehende polyzentrische Flughafeninfrastruktur unter Einbeziehung regionaler Verkehrslandeplätze sichert flächendeckend den Zugang zum Luftverkehr. Er ist für exportorientierte Unternehmen im Passagier- und Frachtverkehr gleichermaßen bedeut-sam. Es sollte zudem vermieden werden, dass aufgrund von kurzfristiger Betrachtung wertvolle Infrastruktur, wie etwa Regionalflughäfen oder Logistikflächen in Häfen, geschlossen werden.

Umweltschutz durch Innovation und Technologieoffenheit erreichen (DE+EU)

Unternehmen sind bereit, Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität zu ergreifen. Entsprechende Technologien und Kraftstoffe müssen jedoch zu wettbewerbsfähigen Kos-ten und in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Um Unternehmen beim Einsatz von klima- und umweltfreundlicher Technologien nicht einzuschränken, sollten EU und Bundesregierung technologieoffen verfahren und alternative Antriebe sowie e-Fuels oder (Bio-)Kraftstoffe, innovative Logistik- und Mobilitätskonzepte, Telematik oder autonomes Fahren unterstützen. Denn auch Verbrennungsmotoren können mit Einsatz von Biokraftstoffen oder e-Fuels insbesondere im Güterverkehr weiterhin eine wichtige Rolle neben der Elektromobilität spielen, um die langfristigen Ziele zur Reduktion der Treib-hausgasemissionen zu erreichen.

Für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sollte flächendeckend eine Versorgungsinfrastruktur, z. B. durch Schnellladesäulen oder Wasserstofftankstellen, geschaffen werden. Ein Teil der Unternehmen ist zudem der Auffassung, dass die Politik bei der Frage der Technologien eine steuernde Rolle einnehmen sollte.

Fahrverbote, Umweltzonen oder Einschränkungen des Individual- und gewerblichen Verkehrs führen zu hohen Kosten bei Herstellern und Haltern von Fahrzeugen. Deshalb sollte die Politik nur solche Maßnahmen in Erwägung ziehen, die die Mobilität insgesamt nachhaltiger ausrichten. Zugleich sollte sie verstärkt auf Technologien zur intelligenten Verkehrslenkung und -steuerung setzen, Angebote für die Vernetzung und bessere Auslastung der verschiedenen Verkehrsträger verbessern sowie Mobilitätsmanagement und Parkraumbewirtschaftung intensivieren. Teile der Wirtschaft sehen in Umweltzonen, Fahr- oder Verbrennerverboten, City-Maut oder anderen Beschränkungen allerdings auch Vorteile durch mehr Planungssicherheit und einen größeren Verbreitung von Elektrofahrzeugen.

Mobilität erhalten (DE+EU)

Grenzwerte für Fahrzeugflotten sollten sich am technischen Fortschritt orientieren und die wirtschaftliche Verkraftbarkeit bei den Unternehmen beachten. Verlagerungen von der Straße auf die Schiene und das Binnen-schiff stoßen an Grenzen hinsichtlich Kapazitäten, flächendeckender Verfügbarkeit und Ausbaustandards. Nennenswerte Verkehrsverlagerungen erfordern erhebliche Investitionen in Ausbau und Sanierung dieser Verkehrsträger und ihrer Schnittstellen. Eine Verteuerung der Straße ohne die Schaffung geeigneter Alternativen führt nicht zu einer Umweltentlastung, sondern ausschließlich zu erhöhten Kosten.

Klimapolitische Alleingänge Europas wie die Einbeziehung von Luftverkehr und Seeschifffahrt in den EU-Emissionshandel können zu einseitigen Belastungen europäischer Unternehmen führen und CO2-Emissionen in Drittstaaten verlagern. Stattdessen sollten internationale Abkommen angestrebt werden, die gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten. Ein Teil der Unternehmen befürwortet hingegen eine Vorreiterrolle der EU und befürchtet, dass Regelungen auf internationaler Ebene zu wenig wirksam sind (vgl. Kapitel „Klimaschutz“).

Bestrebungen, den Verkehr in den Innenstädten zu verringern, können dazu führen, dass die Attraktivität der Innenstädte als Wirtschaftsstandort beeinträchtigt wird und Unternehmen auf die „grüne Wiese“ abwandern. Bei einer möglichen Neuaufteilung des Straßenraums sollte der Zugang in die Städte auch weiterhin für Pkw und Lkw möglich sein. Ein Teil der Unternehmen lehnt dies hingegen ab und unterstützt Maßnahmen zur Verringerung des Verkehrs in Innenstädten.

Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung nutzen (DE)

Ladezonen ermöglichen Effizienzsteigerun-gen im Lieferverkehr und tragen dazu bei, Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden. Durch die Bereitstellung von Flächen für City-Hubs und durch die Unter-stützung des Einsatzes von Lastenrädern und elektrischen Kleinstfahrzeugen könnten Lieferverkehre in Innenstädten umweltfreundlicher abgewickelt werden.

Lang-Lkw können nach Auffassung zahlreicher Unternehmer Volumengüter wirtschaft-licher und umweltverträglicher transportieren. Das komplette Autobahnnetz sollte daher für Lang-Lkw freigegeben werden. Zumindest sollte die Anmeldung neuer Strecken für die Nutzung durch „Lang-LKW” beschleunigt und die Genehmigung für Strecken, bei denen keine sicherheitstechnischen Bedenken vorliegen, erteilt werden. Diese Fahrzeuge sollten auch für den Transport zumindest bestimmter, klassifizierter Gefahrgüter freigegeben werden. Gerade im Sammelgüterverkehr, bei dem meist das Ladevolumen der limitierende Faktor ist, würde dies zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit wie auch des Klimaschutzes beitragen. Einige Unternehmen sehen Lang-Lkw allerdings kritisch und wünschen stattdessen eine stärkere Verlagerung auf die Schiene.

Lkw-Fahrverbote an nicht bundeseinheitlichen Feiertagen sollten bundeseinheitlich und praxistauglich geregelt werden. Die aktuellen Regelungen führen zu einem „Flickenteppich“, der den Logistikunternehmen ihre Tätigkeit erschwert und die Kosteneffizienz sowie Umwelt durch Umwegfahrten unnötig belastet.

Betriebliches Mobilitätsmanagement trägt zu einer umweltfreundlicheren Personenmobilität bei und kann die Nutzung des ÖPNV stärken. Es kann damit einen Beitrag zur Entlastung der Straßen leisten. Zudem kann es die Unternehmen bei der Mitarbeiterbindung, Fachkräftesicherung und Kostenreduzierung unterstützen. Hierzu werden bundes-einheitliche Standards sowie eine Förderstrategie des Bundes benötigt.

Steuermittel für den ÖPNV wirtschaftlich einsetzen, Mittelstand erhalten (DE)

ÖPNV-Leistungen werden zu einem großen Teil von öffentlichen Unternehmen durchge-führt. Durch die kommunale Inhouse-Vergabe können neue Anbieter und mittelständische Unternehmen vom Markt ausgeschlossen werden.

Um seine Aufgaben – auch im Rahmen der Daseinsvorsorge – erfüllen zu können, benötigt der ÖPNV eine verlässliche Finanzierung. Einzelne Unternehmen fordern eine stärkere Quersubventionierung des ÖPNV, die viele Unternehmen wegen möglicher Mehrbelas-tungen aber ablehnen.

Mit Blick auf die Kosten des ÖPNV sollte Personennahverkehr, der ohne öffentliche Zuschüsse auskommt, Vorrang bekommen. Wendet die öffentliche Hand Mittel für eine Ausweitung des ÖPNV-Angebots auf, sollte sie die Leistungen im Wettbewerb vergeben, um die öffentlichen Kassen zu schonen. Private Unternehmen befürworten dabei die Ausgestaltung des Genehmigungswettbewerbs anhand allgemeiner Vorschriften.

Öffentliche Ausschreibungen und Vergaben sollten mittelständische Unternehmen nicht benachteiligen, sondern durch die Wahl der Losgrößen reelle Chancen bieten. Neue technische Möglichkeiten sollten genutzt und neuen Angebotsformen im öffentlichen Verkehr mehr Raum gegeben werden. Dabei sollte Chancengleichheit im Wettbewerb der verschiedenen Anbieter hergestellt werden. Dies erfordert auch einen ausreichenden Schutz von Anbietern, die zugleich Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge wahrneh-men und dabei der Tarif-, Betriebs- und Be-förderungspflicht unterliegen. Die ÖPNV-An-bieter – und hier insbesondere die privaten Busunternehmen mit eigenwirtschaftlichen Verkehren – benötigen eine finanzielle und strukturelle Perspektive, um ihr Angebot auf-recht erhalten zu können.

Digitalisierung nutzen - Verkehrsinfrastruktur zukunftssicher gestalten (DE+EU)

Das Mobilitätsverhalten verändert sich, auch weil die Angebotsvielfalt und die technischen Nutzungsmöglichkeiten zunehmen. Die Infrastruktur sollte mit den gewachsenen und noch steigenden Ansprüchen an die Verkehrssteuerung und autonomes Fahren mithalten können. In Smart Cities und Smart Regions sollen auf der Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien die Energiegewinnung und -nutzung mit Gebäude- und Verkehrsinfrastrukturen besser vernetzt sein, um die erforderlichen Effizienzsteigerungen zu ermöglichen. Multimodale Wegketten würden eine einseitige Fokussierung auf ein Verkehrsmittel vermeiden.

Die digitale Steuerung von Verkehr, etwa in Form von intelligenten Parkleitsystemen und Wegweisungen, Ampelschaltungen und Baustellenkoordinierung, ermöglichen einen flüssigen und emissionsärmeren Verkehr. Für die Zukunft bedarf es seitens der Kommunen langfristig angelegter Konzepte, um der Wirtschaft Orientierung zu bieten. Ein Gesamtverkehrsmanagementkonzept oder auch „Sustainable Urban Mobility Plan“, der die Basis für einen reibungslosen Umstieg zwischen den verschiedenen Mobilitätsangeboten und eine funktionierende Innenstadtlogistik legt, kann dazu beitragen, die Attraktivität von Städten und Gemeinden für die Wirtschaft zu erhalten. Ein stabiler mobiler Datenempfang ist dafür die Grundvoraussetzung.

Auf deutscher und europäischer Ebene sollten die Bedingungen für eine breite Nutzung von öffentlichen und privaten Verkehrsdaten geschaffen werden.

Internationale Verkehrsachsen besser verknüpfen (DE+EU)

Das Budget für das Transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) in der „Fazilität Connec-ting Europe“ (CEF) reicht nicht aus. Die EU sollte noch stärker – bspw. durch eine erhöhte Kofinanzierung mit Mitteln der CEF – auf die Mitgliedstaaten einwirken, um ihrer Verantwortung für eine leistungsfähige nationale und grenzüberschreitende Infrastruktur aller Verkehrsträger gerecht zu werden. Dies gilt sowohl für die Verkehrswege als auch deren Schnittstellen. Um hierfür die Finanzierbarkeit zu gewährleisten, sind die Förderbedingungen praxisgerecht auszugestalten.

Das transeuropäische Kernnetz ist vordringlich auszubauen und instand zu halten, da es für die europäische Wirtschaft eine hohe strategische Bedeutung hat. Ein Teil der Unternehmen ist der Auffassung, dass die Mittel bevorzugt in den Ausbau der Schiene fließen sollten und bei der Straße die Sanierung im Vordergrund stehen sollte.

Jeder EU-Staat sollte für seine nationalen Verkehrsprojekte – dazu gehört auch das Transeuropäische Kernnetz – eine zügige Umsetzung sicherstellen. Mittel aus der Fazilität „Connecting Europe“ können dabei nur eine Anschubfinanzierung leisten. Auch private Betreibermodelle und öffentlich-private Partnerschaften (PPP) können genutzt werden, sofern sie im Vergleich zur öffentlichen Bereitstellung wirtschaftlich sind und die Projekte schneller in die Umsetzung bringen.

EU-Harmonisierung und Liberalisierung weiter vorantreiben (EU)

Obwohl der Markt für den Schienenverkehr geöffnet ist, wird in der Praxis in einigen EU-Staaten die Durchführung von Schienenverkehren durch „Dritte“ weiter erschwert. Trassenvergabe und technische Vorschriften sollten daher transparent sein. Sie sollten nicht zur Marktabschottung verwendet werden. Auch sollten die Schienennetze Kapazitätsspielräume bieten und nicht allein auf die Bedürfnisse eines Nutzers ausgerichtet sein.

Der „Single European Sky“ sollte vollendet werden; er kann einen Beitrag zur Verringerung der Emissionen und zur Erhöhung der Pünktlichkeit leisten. Wettbewerbsverzerrungen für das deutsche und europäische Luftverkehrsgewerbe, insbesondere durch die zumindest teilweise Einbeziehung in den EU-Emissionshandel und durch die Luftverkehrsteuer in Deutschland, sollten vermieden werden. Ein Teil der Unternehmen steht dem Luftverkehr aus Gründen des Klimaschutzes kritisch gegenüber.

Klare Regeln und deren konsequente Durchsetzung sollen für gleiche Wettbewerbsbedingungen im EU-Straßengüterverkehr sorgen. Hemmnisse, wie ordnungspolitische Alleingänge in Form von Verboten und Dosierung z. B. im Brenner-Transit sollten beseitigt werden. Ein Teil der Unternehmen lehnt dies ab und setzt allein auf Maßnahmen zur Verringerung des Straßengüterverkehrs und der Verlagerung auf andere Verkehrsträger.

Zur Linderung des Fahrermangels sollte der Einsatz von Fahrern aus der EU und aus Dritt-staaten erleichtert werden. Hierzu gehören bspw. die einfachere Anerkennung ausländischer Führerscheine und die Anerkennung vergleichbarer Prüfungen aus Drittstaaten. Ein hohes Sicherheitsniveau ist dabei zu gewährleisten.

Ansprechpartner in der DIHK:

Dr. Patrick Thiele (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Jonas Wöll (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Andrea Höbel (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Hauke Dierks (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Louise Maizières (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Stadt kooperativ und smart gestalten: Lebendige Städte für Wirtschaft und Menschen

Attraktive Innenstädte und Ortszentren haben nicht nur als Wirtschaftsstandort für innerstädtische Unternehmen eine zentrale Bedeutung. Sie stehen für Lebensqualität und sind damit im Wettbewerb um Arbeits-, Fach- und Führungskräfte ein wesentlicher Standortfaktor. Als Aushängeschild einer Stadt stehen attraktive Innenstädte und Ortszentren auch im öffentlichen Interesse – und sie stecken in einer tiefen Krise. Denn noch nie war die Wucht an Themen – Mobilität, Digitalisierung, Wohnen, Klima, Energiekosten, die Folgen der Coronapandemie – so geballt wie aktuell. Um die Innenstädte und Ortszentren zu stärken, braucht es neue Ideen, Strategien und Konzepte. Ziel muss es sein, die Innenstadt hin zu einem klimagerechten, digital vernetzten und gut erreichbaren Ort mit einem vielfältigen Angebot für alle Altersgruppen zu entwickeln.

Zahlreiche Großstädte und Ballungsräume erleben einen starken Zuzug mit der Folge, dass es kein Bauland mehr für Wohnen und Gewerbe gibt. Flächenkonkurrenzen und das Heranrücken von Wohnbebauung an Gewerbe- und Industriebetriebe nehmen zu und führen zu dauerhaften Einschränkungen von Gewerbe und Industrie. Strukturschwache ländliche Räume und insbesondere Klein- und Mittelstädte leiden unter dem Wegzug von Einzelhandelsgeschäften, Dienstleistungen, aber auch dem Schließen von Post- oder Bankfilialen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Städte regional in Umland einbetten (DE)

Es gilt, regionale Stadt- und Siedlungsstrategien zu entwickeln, um auch die Gewerbeflächenversorgung für die Wirtschaft zu sichern. Das erfolgt am besten durch Bauvorhaben der Unternehmen selbst. Konzepte der Metropolregionen und der Regiopole mitsamt ihrer Verflechtungsräume und die Erreichbarkeit von Kleinstädten in ländlichen Räumen können dafür geeignete Ansätze sein. Es gilt Infrastrukturangebote mit Handel, Gastgewerbe und Industrie zu vernetzen. City-Logistik-Konzepte und der Infrastrukturausbau sollen zukunftsgerichtete, regionale Mobilitätsangebote verbinden und integraler Bestandteil der Stadtentwicklung sein. Die Bündelung von Lieferungen und bspw. die Einrichtung von City-Hubs können innovative Ansätze für den Lieferverkehr sein.

Innenstädte und Ortszentren durch Vielfalt stärken (DE)

Im Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte – virtuell und real – hilft dem Wirtschaftsstandort Stadt ein attraktives Flächen- und Infrastrukturangebot. Zu attraktiven Innenstädten und Ortszentren gehören Betriebe des Handels, der Freizeit-, Kultur- und Kreativwirtschaft, des Gastgewerbes sowie Produktionsstandorte und Wohnungen. Vielfalt in der Stadtentwicklung bedeutet Gewerbetreibende und Immobilienwirtschaft in diese Prozesse zu integrieren. Lärmschutzvorga-ben sollten die wirtschaftliche Entwicklung in Innenstädten nicht hemmen. Dementsprechend sollten die Lärmwerte flexibel gestaltet werden. Notwendig ist daher eine grundlegende Novelle der TA Lärm. Für das Erlebnis Innenstadt ist entscheidend, dass kooperative, möglichst digitale Lösungen von Stadt und gewerblichen Standortgemeinschaften entwickelt werden. Bei Einzelhandels- und Gastronomievorhaben außerhalb der Zentren hat es sich als vorteilhaft erwiesen, ihre Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort sorgfältig zu prüfen. Im Rahmen von Einzelhandelskonzepten werden Entwicklungen auf geeignete Standorte gelenkt und städtebauliche Fehlentwicklun-gen verhindert. Sie schaffen Klarheit über die Vorstellungen der Kommune und geben Pla-nungssicherheit für alle Marktteilnehmer.

In Stadtentwicklungsplanung investieren (DE+EU)

Zukunftsweisende Stadtentwicklung sollte mit gemeinsamer Ideenfindung, unterstützt durch digitale Tools beginnen, Kriterien der Zielerreichung benennen und diese in den nachfolgenden Plan- und Genehmigungsverfahren digital umsetzen, um für attraktive Städte zu sorgen und die Aufenthaltsqualität zu steigern. Sie sollte sich stärker auf Kooperationen mit Unternehmen und IHKs stützen und Betroffene als Beteiligte sehen, um auch für die Wirtschaft bedarfsgerechte Infrastrukturen anzubieten. Es gilt intelligente, integrierte und vernetzte Stadtentwicklung zu gestalten, um den Unternehmen auch zu-künftig attraktive Standorte anzubieten. Digitale Technik erleichtert Prozesse zur effizienten Informationsverbreitung für integrierte Planungsprozesse. Es gilt, eine finanzielle Förderung der Städte und Gemeinden mit der Konzepterstellung und -einhaltung zu verbinden. Bund und Länder sollten mit der Raumordnung strukturelle Entscheidun-gen vorantreiben, um der Wirtschaft langfristige Standortperspektiven zu geben.

Nachhaltige Flächenentwicklung erforderlich (DE)

Aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft muss der dringende Bedarf nach bezahlbarem Bauland für Gewerbe und Industrie stärker berücksichtigt werden. In städtischen Bereichen können Nutzungsmischungen von Wohnen und Gewerbe ein Weg sein, gerade an sog. Hightech-Standorten, wo Industrie und Hochschulen sich gegenseitig ergänzen und sich Start-ups auch häuslich in unmittelbarer Nähe niederlassen wollen. Ein Heranrücken von Wohngebäuden an gewachsene Industrie- und Gewerbestandorte – auch in vielen Hafenbereichen – bleibt unter dem Aspekt des Immissionsschutzes eine Herausforderung. Hier sollten die notwendigen Abstände gewahrt werden. Der Bedarf von Flächen für die Entwicklung von Gewerbe und Industrie - gerade in prosperierenden Regionen - sollte angemessen berücksichtigt werden. Ein regional abgestimmtes Industrie- und Gewerbeflächenkonzept, ein Flächenmonitoring und innovative Lösungen wie gestapelte Gewerbe- und Industrieflächen können helfen, für eine nachhaltige Flächenentwicklung zu sorgen. Daraus können Flächenbedarfskonten entwickelt werden. Bei der Nachnutzung von Brach- oder Konversionsflächen empfiehlt es sich, durch eine enge Zusammenarbeit von Immobilieneigentümern, Nutzern und der Verwaltung, stets zu prüfen, ob sie einer neuen gewerblichen Nutzung zugeführt werden können. Es sollte betrachtet werden, ob Kompensationsmaßnahmen erforderlich sind und ob kreative Lösungsmöglichkeiten, wie in Hessen bspw. die Ökoagentur, dafür genutzt werden können. Die Ökoagentur übernimmt die eigentliche naturschutzrechtliche Genehmigungsprozedur, Kompen-sationsplanung, Realisierung und Pflege der Kompensationsmaßnahmen.

Ansprechpartnerin in der DIHK:

Anne-Kathrin Tögel (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Regionale Entwicklung: Potenziale nutzen, Zukunft sichern

Regionalentwicklung dient der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Regionen und Unternehmen und sorgt für nachhaltiges Wachstum. Die Wirtschaft braucht gute infrastrukturelle Rahmenbedingungen und eine umfassende funktionierende Nahversorgung für lebenswerte Regionen. Damit können Standorte gesichert und entwickelt sowie Fachkräfte gewonnen und gehalten werden. Um die Wirtschaftsstandorte in den Regionen weiter zu stärken, muss für ihre Anziehungskraft und vielfältige Ausstattung gesorgt werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Infrastruktur als Grundlage jedes Wirtschaftsstandorts stärken (DE+EU)

Verkehrsinfrastruktur muss so geplant, errichtet, unterhalten und Instand gesetzt werden, dass eine reibungslose Nutzung und effiziente Vernetzung gewährleistet werden kann. Gerade die Wirtschaft im ländlichen Raum ist teilweise noch unzureichend mit hochleistungsfähigen digitalen Anschlüssen wie z. B. Glasfaseranschlüsse bis ins Haus und Mobilfunk versorgt, die unternehmerischen Anforderungen gerecht werden. Fehlende Infrastruktur ist für die Wirtschaft ein Standortnachteil und wirkt sich negativ auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum aus.

Die öffentliche Hand sollte in Bereiche investieren, die der gesamten Wirtschaft zugutekommen. Von besonderer Bedeutung sind Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, Breitband, inkl. der Verbesserung des mobilen Datenempfangs, und Forschung als Vo-raussetzungen unternehmerischen Handelns. Dafür sollten ausreichend Mittel auch aus nationalen Quellen und den EU-Strukturfonds zur Verfügung stehen und konsequent ausgerichtet werden.

Nahversorgung vor Ort stärken (DE)

Eine funktionierende, unkomplizierte öffentliche Verwaltung mit konsequent umgesetztem E-Government, ausreichende Betreuungsangebote, Einkaufs-, Freizeit- und Ausgehmöglichkeiten und eine grundlegende Gesundheitsversorgung sind Basisangebote, die vor Ort vorhanden sein sollten, auch damit Gewerbe und Industrie zukünftig noch Azubis und Fachkräfte an dezentralen Standorten finden. Dabei sollten neue Wege gegangen werden, etwa durch die Kopplung verschiedener Angebote oder die Möglichkeiten der Digitalisierung.

So können durch die Kombination von Mobilität, Logistik und stationärem Einzelhandel sowie Gesundheitsangeboten auf der Basis von Digitalisierung neue Nahversorgungsangebote geschaffen werden. Bei der Schlie-ßung von Lücken bei der Lebensmittelversorgung sollten marktkonforme Lösungen Priorität haben. Beachtet werden sollte das Gebot der interkommunalen Abstimmung sowie die Orientierung am Konzept der zentralen Orte für die Ansiedlung von Nahversorgungsangeboten sowie die Organisation der Daseinsvorsorge. Auch sollten von neuen Ansiedlungen keine schädlichen Auswirkungen auf benachbarte zentrale Versorgungsbereiche ausgehen.

Abbau regionaler Disparitäten im Fokus behalten (EU)

Für die gewerbliche Wirtschaft sind attraktive Lebensverhältnisse und eine gute Infrastrukturausstattung in allen Regionen ein wichtiger Standortfaktor. Auch wenn einige Erfolge zu verzeichnen sind, gilt es weiterhin an Rahmenbedingungen zu arbeiten, die eine Angleichung der Lebensverhältnisse und Standortbedingungen ermöglichen. Der Abbau regionaler Disparitäten sollte auch in Zukunft das Ziel der europäischen Strukturpolitik bleiben. Auch strukturstarke Regionen mit tiefgreifendem Strukturwandel sollten von der EU-Strukturpolitik berücksichtigt wer-den. Basis für Investitionen müssen strategische Planung in den Regionen sowie Eigeninitiative regionaler Akteure sein, dabei ist ein europäischer Mehrwert der Projekte aufzuzeigen.

Bei der Ausgestaltung der neuen Förderperiode 2028-2034 sollte frühzeitig die Wirtschaft eingebunden werden, um die grundlegenden Förderziele und die konkrete Ausgestaltung der Programme abzustimmen.

Strukturellen Wandel und Krisen aktiv begleiten (EU)

Der grüne und der digitale Wandel sowie der zunehmende Fachkräftemangel stellt strukturschwache und zunehmend auch andere Regionen vor besondere Herausforderungen. Um trotzdem weiterhin regionale Disparitäten abzubauen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Potentiale dieser Regionen auszuschöpfen, sollte die Förderpolitik an die Bedürfnisse dieser Regionen besser angepasst werden. Gleichermaßen sollten auch zukünftige Entwicklungen in allen Gebieten berücksichtigt werden können, um dort möglichen Herausforderungen vorzubeugen. Dies sollte nicht mit einem strengeren Zielsystem anhand fester Nachhaltigkeits- und Digitalquoten erfolgen, sondern sich stärker an den jeweiligen regionalen Bedarfen, aber auch Stärken orientieren. Vor diesem Hintergrund sollte bspw. auch die Förderung von Vorhaben der Daseinsvorsorge besser ermöglicht werden, sofern diese einen Wirtschaftsbezug aufweisen und damit der regionalen Wirt-schaft konkret zugutekommen. Ein Teil der Unternehmen ist dabei der Auffassung, dass die Aufnahme eines neuen Fördertatbestands der Daseinsvorsorge die Bereitstellung zusätzlicher Mittel voraussetzt. Diese sollten jedoch nicht zu Lasten der unmittelbaren Wirtschaftsförderung gehen.

Förderpolitik weiterentwickeln: Effektivität steigern, regionale Besonderheiten berücksichtigen (EU)

Der Abbau regionaler Disparitäten sollte auch in Zukunft das Ziel der europäischen Strukturpolitik bleiben. Primäres Ziel sollte es sein, Strukturreformen als Rahmen für Wirt-schaftswachstum zu realisieren. Innerhalb dieses Rahmens kann öffentliche Förderung attraktive Standorte schaffen, erhalten und verbessern.

Die Zielsetzung der Regionalpolitik sollte Entwicklungen des demografischen Wandels und Strukturwandels berücksichtigen. Das Roll-out der Programme in den Förderperioden sollte zeitlich abgestimmt erfolgen, auch um eine angepasste Vorbereitung auf allen Ebenen zu ermöglichen. Kofinanzierung bleibt weiterhin ein Mittel für die Sicherstellung nachhaltiger Projektfinanzierungen. Auch makroökonomische Konditionalitäten und eine Bindung der Mittelvergabe an das Europäische Semester können die Effektivität des Mitteleinsatzes erhöhen. Von einigen Unternehmen wird jedoch gefordert, makroökonomische Kriterien nur als letztes Mittel einzusetzen.

Die EU-Förderindikatoren sollten regelmäßig überprüft werden. Die potenziell wettbewerbsverzerrenden Effekte der Förderpolitik sollten durch eine technologie- und branchenoffene Ausgestaltung der Förderinstru-mente minimiert werden, bspw. durch aus-reichend flexible Anwendung der Regeln.

Der Vorrang der Finanzinstrumente vor Zuschüssen sollte nicht absolut gelten – Aus-gangspunkt sollte die Situation vor Ort sein. Es sollten verstärkt revolvierende Mittel eingesetzt werden, die Anreize für einen effi-zienten Mitteleinsatz bis zur Zielerreichung in der Region schaffen.

Bürokratie in der Förderpolitik abbauen und Umsetzung vereinfachen (DE+EU)

Zur Entbürokratisierung der EU-Förderpolitik sind einfachere Prozesse bei der Antragstellung, dem Abruf, der Verwaltung und der Prüfung von EU-Fördergeldern nötig. Vorab muss geklärt werden, ob eine Förde-rung beihilfenrechtskonform ist. Die nationale Umsetzung europäischer Förderregeln sollte verständlich gestaltet werden und Prozesse für die Unternehmen vereinfachen. Auf nationale Sonderregeln, die über den Umfang der EU-Politik hinausgehen, sollte verzichtet werden.

Insgesamt sollten die Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen weiterhin eng in die Entwicklung der regionalen Förderkonzepte einbezogen werden. Auch bei der Umsetzung der Programme sollte die Politik vorhandene Strukturen vor Ort nutzen.

Weiterhin ist das Informieren über die Förderprogramme für die unterschiedlichen Empfänger auf geeigneten Kommunikationswegen notwendig.

Fonds auf Zukunftsthemen ausrichten (EU)

Der Europäische Sozialfonds (ESF+) spielt in den Mitgliedstaaten eine bedeutsame Rolle. Das Prinzip der Zusätzlichkeit sollte weiter aufrecht erhalten bleiben. Gerade die neuen Ziele von ökologischer Nachhaltigkeit und mehr Digitalisierung sollten im Rahmen der ESF-Förderung stärker in den Fokus genommen werden. Auch hier sollten internationale Verzahnung und Erfahrungsaustausche stärker zu einer Vertiefung der guten Beispiele führen. Bei den Investitionen in Menschen sollte vornehmlich auf einen investiven Beitrag zur Fachkräftesicherung geachtet werden. Gerade bei der sozialen Inklusion wäre es wichtig, wenn der Arbeits- oder Ausbildungsmarktbezug stets berücksichtigt würde. Das Hinführen zu betrieblichen Arbeits- und Ausbildungsplätzen sollte Vorrang genießen gegenüber betriebsfernen Angeboten.

Auf Ebene der Projekte ist auch in der nationalen Umsetzung darauf zu achten, den Projektzyklus nicht auf die Minimaldauer von zwei Jahren und weniger zu befristen. Bei Steuerung und Governance auf nationaler Ebene dominieren die Kofinanzierer stark, also Bund und Länder. Als wichtige Stakeholder der Praxis sollten die Wirtschafts- und Sozialpartner schon ab der konzeptionellen Programmentwicklung mit eingebunden werden. So können auch die Interessen der gewerblichen Wirtschaft in den ESF+ einfließen. Auch wenn die nationalen Mittel nach europäischen Vergleichszahlen bemessen und nach dem Europäischen Semester angepasst werden, so ist auf nationaler Ebene stärker auf den regionalen Bedarf und die Passung der Projekte untereinander zu achten.

Ansprechpartner in der DIHK:

Jonas Wöll (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Dr. Knut Diekmann (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Tourismus: Wirtschafts- und Standortfaktor – als Motor für Regionalentwicklung anerkennen

Die Tourismusindustrie umfasst Beherbergung und Gastronomie, Reiseveranstalter und -vermittlung, Verkehrsträger, Freizeit- und Kultureinrichtungen. Ziel ist es, einem zunehmenden volkswirtschaftlichen Beitrag der Tourismusindustrie in Deutschland mit geeigneten politischen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.

Tourismus stärkt auch strukturschwache Regionen. Neben direkten wirtschaftlichen Effekten kann die touristische Nachfrage zur Qualität der verfügbaren Infrastruktur, Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten und damit zur Attraktivität einer ganzen Region einen zentralen Beitrag leisten. Dieser (Wirtschafts-)Faktor, der auch die Standortwahl von Unternehmen und (internationalen) Fach- und Arbeitskräften beeinflusst, muss nachhaltig und durch umsichtige politische Rahmenbedingungen gefestigt werden. Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum ist dabei ein wichtiger Baustein.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Bedeutung der Tourismuswirtschaft als Wirtschafts- und Standortfaktor anerkennen (DE+EU)

Der Tourismus ist ein Wirtschafts- und Standortfaktor und in vielen Regionen Motor der Regionalentwicklung. Aus dem touristischen Handeln entstehen positive gesamtwirtschaftliche und regionalökonomische Standorteffekte, die messbar und ohne Tourismus nicht selbstverständlich verfügbar sind. Die politischen Ebenen sollten daher bei all ihren Entscheidungen auch die touristischen Belange berücksichtigen.

Effizienz der Tourismuspolitik durch klare Definitionen und Zuständigkeiten erhöhen (DE+EU)

Um die zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen im Tourismus besser einsetzen zu können, müssen die Zuständigkeiten, Aufgaben und Ziele der verschiedenen Organisationsebenen klar definiert sein und gut aufeinander abgestimmt werden. Die Wirkung der Nationalen Tourismusstrategie sollte anhand von Zielen, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten klar formuliert, bei Bedarf angepasst und evaluiert werden. Den vielfältigen Belangen der Quer-schnittsbranchen der Tourismusindustrie kann durch effiziente Strukturen in der Tourismuspolitik Rechnung getragen werden.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit er-halten (DE+EU)

Tourismus ist ein grenzüberschreitendes Geschäft. Gleichzeitig besteht ein intensiver internationaler Wettbewerb.

Bürokratische Belastungen für Tourismusunternehmen sollten so gering wie möglich gehalten werden. Gerade in Zeiten des Personalmangels ist übermäßige Bürokratie durch nationale und europäische Vorgaben eine oft unnötige große Belastung für die Unterneh-men.

Zudem sehen sich auch touristische Unternehmen vielfach gestiegenen Energiekosten gegenüber. Diese Unternehmen sollten bei politischen unterstützenden Maßnahmen mitberücksichtigt werden, um das Bestehen einer starken Tourismusbranche auch künftig zu gewährleisten.

Nicht zuletzt sollte auch die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union weiter ausgebaut werden.

Attraktivität für Fach - und Arbeitskräfte sichern (DE)

Die tragende Säule der Tourismuswirtschaft sind Arbeits- und Fachkräfte: Menschen, die mit Herzblut Gastgeber und Touristiker sind. Der Fach- und Arbeitskräftemangel bringt eine Mehrbelastung der bestehenden Belegschaft, steigende Arbeitskosten und Einschränkungen des Angebots bzw. Ablehnung von Aufträgen mit sich. Von der Berufsorientierung über die Qualität in der Ausbildung und die Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses bis hin zum freiwilligen Zuverdienst im Rentenalter muss die gesamte Breite der Fachkräftegewinnung und -sicherung – auch im Hinblick auf die Unternehmensnachfolge – im Blick gehalten werden. Auch die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum in touristischen Lagen erhöht die Attraktivität der Branche für (internationale) Fach- und Arbeitskräfte. Das positive Image Deutschlands als Reiseland sollte noch stärker für die Gewinnung internationaler Fachkräfte genutzt werden.

Transparente Fördermittelstrukturen als Teil einer gestaltenden Tourismuspolitik (DE+EU)

Die enorme Vielfalt an Förderangeboten des Bundes, der Bundesländer und der Europäischen Union muss für die Zielgruppen transparent sein, um diese unbürokratisch und bedarfsorientiert nutzen zu können. Nur adressatengerecht aufbereitet können die Fördermittel Teil einer gestaltenden Tourismuspolitik sein und zur Entwicklung bzw. Weiterentwicklung attraktiver, leistungs- und zukunftsfähiger Tourismusstandorte beitragen.

Infrastruktur als Rückgrat des Tourismus (DE+EU)

Die Mobilität von Menschen ist eine Grundlage für die Tourismuswirtschaft. Verkehrsinfrastruktur muss so geplant, errichtet, unterhalten und instandgesetzt werden, dass eine reibungslose Nutzung gewährleistet werden kann. Die Kapazitäten von Schnittstellen wie Häfen, Flughäfen und Bahnhöfen sowie ihre see- und landseitigen Anbindungen sollten bedarfs- und zukunftsgerecht ausgebaut werden. Wassertourismus und touristische Wasserstraßen müssen in der Verkehrsplanung größere Berücksichtigung finden.

Gerade die Wirtschaft im ländlichen Raum ist häufig noch unzureichend mit hochleistungsfähigen Anschlüssen wie z. B. Glasfaseranschlüsse bis ins Haus und Mobilfunk versorgt, die unternehmerischen Anforderungen gerecht werden. Um die Nutzung innovativer, digitaler Lösungen, wie bspw. autonomes Fahren oder die Nutzung von KI, zu incentivieren, ist eine funktionierende digitale Infrastruktur zentral. Fehlt sie, ist das für die dort ansässigen Unternehmen ein Standortnachteil. Die Nutzung datenbasierter Verfahren, bspw. im Rahmen des EU-Tourismusdatenraums, kann eine effiziente Standortplanung begünstigen (vgl. Kapitel „Regionale Entwicklung“).

Ansprechpartner in der DIHK:

Julia Seibert (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), Jonas Wöll (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Medien: Mit Presse- und Rundfunkfreiheit sowie Meinungsvielfalt zu Wirtschaftswachstum

Die meist mittelständisch geprägten Unternehmen der Kultur- und Kreativbranche inkl. der Medienunternehmen sind für die Meinungsbildung in einer demokratischen Marktwirtschaft unerlässlich: Wirtschaft braucht valide Informationen. Die Transparenz über nationale wie internationale Entwicklungen und Ereignisse beeinflussen Unternehmens- und Investitionsentscheidungen. Unternehmertum ist dabei auf voraussetzungslosen Zugang zu entsprechenden Informationen und die Darstellung verschiedener Sichtweisen angewiesen, um Fehlentwicklungen und falschen Einschätzungen vorzubeugen. Das gilt für die eigene Region, den gemeinsamen Markt der Europäischen Union ebenso wie globale Entwicklungen. Daher kommen der Presse- und Rundfunkfreiheit mit dafür unerlässlichen Rahmenbedingungen für klassische wie neue Medienanbieter sowie dem Wettbewerb unterschiedlicher Meinungen und Ansichten auch für die Wirtschaft eine wichtige Rolle zu.

Damit die zumeist kleinen und mittelständischen Unternehmen der Medien-, Kultur- und Kreativwirtschaft ihre wichtigen Funktionen für die Gesamtwirtschaft erfüllen können, sind sie auf eine moderne und agile Gesetzgebung angewiesen, die mit dem technischen Fortschritt mithält und fairen Wettbewerb für alle Akteure gewährleistet.

Das gilt im besonderen Maße auch für die mögliche Entfaltung zukunftsweisender Innovationen in der Kreativwirtschaft, ob in den Bereichen Softwareentwicklung, Spieleindustrie, digitale Kommunikation oder neuartiger Geschäftsmodelle.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Information als Wirtschaftsfaktor anerkennen (DE+EU)

Vielfältige, transparente Informationen mit unterschiedlichen Sichtweisen auf nationale und internationale Entwicklungen sind eine wichtige Grundlage für Unternehmens- und Investitionsentscheidungen. Meinungsvielfalt und Pressefreiheit sind daher in einer freien, demokratischen Wirtschaft unabdingbar.

Der Zugang zu Informationen muss unabhängig von bestimmten Medien und Kanälen möglich sein. Klassische wie neue Medienanbieter müssen in einem fairen Wettbewerb mit entsprechend einheitlich gültigen Rahmenbedingungen um Kunden bzw. Nutzer werben können. Dafür sollte die Politik bei Regulierungsvorhaben, etwa im Urheberrecht, alle Beteiligten einbinden und auch bei Gesetzesinitiativen in benachbarten Bereichen die möglichen Auswirkungen auf das Mediensystem im Blick haben. Die Europäische Union sollte sich unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten zudem auch für einen fairen Wettbewerb weltweit einsetzen.

Fairen und digitalen Marktplatz etablieren sowie Netz-, Suchmaschinen- und Plattformneutralität sicherstellen (DE+EU)

Die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft brauchen im nationalen und internationalen Wettbewerb mit den globalen Big-Tech-Plattformen einheitliche und faire Rahmenbedingungen. Das ist derzeit und perspektivisch nicht mehr gewährleistet. Die Marktmachtkonzentration digitaler Gatekeeper sollte aufgebrochen werden und es müssen Netz-, Suchmaschinen- und Plattformneutralität sichergestellt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Zusammenarbeit von Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft untereinander weiterhin mög-lich bleiben und intensiviert werden muss.

Die Debatte über den Zugang zu Daten und einem wirksamen Datenschutz ist für Teile der Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft überlebenswichtig. Die Unternehmen achten allein schon zum Erhalt des Vertrauens in ihre Marken sehr genau auf einen verlässlichen Umgang mit den ihnen überlassenen Daten. Gleichzeitig haben Datenschutzregelungen einen erheblichen Einfluss darauf, ob Unternehmen in der digitalen Welt erfolgreich sein können. Sie dürfen nicht zu bürokratisch und sollen auch für kleine und mittelständische Unternehmen einfach und praxistauglich umsetzbar sein.

Einnahmen aus Werbung und Sponsoring nicht durch politische Einschränkungen gefährden (DE)

Private Medienunternehmen finanzieren ihre Inhalte, einschließlich qualitativ hochwertiger journalistischer Berichterstattung, zu einem erheblichen Teil über Werbung oder Sponsoring. Werbung ist neben dem Verkauf von Inhalten und Dienstleistungen ihre wichtigste Einnahmequelle.

Aus der Sicht von Medienunternehmen dürfen die Werbemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden. Es werden kaum zu kompensierende betriebswirtschaftliche Auswirkungen befürchtet.

Monopolbildungen wirksam entgegentreten (EU)

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist es ein sehr grundlegender Aspekt, Wettbewerb sowohl auf dem Gebiet der Information als auch bei Fragen der Reichweite oder Bewertung, der Inhalte, der Werbung, bei Plattformen oder Datennutzung und auf anderen Feldern zu ermöglichen und Monopolentwicklungen zu verhindern. Die von der Europäischen Union formulierten Ziele zur Sicherung eines unabhängigen Mediensystems und der Pressefreiheit sind daher wichtig, dürfen die vorgenannten Ziele aber nicht gefährden.

Urheber- und Leistungsschutzrechte stärken und an technologische Entwicklungen anpassen (DE)

Ohne praxisnahe und umfassende Urheber- und Leistungsschutzrechte ist ein wichtiges Standbein der Kultur- und Kreativwirtschaft gefährdet. Deshalb muss der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen laufend auf dem aktuellen Stand halten. Das betrifft insbesondere die Anpassung an die technologischen Entwicklungen. Gerade KI-Dienste nutzen häufig Leistungen der Kreativwirtschaft. Der Gesetzgeber sollte die Rechte der Inhalte produzierenden Unternehmen besser schützen und die missbräuchliche Verwendung ihrer Produkte unterbinden. Eine „Gratis-Mentalität“ darf es nicht geben. Jede Nutzung von urheberrechtlich geschützten Produkten unterliegt der Zustimmungspflicht des Produzenten und sollte entsprechend vergütet werden.

Duales Rundfunksystem durch Förderung privater Anbieter stärken (DE)

Der öffentlichrechtliche Rundfunk ist eine starke Stütze der Demokratie und Meinungsvielfalt in Deutschland. Ebenso sind es die privaten, oft mittelständisch geprägten Medienunternehmen. Für beide Säulen des Mediensystem kann eine intensivere, faire und kooperationsorientierte Zusammenarbeit fruchtbar sein und der Branche weitere Zukunftschancen eröffnen. Während sich die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten aus dem gesetzlich festgelegten Rundfunkbeitrag finanzieren, sind die privaten Anbieter auf marktwirtschaftliche Einnahmen angewiesen. Beide Säulen des Rundfunks erfüllen aber eine gesamtgesellschaftlich wichtige Funktion.

Wo sinnvoll, ist deshalb eine stärkere Förderung privater zukunftsgerichteter Medienin-novationen und der flächendeckenden Medienversorgung auf regionaler Ebene denkbar.

Informationsplattformen und Soziale Medien einheitlich regulieren (EU)

Es liegt in der EU-Verantwortung, den freien Zugang zu Informationen zu gewährleisten und die unabhängige Medienlandschaft zu fördern. In den vergangenen Jahren hat sich die öffentliche Kommunikation in Europa und weltweit stark verändert. Internetplattformen haben massiv an Bedeutung gewon-nen und beherrschen in teilweise monopolistischen Positionen den Datenverkehr wie auch den Markt für digitale Werbung inkl. der dort genutzten Technologien und Daten.

Das hat auch starke Auswirkungen auf die deutsche Gesamtwirtschaft: Wie lassen sich hohe Informationsqualität und fairer Wettbewerb sowohl auf international agierenden Plattformen wie auch vor Ort, in den Regionen, sichern?

Notwendige Leitlinien der Medienregulierung gilt es zu institutionalisieren; ganzheitliche Risikoevaluation aller Regulierungsansätze auf die Medienbranche und andere Wirtschaftsbereiche sind daher wichtig.

Ansprechpartner in der DIHK:

Urban Comploj (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

 

Zur Erreichung dieser Leitlinien trägt die IHK-Organisation u. a. bei durch:

  • Unternehmensbefragungen; DIHK-Befragungen der Industrie- und Handelskammern und der Deutschen Auslandshandelskammern (wie zu Binnenmarkthindernissen 2024); Analysen und Umfragen, z. B. DIHK-Gesundheitsreport oder zur europäischen Medizinprodukteverordnung, DIHK-Report Unternehmensgründung, DIHK-Report Unternehmensnachfolge
  • Konkrete Vorschläge zu nationalen Gesetzesvorhaben und Konsultationen der EU
  • Teilnahme als Sachverständige bei Anhörungen des Bundestages und anderer Institutionen
  • Beteiligung an Kommissionen und Beiräten (z. B. Expertenkommission Bürgernahe Einkommenssteuer des Bundesministeriums der Finanzen; Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung)
  • Veranstaltungen sowie Initiativen der IHKs auf lokaler Ebene und der DIHK auf Bundesebene (z. B. Informationsveranstaltungen zur Geldwäscheprävention, zur Korruptionsbekämpfung, Cybersicherheit, Digitalisierungsoffensiven für die innerstädtischen Wirtschaftsakteure, Bürokratieabbau-Konferenzen internationale Fachtagung zur Umsetzung der OECD/IF-Besteuerungskonzepte durch Unternehmen, Business Improvement Districts (BID), Heimatshoppen, Innenstadtberater, Standorthelden, Masterpläne Industrie und Gewerbeflächenentwicklungsprogramme, Engagement gegen einen Wettbewerb der Rechtsstandorte zu Lasten von Unternehmen, Transferstelle IT-Sicherheit im Mittelstand, Netzwerke „Sicherheit in der Wirtschaft“, Sensibilisierungsaktionen gegen Produkt- und Mar-kenpiraterie und gegen Wirtschaftskriminalität, Orientierungsberatungen zum Thema „Ge-werblicher Rechtsschutz“ und Beteiligung am Tag des Geistigen Eigentums)
  • Unterstützung von nationalen Initiativen (wie „Initiative Wirtschaftsschutz“ der nationalen Wirtschaftsschutzstrategie, Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) e. V.)
  • Einigungsstellen für Wettbewerbsstreitigkeiten bei den IHKs und Hilfestellung durch IHKs gegen missbräuchliche Abmahnungen
  • Initiativen der IHKs mit den AHKs wie „Chambers for GreenTech“ oder „Young Energy Europe“
  • Arbeitskreise, Konferenzen und Online-Angebote z. B. zur Vernetzung der Anbieter der regionalen Gesundheitswirtschaft, zum Bürokratieabbau oder Statistik
  • Informationen und Veranstaltungen für Betriebe (z. B. Regulierung von Medizinprodukten, E-Health)
  • Voranbringen und Unterstützung der Unternehmen bei beruflicher Bildung, Digitalisierung, E-Rechnung, E-Vergabe
  • Förderung des Unternehmertums durch jährlich 180.000 persönliche Kontakte und Gespräche jährlich zur Unternehmensgründung und zur Unternehmensnachfolge bei Erstauskünften, Einstiegsgesprächen, Seminaren und IHK-Beratungen zum Geschäftskonzept; durch zahlreiche Initiativen auf regionaler und auf Landesebene; als Regionalpartner der Unternehmensnachfolgebörse nexxt-change (www.nexxt-change.org); mit jährlich rd. 30.000 Beratungen und Kontakten zu Alt-Inhaberinnen und AltInhabern auf Nachfolgersuche und potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern
  • Umsetzung eines kundenfreundlichen und digitalen Zugangs zu den hoheitlichen und Ser-viceleistungen der IHK-Organisation
  • Unternehmergespräche mit Vertretern von Ministerien und Politik
  • Austausch von Praxisbeispielen aus der betrieblichen Praxis
  • Gemeinsame Ausbildungskampagne der IHKs; Angebote zur Berufsorientierung und MINT-Förderung; die Arbeit von mehr als 160.000 ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfern in Aus- und Weiterbildung; rund 300.000 Abschlussprüfungen pro Jahr in der Ausbildung; jährlich knapp 60.000 Prüfungen in der Fortbildung; pro Jahr rund 30.000 Beratungen in der Weiterbildung; jährlich knapp 20.000 Weiterbildungsangebote für Betriebe und Beschäftigte bundesweit; Initiativen zur Integration von Studienaussteigern in berufliche Aus- u. Weiterbildung; Beteiligung bei Konzeption, Aufbau und Qualitätssicherung dualer Studiengänge; berufliches Feststellungsverfahren für Berufserfahrene ohne Abschluss und Quereinsteiger; IHK-Zertifizierungslehrgang “City- / Quartiersmanager/in (IHK)”
  • Initiierung und Begleitung der IHKs von Stadtentwicklungskonzepten, Smart-City-Konzepten und –Projekten, Masterplänen für Einzelhandel, kommunalen und regionalen Einzelhandelskonzepten, Bewertung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben nach raumordnerischer und städtebaulicher Verträglichkeit im Rahmen der Trägerbeteiligung der IHK, Beteiligung der IHKs bei Auswahlverfahren im Rahmen von Städtebaufördermaßnahmen, z.B. Verfügungsfonds, Vorschläge zur Mobilisierung von Bauland ein
  • Sensibilisierung der Unternehmen und Kommunen für das Thema Digitalisierung (Onlineprä-senz/-handel, Location based Services), aber auch ein kooperatives Baustellenmanagement während der Bauphase durch Veranstaltungen und Informationen
  • Präqualifizierungsverfahren für Liefer- und Dienstleistungsunternehmen bei öffentlichen Aufträgen (sog. Amtliches Verzeichnis)

Weiterführende Links zu den Aktivitäten der DIHK:

Lesen Sie auch: Zehn Forderungen der DIHK für mehr Wettbewerbsfähigkeit Europas

Ansprechpartner

Susann Budras
Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin
Leiterin Geschäftsbereich: Standortpolitik und Regionalentwicklung
t: +49(0)355 365 1010
f: +49(0)355 3659 1010
susann.budras@cottbus.ihk.de
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